Entscheidungsstichwort (Thema)

Allgemeine Geschäftsbedingungen: Keine Herabsetzungsmöglichkeit bei unangemessen hohen Vertragsstrafen; zur Auslegung von BGB § 341 Abs 3

 

Leitsatz (amtlich)

a) Das Erfordernis des Vorbehalts der Vertragsstrafe kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vollständig abbedungen werden (im Anschluß an BGHZ 72, 222).

b) Zur Wirksamkeit einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Vertragsstrafenvereinbarung, wenn sich die Höhe der Vertragsstrafe nach einem bestimmten Vomhundertsatz der Auftragssumme je Kalendertag der Terminüberschreitung richtet, eine zeitliche Begrenzung aber nicht vorgesehen ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Herabsetzungsmöglichkeit des BGB § 343 besteht nicht bei unangemessen hohen Vertragsstrafen, die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sind.

2. Die Vorschrift des BGB § 341 ist eng auszulegen. Vorbehalte, die vor oder nach der Erfüllungsannahme geäußert werden, genügen grundsätzlich nicht, um den kraft Gesetzes eintretenden Verlust des Anspruchs auf die Vertragsstrafe zu verhindern (Bestätigung BGH, 1960-11-03, VII ZR 150/59, BGHZ 33, 236; Bestätigung BGH, 1971-03-11, VII ZR 112/69, NJW 1979, 883; Bestätigung BGH, 1977-02-10, VII ZR 17/75, NJW 1977, 897).

 

Normenkette

BGB § 341

 

Verfahrensgang

OLG Nürnberg (Urteil vom 18.09.1981)

LG Nürnberg-Fürth

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 18. September 1981 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Mit Vertrag vom 30. März 1976 verpflichtete sich die Beklagte zur Ausführung der Erd-, Maurer-, Beton-, Stahlbeton- und Rohrleitungsarbeiten für ein Bauvorhaben in Nürnberg. Der vereinbarte Werklohn betrug 828.305,16 DM. Auftraggeberin war eine Bauherrengemeinschaft, vertreten durch ihren Treuhänder, dieser wiederum vertreten durch die Klägerin. Vereinbarungsgemäß sollten die Bauarbeiten am 12. April 1976 aufgenommen werden und nach 26 Wochen beendet sein. Zusätzlich unterzeichnete die Beklagte am 5. April 1976 die zum Vertragsbestandteil erklärten Besonderen Vertragsbedingungen (BVB) der Bauherrengemeinschaft, in denen es u.a. heißt:

„7. Konventionalstrafe und Verzug

7.1. Hält der Auftragnehmer die vereinbarten Termine und Fristen nicht ein und bringt er seine Leistungen auch nicht innerhalb der ihm gesetzten Nachfrist, so ist der Auftraggeber berechtigt, beginnend mit dem Ablauf der Nachfrist eine Konventionalstrafe vom Auftragnehmer zu fordern …

7.2. Der Auftragnehmer schuldet die Konventionalstrafe für den Zeitraum, der zwischen dem Ablauf der Nachfrist und der Beendigung der Arbeiten durch den Auftragnehmer oder einen Ersatzunternehmer liegt.

7.3. Für diesen Zeitraum der Termin- oder Fristüberschreitung verspricht der Auftragnehmer eine Konventionalstrafe von 1 % bei einer Auftragssumme bis DM 10.000,– und 0,5 % bei einer Auftragssumme über DM 10.000,– pro Kalendertag seiner Termin- oder Fristüberschreitung.

7.4. …

7.5. Die §§ 336 bis 345 BGB werden, soweit gesetzlich möglich, ausgeschlossen. Insbesondere ist der Vorbehalt der Konventionalstrafe bei Abnahme der Leistungen des Auftragnehmers nicht erforderlich.

7.6. …”

Mit Schreiben vom 8. November 1976 wies die Klägerin die Beklagte darauf hin, daß die Arbeiten in der 42. Woche (= 16. Oktober 1976) hätten beendet werden müssen. Sie setzte eine Nachfrist bis 20. November 1976 und kündigte an, daß sie ab diesem Zeitpunkt die Vertragsstrafe geltend machen werde. In einem weiteren Schreiben vom 10. Januar 1977 wiederholte sie ihre Absicht, die Vertragsstrafe in Anrechnung zu bringen.

