Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristlose Kündigung des Wohnraummietvertrages wegen Zahlungsverzuges: Übernahmeerklärung des Sozialamts. Fristlose Kündigung des Wohnraummietvertrages wegen Zahlungsverzuges: erneuter Zahlungsverzug des Mieters

 

Orientierungssatz

1. Die Übernahmeerklärung des Sozialamts führt auch dann zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn sie unter der Rechtsbedingung abgegeben worden ist, sie gelte nur "soweit die Räumung der Wohnung hinfällig" werde.

2. Die Weiterverfolgung der fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges kann treuwidrig sein, wenn die Mietübernahmeerklärung den geschuldeten Rückstand nur unwesentlich unterschreitet (hier: 2,31 DM).

3. Die Kündigungswirkung lebt nicht wieder auf, wenn der Mieter im Anschluß an die Übernahmeerklärung des Sozialamts erneut in Zahlungsverzug gerät.

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 3. Mai 1994 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg - 19 C 14/94 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist unbegründet.

Das Amtsgericht hat die Räumungsklage der Kläger zu Recht abgewiesen.

Den Klägern steht gegen den Beklagten kein Herausgabeanspruch aus den §§ 556 Abs. 1, 985 BGB zu. Das Mietverhältnis über die streitbefangene Wohnung ist nicht beendet.

Allerdings war die Kündigung vom 6. Januar 1994 zunächst wirksam, da sie vom Kündigungsgrund des § 554 Abs. 1 Ziff. 2 BGB gedeckt wurde. Der Beklagte war mit den Mietzahlungen für Oktober und Dezember 1993 zur Gänze in Verzug. Die Kündigung war auch nicht unwirksam, weil in ihr ein unzutreffend überhöhter Zahlungsrückstand (Mai 1993 und Januar 1994) angegeben worden war, da bei einer fristlosen Kündigung die Angabe von Kündigungsgründen nicht Wirksamkeitsvoraussetzung ist (§ 564 a Abs. 1 S. 2 BGB).

Die Kündigung wurde aber gemäß § 554 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 Alternative 2 BGB durch die innerhalb der "Schonfrist" erfolgte Übernahmeerklärung des Sozialamtes Charlottenburg vom 25. Februar 1994 unwirksam. Daß diese Erklärung die Nutzungsentschädigung für Februar nicht umfaßte, war unschädlich, da der diesbezügliche Anspruch aus § 557 BGB noch nicht fällig war gemäß § 551 Abs. 1 BGB. Die Fälligkeit mit Ablauf des Februar 1994 gemäß dieser Vorschrift ist anzunehmen, da die Kläger mit ihrer Behauptung, mietvertraglich sei eine Vorauszahlungsverpflichtung vereinbart worden, beweisfällig geblieben sind. Die Behauptung ist auch nicht etwa deshalb nicht beweisbedürftig, weil die Vereinbarung einer entsprechenden Fälligkeitsregelung in Wohnraummietverträgen weit verbreitet ist. Insoweit kann nämlich von einer entsprechenden Verkehrssitte noch nicht ausgegangen werden.

Auch die Bedingungssetzung in der Übernahmeerklärung, diese gelte nur, "soweit die Räumung der Wohnung hinfällig" werde, war unschädlich, da es sich dabei lediglich um eine Rechtsbedingung handelte (vgl. hierzu Schmidt/Futterer/Blank "Wohnraumschutzgesetze" B 196).

Die Erklärung war auch ausreichend, obwohl der betragsmäßig ausgewiesene Rückstand um 2,31 DM unter dem tatsächlichen lag. Zum einen ergab sich aus der Erwähnung der drei vollen Monatsmieten für Oktober und Dezember 1993 sowie Januar 1994, daß das Sozialamt im Umfange dieser Mieten den Rückstand übernehmen wollte. Diese Auslegung drängte sich auch deshalb auf, weil die Minderberechnung sich genau aus den Pfennigbeträgen der einzelnen Monatsmieten addierte.

Zudem würde aber auch die weitere Durchsetzung des Räumungsanspruchs gegen Treu und Glauben verstoßen. Auch bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 554 BGB kann im Einzelfall das Festhalten an einer fristlosen Kündigung wegen Treuwidrigkeit rechtlich unwirksam sein. Dies gilt gerade auch für den Fall, daß der Kündigungsgrund sich letztlich aus einem offensichtlichen Versehen des Sozialamtes rechtfertigt, das durch eine Nachfrage von seiten des Vermieters alsbald aufzuklären wäre (vgl. Insoweit LG Karlsruhe ZMR 1989, 421, 422). Schließlich ergäbe sich die Treuwidrigkeit auch daraus, daß die Kündigung wegen eines dermaßen unbedeutenden Zahlungsrückstandes weiter verfolgt wird.

Die Kündigungswirkung lebte auch nicht deshalb wieder auf, weil der Beklagte im Anschluß an die Übernahmeerklärung erneut in Zahlungsverzug geriet. Die einmal eingetretene Unwirksamkeit der Kündigung ist endgültig und kann nicht nachträglich wieder beseitigt werden. Für eine derart weitgehende Auslegung des § 554 Abs. 2 Ziff. 2 BGB ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der den Mieter privilegierenden Vorschrift ein hinreichender Anhaltspunkt (LG Hamburg MDR 1977, 317; Grapentin in Bub/Treier "Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete" IV Randnote 184).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1739210

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