Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten. stationäre Hilfe. Pflicht zur Übernahme sämtlicher Unterbringungskosten durch den Sozialhilfeträger. kein Leistungsausschluss trotz Bezugs von Arbeitslosengeld II. Berücksichtigung als Einkommen. Notwendiger Lebensunterhalt. Stationäre Einrichtung. Heimträger. Schuldbeitritt. Teleologische Reduktion. Notwendige Beiladung

 

Leitsatz (amtlich)

Trotz des Bezuges von SGB 2-Leistungen keine Anwendung von § 21 SGB 12 auf § 35 SGB 12 aF (jetzt § 27b SGB 12) im Rahmen einer Maßnahme nach § 67 SGB 12. Daher sind bei niedrigeren SGB 2-Leistungen (aufgrund von Sanktionen) und damit einem niedrigeren Eigenanteil des Leistungsempfängers die insoweit nicht mehr abgedeckten Unterbringungskosten (zusätzlich) vom SGB 12-Leistungsträger zu übernehmen.

 

Normenkette

SGB XII §§ 21, 35 Abs. 1, §§ 42, 67-68; SGB II § 5 Abs. 2, § 7 Abs. 4; SGG § 75 Abs. 2

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers (und des Beigeladenen) wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 7. Oktober 2010 sowie der Bescheid des Beklagten vom 27. Mai 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2008 aufgehoben und der Beklagte verurteilt, für den Kläger an den Beigeladenen 606,67 € zu zahlen.

Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen sowie des Beigeladenen im Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Übernahme ausstehender Kosten für die Unterbringung im “J.„ für die Monate September bis November 2007.

Der am 1981 geborene Kläger war seit 2. Juli 2007 im “J.„, einer Einrichtung der Wohnsitzlosenhilfe des AGJ, Fachverband für Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese Freiburg (Beigeladener) untergebracht. Hierfür beantragte er am 8. August 2007 Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach den §§ 67 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII). Der Kläger befand sich insgesamt bis zum 27. April 2008 im J. (Bl. 38 SG-Akte).

Mit Bescheid vom 17. August 2007 (Bl.23 Verwaltungsakte - VA -) bewilligte der Beklagte Leistungen gemäß § 67 SGB XII, und zwar die entstandenen und noch entstehenden Pflege- und Betreuungskosten (Maßnahmepauschale) entsprechend dem Leistungstyp III.1.2 (Anm. des Senats : siehe hierzu § 2 Abs. 2 der Vereinbarung nach § 93 Abs. 2 BSHG vom 21. Dezember 2001 zwischen dem Beklagten und dem Beigeladenen: "Stationäre Hilfe mit internen Angeboten der Tagesstrukturierung", Investitionsbetrag: 7,31 €, Grundpauschale: 13,82 € [seit 1. April 2004 14,45 €], Maßnahmepauschale: 22,83 € [23,87 €], insgesamt 43,96 € - Bl. 21 ff. Senatsakte). Weiter ist dort ausgeführt, für die Dauer der Maßnahme erhalte der Kläger im Rahmen der Gesamtmaßnahmekosten einen Barbetrag zur persönlichen Verfügung (Taschengeld) sowie bei Bedarf einen Zuschlag für einmalige Bedürfnisse. Die Festsetzung und Auszahlung der Leistungen erfolge durch die Einrichtung. Die Hilfe umfasse lediglich Leistungen nach dem 8. Kapitel SGB XII; Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen nach dem 3. Kapitel SGB XII könnten nicht gewährt werden, da er zum Personenkreis des SGB II (Anspruchsberechtigte auf Arbeitslosengeld II) gehöre. Gemäß § 19 Abs. 1 SGB XII habe der Kläger sich an dem Lebensunterhalt in Einrichtungen mit seinem Einkommen zu beteiligen. Dieser Eigenanteil umfasse lediglich die Kosten des dort gewährten Lebensunterhaltes und diene zur teilweisen Deckung des entstehenden Aufwandes. Sofern der Kläger daher über Einkommen verfüge (Arbeitsverdienst, Alg II), habe er dieses bis zum Erreichen eines monatlichen Höchstbetrages als Kostenbeitrag zum Lebensunterhalt an den J. zu entrichten. Die konkrete Festsetzung und Einziehung dieses Kostenbeitrages erfolge jeweils durch die Einrichtung. Dieser Bescheid erwuchs - soweit ersichtlich - in Bestandskraft. Grundlage war der Hilfeplan vom 9. August 2007 (Bl. 13/21 VA), in dem unter "notwendige Hilfen" ausgeführt ist: "Wir halten die stationäre Hilfe für die geeignete Maßnahme, um Herrn W. durch die klaren Strukturen und die hohe Präsenz von Sozialarbeit zu stabilisieren, um dann mit unserer begleitenden Unterstützung die entsprechenden Schritte in ein selbstständiges Leben mit Arbeit und einer eigenen Wohnung gehen zu können."

Ausweislich der Abrechnung des “J.es„ gegenüber dem Beklagten für den Monat August 2007 entstanden hier Kosten aufgrund der Vergütungspauschale in Höhe von 1.414,53 € (31 Tage x 45,63 €) abzüglich eines erstatteten Regelbedarfes von 425,88 € (Bl. 29 VA). Bei den Folgeabrechnungen für die Monate September, Oktober und November 2007 sind jeweils noch ein Barbetrag sowie Bekleidungshilfen in Höhe von 93,69 € bzw. 23,00 € ausgewiesen. Der Beklagte hat jeweils einen Betrag i.H.v. 585,50 € als Eigenanteil des Klägers angerechnet (Bl. 35 ff. VA) und den danach verbleibenden Differenzbetrag an den Einrichtungsträger überwiesen.

Am 28. August 2007 trat der Kläger “sein gesamtes Einkommen im Sinne des § ...

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