Bei der formellen Abnahme der Werkleistung am 15. März 1977 erklärte die Auftraggeberin keinen Vertragsstrafenvorbehalt. Die Klägerin teilte vielmehr der Beklagten erst nach Prüfung der Schlußrechnung mit Schreiben vom 17. Februar 1978 mit, daß sie namens der Bauherrengemeinschaft den Restwerklohn um eine Vertragsstrafe von 213.299,96 DM kürze. Dennoch beglich die Mehrzahl der Bauherren die Forderung der Beklagten ohne Abzug, nachdem einer von ihnen in einem Rechtsstreit erfolglos geblieben war.

Unter Vorlage einer Abtretungserklärung des Treuhänders der Bauherrengemeinschaft macht die Klägerin einen Teilbetrag der Vertragsstrafe in Höhe von 95.000,– DM nebst Zinsen geltend. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der – angenommenen – Revision, um deren Zurückweisung die Beklagte bittet, verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Beklagte sei schon deshalb nicht zur Zahlung der Vertragsstrafe verpflichtet, weil sich die Klägerin bzw. die Bauherrengemeinschaft dieses Recht entgegen § 341 Abs. 3 BGB bei Abnahme der Werkleistung nicht vorbehalten habe. Einer solchen Erklärung habe es trotz der Regelung in Ziffer 7.5. Satz 2 der Besonderen Vertragsbedingungen bedurft, weil dort der Vertragsstrafenvorbehalt nicht wirksam abbedungen worden sei.

Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

I.

1. Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Besonderen Vertragsbedingungen der Klägerin, die der Vertragsstrafenvereinbarung zugrunde liegen, Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen.

Die Revision meint zwar, die Geschäftsbedingungen der Bauherrengemeinschaft seien hier zum Gegenstand einer Individualabrede gemacht worden. Das geht jedoch fehl. Dazu wäre erforderlich gewesen, daß auch die Beklagte hinsichtlich des Vertragsinhalts Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener berechtigter Interessen gehabt hätte, es ihr also möglich gewesen wäre, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen (BGH NJW 1977, 624, 625). Hierfür genügt es nicht, daß ihr die Besonderen Vertragsbedingungen übersandt worden sind und sie das erhaltene Formular unterschrieben hat (BGH NJW 1976, 2345, 2346). Damit hat sie sich lediglich den einseitig vorgegebenen Geschäftsbedingungen der Auftraggeberin unterworfen.

Nichts anderes ist den vorangegangenen Vertragsverhandlungen der Parteien zu entnehmen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind bei der Besprechung vom 24. März 1976 lediglich die Zahlungsmodalitäten (Ziffer 15 BVB) sowie Arbeitsbeginn und Arbeitsdauer erörtert worden, nicht aber die übrigen Bestimmungen der Besonderen Vertragsbedingungen. Damit haben die Parteien aber hinsichtlich der Vertragsstrafenklausel gerade keine Individualabsprache getroffen.

2. Daß die Vertragsstrafenvereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist, führt jedoch an sich noch nicht zur Unwirksamkeit der Vertragsstrafenregelung. Derartige Klauseln sind im Baugewerbe üblich. Sie stellen insbesondere dann keine Überraschung für den Auftragnehmer dar, wenn feste Fertigstellungstermine vereinbart werden. Der Unternehmer muß deshalb mit entsprechenden Vorschriften in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers grundsätzlich rechnen (BGHZ 72, 222, 223; BGH NJW 1976, 1886, 1887; Senatsurteil vom 1. April 1976 – VII ZR 122/74 = BauR 1976, 279/280; Kötz in MünchKomm, AGBG, § 11 Rdn. 51; Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 3. Aufl., Rdn. 961; jetzt auch – entgegen früher – Schmidt-Salzer, Allgemeine Geschäftsbedingungen, 2. Aufl., F. 217).

II.

Gleichwohl ist die Klageforderung nicht gerechtfertigt, da die Bauherrengemeinschaft es unterlassen hat, sich die Vertragsstrafe gemäß § 341 Abs. 3 BGB (bzw. § 11 Nr. 4 VOB/B) bei Abnahme des Bauwerks vorzubehalten.

