Leitsatz

In die Verjährungsfrist des Anspruchs auf Beseitigung einer baulichen Veränderung ist die Zeit nicht einzuberechnen, während der die bauliche Veränderung durch einen später für ungültig erklärten Beschluss genehmigt war.

 

Normenkette

WEG § 22; BGB § 203

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer B verglast seine Terrasse – es entsteht eine Art Wintergarten. Die anderen Wohnungseigentümer genehmigen dies im August 2010 mehrheitlich. Wohnungseigentümer K, seit 2009 Wohnungseigentümer, geht gegen diesen Beschluss vor. Mit Erfolg. Im Mai 2013 wird der genehmigende Beschluss rechtskräftig für ungültig erklärt.
  2. Ende Dezember 2013 nimmt Wohnungseigentümer K Wohnungseigentümer B auf Beseitigung der Terrassenverglasung in Anspruch. Das Amtsgericht weist die Klage ab. K stehe zwar aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Beseitigungsanspruch zu. Sein Eigentum sei durch die Verglasung der Terrasse beeinträchtigt. B habe die Verglasung der Terrasse unstreitig vorgenommen und sei daher auch Handlungs- sowie Zustandszerstörer. Der Anspruch sei jedoch verjährt, denn er sei bereits im Jahre 2009 entstanden. Die Verjährung sei nicht gemäß § 203 BGB dadurch gehemmt gewesen, dass zwischenzeitlich die bauliche Veränderung genehmigt worden sei. K sei seinerzeit überstimmt worden, Verhandlungen habe es nicht gegeben. Mit der rechtskräftigen Ungültigerklärung sei dieser Beschluss auch im Nachhinein von Anfang an ungültig geworden und könne deshalb keine Auswirkungen auf die Verjährung haben.
  3. Hiergegen richtet sich die Berufung des K. Die Berufung wendet sich vor allem gegen die Annahme der Verjährung. Mit Erfolg!
 

Die Entscheidung

Die Anspruchsgrundlage

K stehe der geltend gemachte Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 15 WEG zu.

Feststellung einer beeinträchtigenden baulichen Veränderung

  1. Die Kammer teile die Auffassung des Amtsgerichts, dass es sich bei der Verglasung der Terrasse um eine bauliche Veränderung handele, welche K benachteilige. Die insoweit vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen seien für die Kammer bindend.
  2. Die bauliche Veränderung beeinträchtige K – wie es das Amtsgericht ebenfalls zutreffend und für das die Kammer bindend festgestellt habe – auch über das in § 14 Nr. 1 WEG festgelegte Maß hinaus. Es liege eine erhebliche Veränderung des optischen Erscheinungsbildes vor. Wie es das Amtsgericht zutreffend festgestellt habe und sich auch aus den vorgelegten Bildern eindeutig ergebe, habe sich durch die Verglasung das gesamte Erscheinungsbild des Gebäudes erheblich verändert.

Keine Verjährung

  1. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts sei der Anspruch allerdings nicht verjährt (§ 199 BGB). Dabei komme es nicht auf die zwischen den Parteien umstrittene Frage an, ob die baulichen Veränderungen im Jahre 2009 oder im Jahre 2010 vorgenommen worden seien. In den Zeitraum der Verjährung sei nämlich der Zeitraum vom August 2010 bis zum Mai 2013 nicht einzuberechnen. Dabei könne dahinstehen, ob für diesen Zeitraum die Verjährungsfrist nicht gelaufen sei, oder K aus Rechtsgründen eine Geltendmachung seines Beseitigungsanspruches nicht zuzumuten gewesen sei, weil eine entsprechende Klage aufgrund des seinerzeit gefassten Beschlusses als "zurzeit unbegründet" abgewiesen worden wäre.
  2. Durch die Genehmigung der baulichen Veränderung sei diese bis zur rechtskräftigen Ungültigerklärung des Genehmigungsbeschlusses legitimiert gewesen (Hinweis auf § 22 Abs. 1 WEG). Dieser Beschluss sei – auch wenn er anfechtbar gewesen sei – bis zum Zeitpunkt seiner Ungültigerklärung (Hinweis auf § 23 Abs. 4 WEG) gültig und bindend gewesen. Demzufolge habe während dieses Zeitraums ein Unterlassungsanspruch des K, den dieser mit Erfolg hätte durchsetzen können, nicht bestanden. Eine von K erhobene Beseitigungsklage hätte vielmehr als derzeit unbegründet abgewiesen werden können (Hinweis u.a. auf BayObLG v. 16.4.1998, 2 Z BR 61/98, NZM 1999 S. 132 und LG Stuttgart v. 28.3.2013, 2 S 36/12, ZWE 2014 S. 190). Angesichts dieser feststehenden Rechtsprechung wäre es K jedenfalls nicht zumutbar gewesen, während dieses Zeitraums eine Beseitigungsklage zu erheben. Denn er habe nicht sicher davon ausgehen können, dass das Gericht dieses Verfahren gemäß § 148 ZPO bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Anfechtungsklage aussetzt, sondern habe mit deren Abweisung rechnen müssen.
  3. Nach Ansicht der Kammer stehe der Genehmigungsbeschluss überhaupt dem Lauf der Verjährung für den Zeitraum bis zur rechtskräftigen Ungültigerklärung entgegen. Denn wenn aufgrund dieses Beschlusses – wie ausgeführt – der Beseitigungsanspruch nicht bestehe, könne er auch keiner Verjährung unterliegen (Hinweis auf § 194 BGB). Insoweit liege auch kein mit § 205 BGB vergleichbarer Fall eines vorübergehenden Leistungsverweigerungsrechts vor. Denn durch die Beschlussfassung sei die Rechtslage für die Wohnungseigentümer endgültig bindend – bis zur gerichtlichen Ungültigerklärung des Beschlusses (Hinweis auf § 23 Abs. 4 WEG) – umgestaltet gewesen.
  4. An diesem Befund ändere sich – entge...

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