Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Versäumung der Klagefrist. Zugangsvermutung. einfacher Postbrief. Dreitagesfrist. Verlängerung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Dreitagesfrist des § 37 Abs 2 SGB 10 ist nicht zu verlängern, wenn das Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt (Entgegen BFH vom 14.10.2003 - IX R 68/98 = BFHE 203, 26). Ein Zweifelsfall iS des § 37 Abs 2 S 2 Halbs 2 SGB 10 liegt grundsätzlich dann vor, wenn der Empfänger den Zugang des Bescheides überhaupt bestreitet oder eines späteren Zugangs als 3 Tage nach der Aufgabe zur Post behauptet. (Nur) hinsichtlich der Behauptung eines späteren Zugangs ist allerdings mit der hM zu fordern, dass der Adressat substantiiert Umstände vorbringt, die ein tatsächliches Abweichen von der gesetzlichen Zugangsvermutung möglich erscheinen lassen, etwa eine überholte Postanschrift oder einen Ausfall der Postzustellung in der fraglichen Zeit.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 29.05.2006 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten in der Sache über die Erstattung und Auszahlung von Rentenversicherungsbeiträgen sowie formal darüber, ob der Kläger die Klagefrist versäumt hat.

Der 1952 geborene Kläger stellte am 05.08.2004 einen Antrag auf Erstattung der für ihn eingezahlten Rentenbeiträge.

Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30.11.2004 mit der Begründung ab, Beiträge würden erstattet, sofern keine Versicherungspflicht bestehe, seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht 24 Kalendermonate abgelaufen seien und nicht erneut Versicherungspflicht eingetreten sei und kein Recht zur freiwilligen Versicherung bestehe. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, weil das Recht zur freiwilligen Versicherung in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung bestehe.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2005 als unbegründet zurückgewiesen wurde. In den Gründen des Widerspruchsbescheides wurde u.a. ausgeführt, nach § 7 Abs. 1 des 6. Buches des Sozialgesetzbuchs, Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) könnten Personen, die nicht versicherungspflichtig seien, sich für Zeiten von der Vollendung des 16. Lebensjahres an freiwillig versichern. Insoweit bestehe auch für den Kläger das Recht zur freiwilligen Versicherung in der deutschen Rentenversicherung. Unerheblich sei hierbei, ob auch tatsächlich freiwillige Beiträge gezahlt würden bzw. das Vorliegen einer vollen Erwerbsminderung.

Ausweislich des auf dem Widerspruchsbescheid enthaltenen Abgangsvermerks wurde dieser am 22.03.2005 abgesandt.

Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger mit einem am 19.04.2005 gefertigten Schreiben Klage erhoben, das er am 26.04.2005 zur Post gegeben hat und das am 28.04.2005 bei Gericht eingegangen ist.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht für das Saarland (SG) die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29.05.2005 abgewiesen.

Es hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei nicht fristgemäß erhoben worden. Vorliegend sei der Widerspruchsbescheid ausweislich der Verwaltungsakte am 22.03.2005 in den Postgang der Beklagten zur Absendung gegeben und nach den Angaben der Beklagten in der Klageerwiderung am 23.03.2005 mittels einfachem Postbrief an den Kläger abgesandt worden. Nach § 37 Abs. 2 des 10. Buches des Sozialgesetzbuchs, Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) gelte der Widerspruchsbescheid damit mit dem dritten Tag nach der Aufgabe und damit mit dem 26.04.2005 als bekannt gegeben. Die einmonatige Klagefrist des § 87 Sozialgerichtsgesetz (SGG) habe daher mit Ablauf des 26.04.2005, einem Dienstag, geendet. Die Klageschrift des Klägers vom 19.04.2005 sei jedoch erst am 28.04.2005 und damit nach Ablauf der Klagefrist bei Gericht eingegangen. Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 67 SGG nahe legen könnten, seien von dem Kläger nicht vorgebracht worden und auch nicht ersichtlich.

Gegen den am 01.06.2006 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 30.06.2006 bei Gericht eingegangene Berufung.

Zur Begründung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, die Beklagte gebe an, sie habe den Widerspruchsbescheid am Mittwoch, den 23.03.2005, weggeschickt. Er sei donnerstags noch nicht zugegangen gewesen. Möglicherweise sei das Schreiben erst nach der letzten Leerung zur Post gegeben worden; dann sei eine Zustellung am nächsten Tag ausgeschlossen. Der darauf folgende Freitag sei ein Feiertag gewesen. Durch einen Feiertag würden sich manchmal die Zustellungen verschieben; außerdem sei das Postaufkommen an den Osterfeiertagen höher als gewöhnlich, so dass das Schreiben auch am Samstag noch nicht da gewesen sei. Am Sonntag könne auch keine Zustellung erfolgt sein, ebenso wenig am Ostermontag. Es sei daher leicht nachvollziehbar, weshalb das Schreiben...

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