1. Unstreitig ist während des Abnahmetermins am 15. März 1977 kein Vorbehalt erklärt worden. Die Klägerin hat lediglich in ihren vorherigen Schreiben darauf hingewiesen, daß sie die Vertragsstrafe in Anrechnung bringen werde. Damit hat sie die Voraussetzungen des § 341 Abs. 3 BGB nicht hinreichend erfüllt. Wie der Senat bereits mehrfach hervorgehoben hat, ist diese Vorschrift eng auszulegen. Vorbehalte, die vor oder nach der Erfüllungsannahme geäußert werden, genügen grundsätzlich nicht, um den kraft Gesetzes eintretenden Verlust des Anspruchs auf die Vertragsstrafe zu verhindern (BGHZ 33, 236, 237/238; BGH NJW 1971, 883, 884; NJW 1977, 897, 898; Ballhaus in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 341 Rdn. 12; Ingenstau/Korbion, VOB, 9. Aufl., B § 11 Rdn. 7 und 11; kritisch Nicklisch/Weick, VOB Teil B, § 11 Rdn. 24). Daran ist auch weiterhin festzuhalten. Nur so können Unklarheiten darüber vermieden werden, ob die vorbehaltlose Annahme der zwar verspäteten, aber eben doch nachgeholten Erfüllung als Verzicht des Gläubigers auf die Vertragsstrafe zu verstehen ist (vgl. dazu BGHZ 72, 222, 227). Derartige Zweifel sind nur selten ausgeschlossen, etwa wenn der Anspruch auf Vertragsstrafe bereits prozessual verfolgt wird (BGHZ 62, 328, 330) oder wenn sich die Parteien schon endgültig über den Verfall der Strafe geeinigt haben (RGZ 72, 168, 170). In diesen Fällen bedarf es keiner nochmaligen Vorbehaltserklärung bei Abnahme der Leistung. Dagegen reichen bloße Ankündigungen des Gläubigers, er werde die Vertragsstrafe geltend machen, ebensowenig wie die vorprozessuale Aufrechnung mit der Vertragsstrafe aus (Senatsurteil vom 4. November 1982 – VII ZR 11/82 – zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt), um die Aufrechterhaltung seines Anspruchs mit der notwendigen Deutlichkeit zum Ausdruck zu bringen.

Demgemäß mußte sich auch die Bauherrengemeinschaft die Vertragsstrafe bei der Bauabnahme vorbehalten. Die Einstandspflicht der Beklagten für die Bauverzögerung war unter den Parteien umstritten. Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin hat sie das Angebot der Beklagten vom 31. Januar 1977, einen Betrag von 30.000,– DM – als Abfindung oder Kulanzregelung – zu zahlen, nicht angenommen. Selbst über das Ergebnis dieser Besprechung sind sich die Parteien nicht einig. Damit lag gerade keine Fallgestaltung vor, die einen Vertragsstrafenvorbehalt bei der Leistungsabnahme als überflüssige Förmelei hätte erscheinen lassen.

2. Dieses Erfordernis ist auch durch Ziffer 7.5. Satz 2 der Besonderen Vertragsbedingungen nicht wirksam abbedungen worden.

a) Zwar handelt es sich bei § 341 Abs. 3 BGB um eine Vorschrift des dispositiven Rechts, die durch Individualvereinbarung abgeändert werden kann (BGHZ 72, 222, 226; BGH NJW 1971, 883, 884). Sind derartige Klauseln jedoch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten, so unterliegen sie der richterlichen Inhaltskontrolle. Bereits vor dem Inkrafttreten des AGB-Gesetzes, das auf den vorliegenden Sachverhalt noch keine Anwendung findet (§ 28 AGBG), war das allgemein anerkannt (vgl. etwa BGHZ 72, 222, 225 ff). Es gilt auch dann, wenn die Geschäftsbedingungen – wie hier – gegenüber Kaufleuten verwendet werden.

b) Entgegen der Ansicht der Revision hält Ziffer 7.5. Satz 2 der Besonderen Vertragsbedingungen einer solchen Inhaltskontrolle nicht stand. Das vollständige Abbedingen des Vertragsstrafenvorbehalts entfernt sich so sehr vom Leitbild des § 341 Abs. 3 BGB, daß ihm die Anerkennung zu versagen ist.

