Rz. 1147

Vertragsstrafen (§§ 339 ff. BGB) sind ein anerkanntes Instrument zur Sanktionierung von Vertragsverstößen auch in Handelsvertreterverhältnissen. Die häufigsten Fälle sind Verstöße des Handelsvertreters gegen das aus dem Interessenwahrungsgebot fließende Verbot, dem Prinzipal während der Dauer des Handelsvertreterverhältnisses Konkurrenz zu machen;

gegen ein besonders vereinbartes nachvertragliches Wettbewerbsverbot;
gegen das Verbot, während der Laufzeit des Handelsvertretervertrags andere Handelsvertreter des Prinzipals abzuwerben;
gegen die Verpflichtung, bei Vertragsende Unterlagen des Prinzipals herauszugeben, aber auch eigene Aufzeichnungen des Handelsvertreters namentlich über die Kunden, die er für den Unternehmer betreut hat.
 

Rz. 1148

AGB-rechtliche Schranken ergeben sich in folgender Hinsicht:

Die Vertragsstrafe darf nur dann verwirkt sein, wenn der Handelsvertreter den Vertragsverstoß schuldhaft begangen hat.[2394] Eine Beweislastverteilung dahin, dass sich der Handelsvertreter entlasten muss, ist im Hinblick darauf, dass § 339 BGB auf die Regelungen des Verzugs verweist, welche dem Schuldner ebenfalls den Entlastungsbeweis aufbürden, als AGB-rechtlich zulässig anzusehen.
Die Vertragsstrafe darf nicht übermäßig sein. Das ist der Fall, wenn sie in keinem angemessenen Verhältnis zum Gewicht des Verstoßes und zu den Folgen für den Vertragspartner steht.[2395] Dies kann nach der Rechtsprechung etwa auch dann der Fall sein, wenn die Klausel jede Differenzierung hinsichtlich der Schwere des Verstoßes vermissen lässt und auch bei leichten Verstößen grundsätzlich die gleiche Vertragsstrafe vorsieht.[2396] Die Vertragsstrafe kann aber auch wegen ihrer absoluten Höhe den Handelsvertreter unangemessen benachteiligen, wenn sie im Falle ihrer Verwirkung zu einer existenzbedrohenden Belastung für den Handelsvertreter wird.[2397] Übermäßig und gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist auch eine Vertragsstrafe, in der der Schuldner uneingeschränkt auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs verzichtet.[2398]
 

Rz. 1149

Gerade bei Streitigkeiten über Vertragsstrafen hat die Rechtsprechung immer wieder herausgestellt, dass eine Herabsetzung des AGB-mäßig übernommenen Vertragsstrafeversprechens im Wege einer teleologischen Reduktion auf ein tolerierbares Maß ausgeschlossen ist. Vielmehr ist die Vertragsstrafenklausel unwirksam.[2399] Eine richterliche Herabsetzung der Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB ist – unabhängig von dessen Unanwendbarkeit im kaufmännischen Verkehr (§ 348 HGB) – ausgeschlossen. § 343 BGB setzt eine wirksame Vertragsstrafenvereinbarung voraus, woran es bei Unangemessenheit i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB fehlt. Anders ist der Fall jedoch, wenn die Festsetzung der Höhe der Vertragsstrafe in das Ermessen der sie geltend machenden Partei gestellt ist, was eine Überprüfung durch ein Gericht eröffnet, sodass sich keine unbillige Benachteiligung ergeben kann.[2400] Die Überprüfbarkeit sollte aber unter Transparenzgesichtspunkten klargestellt werden.

[2395] BGH v. 3.4.1998 – V ZR 6/97 Rn 25 (Unangemessenheit verneinend hinsichtlich einer Vertragsstrafe für den Fall, dass der Schuldner einer ihm gegenüber der Treuhandanstalt/Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben obliegenden Investitionsverpflichtung und zur Schaffung von Arbeitsplätzen nicht nachkam).
[2396] LG Dessau-Roßlau v. 24.7.2015 – 4 O 352/14 Rn 29.
[2397] Zu beidem LAG Hamm v. 3.11.2006 – 7 Sa 1232/06 (Vertragsstrafe vereinbart von 25.000 EUR zulasten eines als Handelsvertreter zu qualifizierenden Vermögensberaters für jeden dem Prinzipal ausgespannten Kunden); so auch: LG Erfurt v. 1.6.2011 – 10 O 1247/10.
[2398] BGH v. 10.12.1992 – I ZR 186/90 Ls. 4, BGHZ 121, 13 für eine strafbewehrte wettbewerbsrechtliche Unterlassungserklärung; OLG Köln v. 15.6. 2010 – 19 U 53/10 Rn 4 für das strafbewehrte Verbot, keine anderen Handelsvertreter des Prinzipals abzuwerben.
[2399] BGH v. 18.11.1982 – VII ZR 305/81 Rn 32, BGHZ 85, 305; BGH 12.3.1981 – VII ZR 293/79 Rn 17.
[2400] Staudinger/Rieble (Neubearbeitung 2009), § 339 Rn 163.

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