Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe; PKH-Anwalt; Differenzgebühr; Einziehung durch die Staatskasse verneint

 

Leitsatz (amtlich)

Das Gericht hat gem. § 120 Abs. 3 Nr. 1 ZPO die Einstellung der Zahlung zu bestimmen, wenn die nach § 123 BRAGO auf sie übergegangenen Ansprüche des Rechtsanwalts und die Gerichtskosten abgedeckt sind.

Das Gericht ist nicht verpflichtet und auch nicht berechtigt, nach Abdeckung der Kosten nach § 120 Abs. 3 Nr. 1 ZPO auch noch die Differenzkosten des Wahlanwalts von der Partei einzuziehen. Eine Rechtsgrundlage hierfür ergibt sich weder aus § 120 Abs. 3 Nr. 1 ZPO noch aus § 124 Abs. 1 BRAGO.

Nach § 124 BRAGO kann der PKH-Anwalt nur die „eingezogenen Beträge” erhalten. Er kann nicht verlangen, dass das Gericht weitere Beträge von der Partei einzieht.

 

Normenkette

BRAGO §§ 123-124, 130; ZPO § 120 Abs. 3, § 122 Abs. 1

 

Beteiligte

2. Carmen G

3. Edith M

 

Verfahrensgang

ArbG Flensburg (Entscheidung vom 11.12.2000; Aktenzeichen 2 Ca 1163/96)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerinvertreter vom 22.12.2000 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Flensburg vom 11.12.2000 – 2 Ca 1163/96 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Klägerin hatte am 16.8.1996 Klage vor dem Arbeitsgericht erhoben, mit der sie sich gegen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses wandte. Der Rechtsstreit endete durch Vergleich vom 10.9.1996. Mit Beschluss vom 25.9.1996 wurde der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. P. bewilligt, wobei Ratenzahlung in Höhe von 150 DM, beginnend mit dem 1.12.1996, angeordnet wurde. Die Vergütung des Rechtsanwalts wurde am 21.10.1996 auf 1.408,75 DM festgesetzt. Die Klägerin erhielt gemäß Verfügung vom 18.10.1996 eine Kostenrechnung über 1.414,25 DM, d.i. Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.408,75 DM und 5,50 DM Gerichtskosten. Nach einer vorläufigen Aussetzung der Ratenzahlung gemäß Verfügung der Rechtspflegerin vom 12.9.1997 nahm die Klägerin ihre Ratenzahlung in verminderter Höhe mit 30 DM wieder auf und hatte bis Mai 2000 insgesamt 1.470 DM gezahlt. Am 28.9.2000 beantragten die Klägerinvertreter, weitere 247,25 DM einzuziehen und auszuzahlen. Die Rechtspflegerin setzte eine weitere Vergütung von 55,75 DM, entspr. der Überzahlung durch die Klägerin, fest und ordnete eine vorläufige Einstellung der Zahlungen an. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerinvertreter.

Die Klägerinvertreter vertreten die Auffassung, die Staatskasse habe bis zur Deckung der vollen Regelgebühr die PKH-Raten einzuziehen. Der Rechtsanwalt habe einen Anspruch gegen seine Partei auf Begleichung der Gebühren, wenn sie zahlungsfähig sei. Weigere sich das Gericht, die Differenzgebühren einzuziehen, stelle das ein Sonderopfer des PKH-Anwaltes dar. Denn dieser sei selbst gehindert, die Gebühren von der Partei einzutreiben, was er als Wahlanwalt tun könne. Der Begriff der Kosten i.S. von § 120 Abs. 3 Nr. 1 ZPO umfasse nicht nur die Gerichtskosten und Gebühren des PKH-Anwalts, sondern auch die Regelgebühren. Prozesskostenhilfe sei eine Sozialleistung, für die gelte, dass nur dann eine Leistung erfolgen dürfe, wenn wirklich eine Bedürftigkeit bestehe. Die in den letzten Jahren vertretene Auffassung des LAG Schleswig-Holstein stelle inzwischen eine absolute Mindermeinung dar.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Prozessbevollmächtigten des Klägers auf Einziehung der Differenzkosten zu Recht zurückgewiesen und die Einstellung der Zahlungen bestimmt.

Das Vorbringen der Beschwerdeführer führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Eine gesetzliche Grundlage für eine Verpflichtung der Staatskasse, PKH-Raten bis zur Deckung der vollen Regelgebühren des beigeordneten Anwalts einzuziehen, gibt es nicht. Weder § 120 Abs. 3 Nr. 1 ZPO noch § 124 Abs. 1 BRAGO gewähren einen Anspruch gegen die Staatskasse auf Einziehung der sogenannten Differenzgebühren.

Nach § 120 Abs. 3 Nr. 1 ZPO ist die Einstellung der Zahlungen zu bestimmen, wenn abzusehen ist, dass die Zahlungen der Partei die Kosten decken. In Übereinstimmung mit der einhelligen Meinung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein ist auch die Beschwerdekammer der Auffassung, dass die Kosten bereits gedeckt sind, wenn die Beträge, die die PKH-berechtigte Partei gezahlt hat, die Summe aus den Gerichtskosten und den nach § 123 BRAGO verminderten Gebühren des beigeordneten Rechtsanwalts erreichen (LAG Schleswig-Holstein Beschluss v. 29.05.1995 – 2 Ta 60/95 –; Beschluss v. 26.06.1996 – 2 Ta 47/96 –; Beschluss v. 12.05.1995 – 3 Ta 67/95 –; Beschluss v. 14.08.1997 – 3 Ta 148/97d –; Beschluss vom 29.9.1996 – 5 Ta 89/95 –; Beschluss vom 18.9.1996 – 5 Ta 152/95 –; Beschluss vom 28.6.1999 – 6 Ta 47/99).

§ 120 Abs. 3 Nr. 1 ZPO sieht vor, dass das Gericht die vorläufige Einstellung der Ratenzahlung bestimmt, wenn abzusehen ist, dass die Zahlungen der Partei die Kosten decken. Bei diesen „Kosten” handelt es sich um diejenigen, die als Folge der Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei der Staatskasse entstehen,...

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