Soweit für den Gesetzgeber allerdings bloße Zweckmäßigkeitserwägungen ausschlaggebend waren und er mit dem Vorbehaltserfordernis lediglich Zweifel über einen etwaigen Verzicht des Gläubigers auf den Strafanspruch beseitigen wollte, steht dies der Wirksamkeit abweichender Vertragsklauseln nicht entgegen (BGHZ 72, 222, 227; Senatsurteil vom 12. März 1981 – VII ZR 293/79 = BauR 1981, 374, 375; Nicklisch/Weick aaO, § 11 Rdn. 21). Demgemäß hat der Senat eine Vereinbarung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen für zulässig erachtet, wonach der Besteller sich eine Vertragsstrafe nicht schon bei der Abnahme vorbehalten muß, sondern sie noch bis zur Schlußzahlung geltend machen darf (BGHZ 72, 222; zustimmend Ingenstau/Korbion, aaO, B § 11 Rdn. 7). Indessen ist für die Regelung des § 341 Abs. 3 BGB ebenfalls bestimmend gewesen, daß mit ihr unbillige Härten gegen den Schuldner verhindert werden sollen. Der Gläubiger, der die Hauptleistung vorbehaltlos angenommen hat, darf nicht bis zum Ablauf der Verjährung berechtigt bleiben, die Strafe einzutreiben (BGHZ 72, 222, 227; RGZ 72, 168, 170; OLG Karlsruhe, BB 1980, 600; OLG Nürnberg, MDR 1980, 398, 399). Darüber hinaus soll der Schuldner auch dann, wenn die Vertragsstrafe bereits verfallen ist, die Aussicht behalten, daß sein Vertragspartner von diesem Recht keinen Gebrauch macht. Die Entscheidung darüber soll der Gläubiger nach dem Sinn des Gesetzes grundsätzlich im Zeitpunkt und unter dem Eindruck der nachgeholten Erfüllung treffen (BGHZ 33, 236, 238; 72, 222, 228; BGH NJW 1971, 883, 884).

Damit steht eine formularmäßige Vereinbarung, die die Vorbehaltserklärung vollständig entfallen läßt, nicht in Einklang. Der Schuldner kann durch sie bis zum Verjährungsablauf im Unklaren darüber gelassen werden, ob und gegebenenfalls wann der Gläubiger noch auf den Strafanspruch zurückgreifen wird. Für ihn besteht keine Aussicht, daß sich das Strafversprechen durch die vorbehaltlose Entgegennahme seiner Leistung oder zumindest durch die vorbehaltlose Schlußzahlung erledigt. Vielmehr werden seine Belange ohne Rücksicht auf die in § 341 Abs. 3 BGB enthaltene, dem billigen Interessenausgleich dienende Zielsetzung des Gesetzgebers einseitig vernachlässigt. Das kann bei gerechter Abwägung der widerstreitenden Interessen nicht hingenommen werden (so OLG Karlsruhe und OLG Nürnberg, aaO; Hochstein in Schäfer/Finnern/Hochstein, Rechtsprechung zum privaten Baurecht, Anmerkung zu § 341 BGB Nr. 2 = BGHZ 72, 222 ff; Ingenstau/Korbion aaO, B § 11 Rdn. 7; Nicklisch/Weick aaO, § 11 Rdn. 25). Ziffer 7.5. Satz 2 der Besonderen Vertragsbedingungen ist somit unwirksam, so daß ein etwaiger Vertragsstrafenanspruch mangels Vorbehaltserklärung bei der Leistungsabnahme erloschen ist.

c) Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin die Vertragsstrafe im Rahmen der Schlußabrechnung doch noch geltend gemacht hat.

Zwar hätte eine derartige zeitliche Verschiebung des Strafvorbehalts rechtswirksam auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart werden können (BGHZ 72, 222, 227/228). Da die Bauherrengemeinschaft aber den völligen Ausschluß des Vorbehalts gewählt hat, führt die Nichtigkeit dieser Klausel zur Anwendung der gesetzlichen Regel des § 341 Abs. 3 BGB bzw. zur Geltung des vertraglich vereinbarten § 11 Nr. 4 VOB/B. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, gegen Treu und Glauben verstoßende Formularbestimmungen nur auf das vertretbare Maß abzumildern und eine dem Verwender der Klausel möglichst günstige, rechtlich gerade noch zulässige Fassung zu finden (BGHZ 62, 83, 89; 72, 206, 208; vgl. auch BGH NJW 1982, 2309, 2310 m.w.N.). Deshalb hat es das Berufungsgericht zu Recht abgelehnt, die Besonderen Vertragsbedingungen der Bauherrengemeinschaft dahingehend zu ergänzen, daß die Vertragsstrafe jedenfalls noch bis zur Schlußzahlung in Anrechnung gebracht werden durfte. Welche Regelung die Parteien verständigerweise getroffen hätten, wenn sie sich der Vertragslücke bewußt gewesen wären, läßt sich nicht sicher feststellen. Es kommen verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht, die ohne nähere Anhaltspunkte vom Gericht nicht konkretisiert werden können (BGHZ 62, 83, 89/90).

