Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit. Wunsch- und Wahlrechte der Leistungsberechtigten im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe nach dem SGB 9

 

Orientierungssatz

1. Die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit ist keine Fehlerkontrolle (vgl BGH vom 14.5.2002 - XI ZR 388/01). Denn im Ablehnungsverfahren geht es allein um die Parteilichkeit oder Voreingenommenheit des Richters und nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen, deren Überprüfung allein den Rechtsmittelgerichten vorbehalten ist. Für die Prüfung ist nicht die subjektive Sicht des Ablehnenden maßgeblich. Vielmehr ist nach objektivem Maßstab zu beurteilen, ob die geltend gemachten Umstände geeignet sind, Zweifel an der Überparteilichkeit zu begründen (vgl OLG München vom 9.1.2017 - 34 SchH 13/16).

2. Überragende Zielbestimmung der Leistungen zur Teilhabe nach dem SGB 9 ist die Förderung der Selbstbestimmung, Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit. Wesentliche Ausprägung dieser Zielsetzung ist die besondere Hervorhebung der Wunsch- und Wahlrechte der Leistungsberechtigten (vgl LSG Darmstadt vom 1.9.2011 - L 1 AL 65/10). Wenngleich diesen auch vor dem Hintergrund der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit gem Art 12 Abs 1 GG besondere Bedeutung zukommt (vgl LSG Stuttgart vom 22.7.2014 - L 11 R 2652/13), ist der Rentenversicherungsträger in seiner Ermessensentscheidung nicht allein an das Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten gebunden.

 

Normenkette

ZPO § 42 Abs. 1, § 45 Abs. 1, § 47 Abs. 1, § 321a Abs. 5, § 547 Nr. 1; SGG § 60 Abs. 1 Sätze 1-2, § 54 Abs. 2 S. 2, § 110 Abs. 1 S. 2, § 111 Abs. 1, § 131 Abs. 2 S. 1, Abs. 3, § 159 Abs. 1 Nr. 2, § 202 S. 1; SGB I § 39 Abs. 1 Sätze 1-2; SGB VI § 9 Abs. 2, § 13 Abs. 1, § 16; SGB IX § 33 Abs. 4 S. 1; SGB XII § 28; RBEG § 4 Abs. 1 S. 2, § 5 Abs. 1; GG Art. 3, 12 Abs. 1

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 13.11.2017; Aktenzeichen B 13 R 152/17 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. April 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des Klägers auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer zweijährigen Umschulung zum Technischen Produktdesigner streitig.

Der 1963 geborene Kläger hat in den Jahren 1986 bis 1990 eine Ausbildung zum Zahntechniker absolviert. Von Januar bis Juni 1999 wurde er zum Facharbeiter für den Bereich Zerspanung (CNC) bei der Industrie- und Handelskammer angelernt; zuletzt war der Kläger bis Juli 2007 als Einrichter im Bereich CNC tätig. Im Jahr 2007 absolvierte er außerdem eine Weiterbildung im Bereich Webdesign und visuelle Kommunikation. Seither ist er arbeitslos; derzeit bezieht er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Am 09.02.2009 stellte der Kläger erstmals bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Zur Begründung trug er vor, er könne seine bisherige Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen wegen Bandscheibendegenerationen nicht mehr ausüben, weshalb er eine Umschulung im Bereich der Medienbranche begehre. Der behandelnde Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. O. bestätigte in dem ärztlichen Bericht zum Antrag auf Leistungen zur Teilhabe vom 02.02.2009, dass bei dem Kläger eine Bandscheibendegeneration L4/5 mit Prolaps links, eine Spondylarthrose L4/5 beidseits, eine Bandscheibenprotrusion L5/S1, eine beginnende Spondylarthrose, eine Spondylolisthesis L5/S1 sowie eine Innenmeniskusruptur links bestünden. Daraus ergäben sich eine Minderung der Belastbarkeit sowie Einschränkungen bei schwerem Tragen und Heben und bei Arbeiten in Zwangshaltungen. Die bisherige berufliche Tätigkeit könne nicht weitergeführt werden.

Nachdem die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 26.02.2009 mit der Begründung abgelehnt hatte, nach ihren Feststellungen sei der Kläger im maßgeblichen Bezugsberuf als Einrichter im CNC-Bereich nicht erheblich gefährdet oder gemindert, bewilligte sie im Widerspruchsverfahren mit Bescheid vom 02.04.2009 Leistungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Den hiergegen am 08.04.2009 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2009 zurück. Hiergegen erhob der Kläger am 22.06.2009 Klage beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe (S 12 R 2691/09), die mit Urteil vom 12.04.2012 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Die hiergegen eingelegte Berufung wies das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 07.05.2014 (L 4 R 2037/12) mit der Maßgabe zurück, dass die Beklagte dem Kläger ein Drittel der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Widerspruchsverfahrens wegen des Bescheids vom 26.02.2009 zu erstatten hat. Zur Begründung führte das LSG aus, der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass ihm die Beklagte eine zweijä...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge