Leitsatz (amtlich)

In die Verjährungsfrist des Anspruchs auf Beseitigung einer baulichen Veränderung ist die Zeit nicht einzuberechnen, während der die bauliche Veränderung durch einen später für ungültig erklärten Beschluss der Wohnungseigentümer genehmigt war.

 

Verfahrensgang

AG Marburg (Aktenzeichen 9 C 1307/13 (84))

 

Tatbestand

I.

Die Kläger nehmen die Beklagten zu 1) und 2) auf Beseitigung einer Terrassenverglasung in Anspruch und begehren mit dem Hilfsantrag die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zur Beseitigung der Verglasung.

Die Kläger sind seit 2009 Wohnungseigentümer, die Beklagte zu 1) ist Eigentümerin der Wohnung Nr. 5. Der Beklagte zu 2) ist Eigentümer der Wohnung Nr. 4, die zunächst ebenfalls im Eigentum der Beklagten zu 1) stand und mit notariellem Vertrag vom September 2010 an den Beklagten zu 2) übertragen wurde.

Unter im einzelnen streitigen Umständen nahm der Beklagte zu 2) eine Verglasung der vor den Wohnungen Nr. 5 und 4 befindlichen Terrasse vor, sodass eine Art Wintergarten entstand, an dessen Seite eine Zugangstür nach Außen angebracht ist. …

Auf der Eigentümerversammlung vom 07.08.2010 beschlossen die Eigentümer mehrheitlich die Genehmigung dieser Verglasung. Mit Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (2-13 S 133/11) vom 08.05.2013 wurde der Beschluss rechtskräftig für ungültig erklärt. Am 31.12.2013 haben die Kläger Klage auf Beseitigung erhoben.

Die Parteien haben in erster Instanz um die Frage gestritten, ob die Verglasungen im Jahre 2009 oder erst im Jahre 2010 vorgenommen worden sind, und zu welchem Zeitpunkt die Kläger hiervon erfahren haben.

Das Amtsgericht auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird, hat die Klage nach Beweiserhebung abgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen aufgeführt:

Den Klägern stünde zwar gegen den Beklagten zu 2) aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB ein Beseitigungsanspruch zu, denn das Eigentum der Kläger sei durch die Verglasung der Terrasse beeinträchtigt, der Beklagte zu 2) habe auch unstreitig die Verglasung der Terrasse vorgenommen und sei daher auch Handlungs- sowie Zustandszerstörer. Der Anspruch sei jedoch verjährt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei das Gericht davon überzeugt, dass der Anspruch der Kläger bereits im Jahre 2009 entstanden sei. Mithin sei zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahre 2013 der Anspruch verjährt gewesen. Die Verjährung sei nicht gem. § 203 BGB dadurch gehemmt gewesen, dass zwischenzeitlich die bauliche Veränderung genehmigt worden sei. Denn die Kläger seien seinerzeit überstimmt worden, Verhandlungen habe es nicht gegeben. Mit der rechtskräftigen Ungültigerklärung durch das Berufungsgericht sei dieser Genehmigungsbeschluss auch im Nachhinein von Anfang an ungültig geworden und könne deshalb keine Auswirkungen auf die Verjährung haben.

Der Hilfsantrag sei unzulässig, denn eine hilfsweise Klageerhebung gegen Parteien, die an dem Hauptantrag nicht beteiligt seien, sei unzulässig.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, mit der diese ihre erstinstanzlichen Klageanträge in vollem Umfang weiter verfolgen. Die Berufung wendet sich vor allem gegen die Annahme der Verjährung.

Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Berufung hat mit dem Hauptantrag Erfolg.

Der Hilfsantrag ist allerdings unzulässig. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen der amtsgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen werden. Ein hilfsweise gestellter Klageantrag kann nicht gegen Dritte gerichtet werden, da es sich insoweit nicht um eine innerprozessuale Bedingung handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 25.01.2005 – XI ZR 152/04). Insoweit bedarf es – auch bei einer lediglich hilfsweisen Klageerhebung – einer Entscheidung, da das Prozessverhältnis gegenüber den Dritten nicht in der Schwebe gelassen werden darf (Zöller/Vollkommer § 33 Rn. 27).

Den Klägern steht der geltend gemachte Beseitigungsanspruch gegen die Beklagten zu 1) und 2) aus §§ 1004 Abs. 1. S. 1 BGB i.V.m. § 15 WEG zu. Die Kammer teilt die Auffassung des Amtsgerichts, dass es sich bei der Verglasung der Terrasse um eine bauliche Veränderung handelt, welche die Kläger benachteiligt. Die insoweit vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen sind für das Berufungsgericht bindend.

Diese bauliche Veränderung beeinträchtigt – wie das Amtsgericht ebenfalls zutreffend und für das die Kammer bindend festgestellt hat – auch die Kläger über das in § 14 Nr. 1 WEG festgelegte Maß hinaus. Insoweit entspricht es auch weiterhin der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass ein Nachteil, den andere Wohnungseigentümer nicht hinnehmen müssen, vorliegt wenn die bauliche Veränderung zu einer erheblichen optischen Veränderung des Gebäudes führt (BGH WuM 2017, 298).

Eine derartige erhebliche Veränderung des optischen Erscheinungsbildes ...

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