III.

Darüber hinaus erweist sich die Revision und damit die Klage aber auch aus einem anderen Grund als unbegründet.

1. Gemäß Ziffer 7.3. der Besonderen Vertragsbedingungen beträgt die Vertragsstrafe hier 0,5 % der Auftragssumme (828.305,16 DM) pro Kalendertag der Terminüberschreitung. Danach verliert der Auftragnehmer bereits bei einem Verzug von wenig mehr als drei Monaten (100 Kalendertagen) die Hälfte seines Werklohns und muß bei einer zuzurechnenden Verzögerung von ca. 6 1/2 Monaten (200 Kalendertagen) das Bauwerk völlig unentgeltlich errichten. Ab diesem Zeitpunkt hätte er sogar zusätzliche Zahlungen an den Auftraggeber zu leisten. Das ist zumindest dann unbillig, wenn es sich – wie im vorliegenden Fall – um ein umfangreiches Bauvorhaben mit entsprechend hoher Vergütung handelt. Durch die starre Anbindung der Vertragsstrafe an den Werklohn wird die Beklagte hier entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.

a) Die Vertragsstrafe ist vom Gesetzgeber mit einer doppelten Zielrichtung geschaffen worden. Sie soll einmal als Druckmittel den Schuldner zur ordnungsgemäßen Erbringung der versprochenen Leistung anhalten (BGHZ 33, 236, 237; 49, 84, 89; 63, 256, 259; BGH NJW 1976, 1886, 1887; NJW 1977, 624, 626). Zum anderen soll sie dem Gläubiger im Verletzungsfall die Möglichkeit einer erleichterten Schadloshaltung ohne Einzelnachweis eröffnen (BGHZ 63, 256, 259/260 m.w.N.; 72, 222, 228; BGH NJW 1981, 1509).

b) Unter Berücksichtigung dieser Gesetzeszwecke hat der Senat in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Vertragsstrafen unbeanstandet gelassen, die sich nach einem Teilbetrag der Auftragssumme bemessen und mit 0,2 % je Werktag (BGHZ 72, 222, 223/224) oder 0,3 % je Arbeitstag (Urteil vom 1. April 1976 – VII ZR 122/74 = BauR 1976, 279) in einem noch vertretbaren Rahmen halten. Dagegen hat er einer Vertragsstrafe von 1,5 % der Auftragssumme je Arbeitstag die Anerkennung versagt (NJW 1981, 1509). Eine allgemeingültige Bestimmung der zulässigen Strafhöhe ist nicht möglich. Vielmehr muß entscheidend darauf abgestellt werden, welche Sachverhalte die jeweilige Strafklausel erfaßt.

c) Danach stellt Ziffer 7.3. der hier dem Bauvertrag zugrundeliegenden Besonderen Vertragsbedingungen eine die Auftraggeberin unangemessen bevorzugende Regelung dar. Sie enthält keine zeitliche Beschränkung, so daß der Auftragnehmer schon bei einer durchaus nicht außergewöhnlichen Verzugsdauer seinen gesamten Werklohnanspruch verlieren kann. Dabei wird zu seinem Nachteil außer acht gelassen, daß größere Objekte einer genauen Zeitplanung häufig nur schwer zugänglich sind und schon bei geringem Verschulden langfristige Verzögerungen auftreten können. Des weiteren fehlt jedes vernünftige Verhältnis zum hier möglichen Schaden der Bauherrengemeinschaft.

Eine nach prozentualen Anteilen der Auftragssumme bemessene, zeitlich unbegrenzte Vertragsstrafe erreicht oder übersteigt die Verzugsfolgen bei hohen Auftragssummen erfahrungsgemäß sehr viel eher, als dies bei kleineren Aufträgen der Fall ist. Auch unter Berücksichtigung ihrer „Druckfunktion” soll die Vertragsstrafe keinesfalls der bloßen Schöpfung neuer, vom Sachinteresse des Auftraggebers losgelöster Geldforderungen dienen (vgl. Ulmer/Brandner/Hensen, AGB, 4. Aufl., § 11 Nr. 6 Rdn. 12). Es ist daher unzulässig, Bauverträge mit einer formularmäßigen Strafklausel – wie hier – zu versehen, die jedwede Differenzierung nach den in Betracht kommenden Verzugsauswirkungen vermissen läßt und keine Begrenzung nach oben aufweist.

