Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnraummiete in Berlin: Kappungsgrenze für Mieterhöhungsverlangen nach dem 31.12.1994

 

Leitsatz (amtlich)

Für ein Mieterhöhungsverlangen nach MHG § 2 (juris: MietHöReglG), das nach dem 31. Dezember 1994 wirksam werden sollte, galt nicht die Kappungsgrenze von 5% nach GVW § 2 (juris: WositVerbBlnG).

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin - soweit sie nicht bereits durch das Teilurteil der Kammer vom 20. Oktober 1995 zurückgewiesen wurde - wird das am 21. März 1995 verkündete Urteil des Amtsgerichts Neukölln - 6 C 1/95 - abgeändert:

Die Beklagten werden verurteilt, der Erhöhung der monatlichen Bruttokaltmiete für die im Hause ..., ... Berlin, Vorderhaus, 1. OG rechts, belegte Wohnung von bisher 911,19 DM auf 1.021,45 DM mit Wirkung vom 1. Januar 1995 zuzustimmen.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beweisaufnahme der II. Instanz haben die Klägerin zu 2/19 und die Beklagten zu 17/19 zu tragen; die übrigen Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben die Klägerin zu 7/13 und die Beklagten zu 6/13 zu tragen.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Nachdem die Kammer bereits ein Teilurteil erlassen hat, war nur noch über den Anspruch der Klägerin auf Zustimmung zu einer Erhöhung der Bruttokaltmiete von 911,19 DM auf 1.034,85 DM ab dem 1. Januar 1995 zu entscheiden.

Die Berufung ist zulässig. Insoweit wird auf die Ausführungen im Teilurteil Bezug genommen.

II.

Auch in der Sache hat das Rechtsmittel - soweit es Gegenstand des vorliegenden Urteils ist - überwiegend Erfolg.

Der Umstand, daß das Zustimmungsverlangen den Beklagten zur Zeit der Preisbindung der Wohnung zuging, führt nicht zur Unwirksamkeit der Mieterhöhungserklärung (1). Die ortsübliche Vergleichsmiete betrug am 1. Januar 1995 1.021,45 DM (2).

(1) Für den vorliegenden Fall ist von streitentscheidender Bedeutung, ob eine Erklärung, mit der der Vermieter vom Mieter die Zustimmung zur Erhöhung der Miete (§ 2 Abs. 1 Satz 1 MHG) über die Kappungsgrenze des § 2 Abs. 1 Satz 1 GVW hinaus verlangt, auch dann insgesamt unwirksam ist, wenn die Erklärung dem Mieter zu einer Zeit zugeht, in der § 2 Abs. 1 GVW zwar noch in Kraft ist, die Erhöhung jedoch erst zu einer Zeit wirksam werden soll, in der das GVW nicht mehr gilt.

Die Frage wird in Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet (vgl. etwa: Maciejewski, MM 1994, 393, 394; Beuermann GE 1994, 1072; derselbe in Miete und Mieterhöhung bei preisfreiem Wohnraum, 2. Auflage 1994, § 2 MHG, Rz. 14 und 57; OLG Hamm WuM 1994, 1049, 1051; KG WuM 1982, 102 ff; LG Berlin GE 1995, 1133; AG Tempelhof-Kreuzberg GE 1996, 59 ff; AG Schöneberg MM 1993, 325; AG Spandau GE 1994, 101); gleichwohl war kein Rechtsentscheid des Kammergerichts einzuholen. Die Voraussetzungen des § 541 ZPO sind nicht erfüllt.

(a) Die Kammer weicht - soweit ersichtlich - von keiner Entscheidung eines Oberlandesgerichts ab. Sie befindet sich vielmehr im Einklang mit den soeben zitierten Entscheidungen des Kammergerichts und des OLG Hamm. Danach ist das Zustimmungsverlangen wirksam.

Die Mieterhöhungserklärung des Vermieters wird zwar als Willenserklärung im Moment des Zugangs beim Mieter wirksam (§ 130 BGB), für die Frage ob und nach welchen Vorschriften der Umfang der Mietsteigerung begrenzt ist, ist jedoch auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Erhöhung eintreten soll. Ansonsten würde ein Mietverhältnis auch dann noch der Preisbindung unterworfen, wenn die Bindung nicht mehr gilt. Der vom MHG verfolgte Zweck, den Mieter vor überhöhten Mietzinsforderungen zu schützen, wird auch nach der hier vertretenen Auffassung nicht in Frage gestellt. Zudem zeigt das Recht des Vermieters, bereits vier Monate vor Ablauf der Preisbindung vom Mieter Auskunft über dessen Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen zu verlangen (§ 2 Abs. 1 a Satz 2 MHG), daß der Gesetzgeber die Voraussetzungen schaffen wollte, daß das Mieterhöhungsverfahren schon zu Zeiten der Preisbindung in Gang gesetzt werden kann (vgl. KG a.a.O., OLG Hamm a.a.O., AG Tempelhof-Kreuzberg a.a.O.).

(b) Auch von dem Beschluß des BGH vom 16. Juni 1993 (GE 1993, 799) weicht die Kammer nicht ab (vgl. OLG Hamm a.a.O.). Die Entscheidung des BGH betrifft die Auslegung einer Norm des MHG (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1). Im vorliegenden Fall geht es um eine Vorschrift des GVW (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GVW). Überdies erklärt § 2 Abs. 1 Satz 2 GVW die Sperrfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MHG ausdrücklich für nicht anwendbar.

Auch eine entsprechende Anwendung der vom BGH herausgearbeiteten Grundsätze führt nicht dazu, dem streitgegenständlichen Zustimmungsverlangen die Wirksamkeit zu versagen (vgl. Beuermann GE 1994, 1074, Anm. 3). Der BGH knüpft an den Wortlaut des Gesetzes (§ 2 Abs. 1 Satz 1 MHG) an, nach dem der Vermieter während der Sperrfrist eine Erhöhung nicht verlangen "kann". Aus dieser Formulierung leitet der BGH ab, daß dem Zustimmungsverlangen insgesamt die Wirksamkeit abzusprechen ...

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