Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung. Personalvertretungsrechtliches Mitbestimmungsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Rahmen des § 62 Abs. 7 S. 2 PersVG LSA muss die Leitung der obersten Dienstbehörde ganz konkret bzw. detailliert darlegen, warum sie von der Empfehlung der Einigungsstelle abgewichen ist (Kündigung der Arbeitnehmerin). Eine bloße Bezugnahme auf Argumente, die vor dem Spruch der Einigungsstelle liegen, reicht nicht aus.

2. Rechtliche Konsequenz des Verstoßes gegen die qualifizierte Begründungspflicht gem. § 62 Abs. 7 S. 2 PersVG LSA ist die Unwirksamkeit der Kündigung.

 

Normenkette

PersVG LSA § 62 Abs. 7 Sätze 1-2, § 108 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Halle (Saale) (Urteil vom 31.03.2004; Aktenzeichen 7 Ca 2875/03)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.06.2006; Aktenzeichen 2 AZR 302/05)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 31.03.2004 – 7 Ca 2875/03 – abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 04.08.2003 aufgelöst ist.

Das beklagte Land wird verurteilt, die Klägerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung des beklagten Landes, vertreten durch die … gegenüber der am dortigen Sprachenzentrum als Lehrkraft beschäftigten Klägerin mit Schreiben vom 04.08.2003 zum 31.03.2004.

In dem Kündigungsschreiben heißt es u.a.:

„… hiermit kündigen wird Ihr Arbeitsverhältnis ordentlich betriebsbedingt unter Einhaltung der Ihnen zustehenden Kündigungsfrist … Das Mitbestimmungsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt …”

Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens und der erstinstanzlichen Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Halle vom 31.03.2004 – 7 Ca 2875/03 – auf den Seiten 2–8 (Bl. 1044–1050 d.A.) Bezug genommen.

Der Tenor dieses Urteils lautet:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 12.000,00 Euro festgesetzt.

Wegen der Entscheidungsgründe der vorgenannten Entscheidung des Arbeitsgerichts Halle vom 31.03.2004 wird auf dessen Seiten 8–14 (Bl. 1050–1056 d.A.) Bezug genommen.

Gegen das ihr am 02.04.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03.05.2004 Berufung beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und diese am 02.06.2004 begründet.

Bezüglich des zweitinstanzlichen Vorbringens der Klägerin wird auf deren Berufungsbegründungsschriftsatz vom 01.06.2004 (Bl. 1088–1118 d.A.) sowie ihre Schriftsätze vom 26.10.2004 und 11.01.2005 (Bl. 1199–1205 und Bl. 1246–1249 d.A.) verwiesen.

Wegen der zweitinstanzlichen Anträge der Parteien wird auf Seite 2 des Protokolls über die Berufungsverhandlung vom 27.01.2005 (Bl. 1257 d.A.) Bezug genommen.

Hinsichtlich des zweitinstanzlichen Vorbringens des beklagten Landes wird auf die Berufungserwiderung vom 09.08.2004 (Bl. 1145–1198 d.A.) sowie seine Schriftsätze vom 22.11.2004 und 26.01.2005 (Bl. 1231–1245 und Bl. 1253–1255 d.A.) Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I.: Die statthafte (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässige (§ 64 Abs. 2 ArbGG), form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V. mit §§ 517, 518 und 520 ZPO) der Klägerin ist ohne weiteres zulässig.

II.: Die Berufung der Klägerin gegen das o.g. Urteil ist auch begründet. Demgemäß war dieses Urteil abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 04.08.2003 aufgelöst ist.

Die Kündigung erweist sich als rechtsunwirksam, weil das personalvertretungsrechtliche Mitbestimmungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde.

Im Einzelnen:

1. Das am 1. Juni 1993 in Kraft getretene Personalvertretungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt – PersVG LSA (GVBl. LSA 1993, 56) unterscheidet bei der Beteiligung des Personalrates zwischen ordentlichen Kündigungen außerhalb der Probezeit einerseits und außerordentlichen Kündigungen sowie ordentlichen Kündigungen innerhalb der Probezeit andererseits. Erstere bedürfen gemäß §§ 67 Abs. 1 Nr. 8, 61 Abs. 1 PersVG LSA der Zustimmung des Personalrates. Wird diese – ggf. auch nach einem mehrstufigen Vorlageverfahren (s. hierzu § 62 Abs. 13 PersVG LSA) – nicht erteilt, kann die Einigungsstelle angerufen werden (§ 62 Abs. 4 PersVG LSA).

a) Das personalvertretungsrechtliche Mitbestimmungsverfahren gestaltete sich im Streitfall zunächst wie folgt:

Mit Anschreiben vom 06.12.2001 nebst Anlagen leitete der … 07.12.2001 das „Mitbestimmungsverfahren gemäß § 67 Abs. 1 Ziff. 8 PersVG LSA zum beabsichtigten Ausspruch ordentlicher Kündigungen” gegenüber 199 Mitarbeitern, darunter 20 Beschäftigte des Sprachenzentrums (einschließlich der Klägerin) bei dem Personalrat Hauptdienststelle ein. Dieser teilte dem Kanzler mit Schreiben vom 28.12.2001 nebst Anlagen am gleichen Tag seinen Beschlus...

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