Der Auftraggeber wird dadurch in seinen schutzwerten Interessen nicht unzumutbar beeinträchtigt, da ihm etwaige Schadensersatzansprüche aus verspäteter Fertigstellung auch dann verbleiben, wenn er keine Vertragsstrafe verlangen kann (BGH NJW 1975, 1701, 1703 m.w.N.; NJW 1981, 1509, 1510; Nicklisch/Weick aaO, § 11 Rdn. 26).

2. Hält die hier getroffene Regelung somit der richterlichen Inhaltskontrolle nicht stand, ist sie unwirksam. Dem steht weder § 343 BGB entgegen, wonach eine unverhältnismäßig hohe Vertragsstrafe durch Urteil herabgesetzt werden kann, noch die Sonderbestimmung des § 348 HGB, die für Kaufleute eine derartige Herabsetzungsmöglichkeit ausschließt.

Das hat der Senat für den Geltungsbereich des AGB-Gesetzes bereits ausdrücklich entschieden (NJW 1981, 1509, 1510; ebenso Kötz aaO, § 11 Rdn. 50). Dagegen ist vor Inkrafttreten dieses Gesetzes die Ansicht vertreten worden, § 343 BGB sei auch auf unangemessen hohe Vertragsstrafen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen anwendbar und gelte (insoweit) im Rechtsverkehr mit Kaufleuten entsprechend (LG Frankfurt, NJW 1975, 1519, 1520; Schmidt-Salzer aaO, F. 219; Schlegelberger/Hefermehl, HGB, 5. Aufl., § 348 Rdn. 30).

Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen. § 343 BGB ist auf Individualvereinbarungen zugeschnitten (vgl. Belke, Betrieb 1969, 603, 605; Lindacher, Phänomenologie der „Vertragsstrafe”, S. 208/209; Kötz aaO, § 11 Rdn. 50). Er stellt die Gültigkeit der getroffenen Absprache nicht in Frage. Dem Gericht wird vielmehr nur die Befugnis eingeräumt, eine bereits verwirkte Vertragsstrafe herabzusetzen, sofern die besonderen Umstände des Einzelfalls dies gebieten; zusätzlich bedarf es eines entsprechenden Antrags des Schuldners (BGH Urteil vom 22. Mai 1968 – VIII ZR 69/66 = WM 1968, 799, 800). Darauf abgestimmt ist die Vorschrift des § 348 HGB, die ebenfalls nur individuell ausgehandelte Strafversprechen betrifft (Schlegelberger/Hefermehl aaO, § 348 Rdn. 30 a.E.).

Demgegenüber sind Vertragsstrafeklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen typischerweise einseitig gestaltet. Sie unterliegen der an Treu und Glauben (§ 242 BGB) orientierten richterlichen Inhaltskontrolle, die nicht erst an die verwirkte, sondern bereits an die vereinbarte Strafe anknüpft und von Amts wegen vorzunehmen ist. Darüber hinaus erstreckt sich die Billigkeitsprüfung gerade nicht auf die Besonderheiten der jeweiligen Vertragsbeziehung; vielmehr hat sie in erster Linie die allgemeinen Verhältnisse der üblicherweise an dem jeweiligen Vertrag Beteiligten zu berücksichtigen. Damit ändern sich aber zugleich die Rechtsfolgen. Ebenso, wie unangemessene Geschäftsbedingungen allgemein als nichtig angesehen werden, führt der erhöhte Schuldnerschutz auch zur Unwirksamkeit überzogener Vertragsstrafeklauseln (Belke, aaO, S. 605/606; Lindacher, aaO, S. 208/209). Hierbei ergeben sich keine Abweichungen im Rechtsverkehr mit Kaufleuten, da diese ebenfalls durch § 242 BGB gegen unbillige Geschäftsbedingungen geschützt werden.

Eine an § 343 BGB ausgerichtete Herabsetzung der vereinbarten Vertragsstrafe scheidet somit aus.

IV.

Nach alledem ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

 

Unterschriften

Girisch, Recken, Bliesener, Obenhaus, Quack

 

Fundstellen

BGHZ

BGHZ, 305

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1983, 76

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