Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachbindung an einen Tarifvertrag. Kündigung des Tarifvertrags. Negative Koalitionsfreiheit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach dem Austritt des Arbeitgebers aus dem Arbeitgeberverband endet die Bindung des Arbeitgebers an den Tarifvertrag nicht bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem der Tarifvertrag gekündigt werden könnte, sondern erst dann, wenn der Tarifvertrag wirksam gekündigt wird.

2. Jedenfalls gegen eine Nachbindung an den Tarifvertrag von drei Jahren bestehen unter dem Gesichtspunkt der negativen Koalitionsfreiheit keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

 

Normenkette

TVG § 3 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Neunkirchen (Entscheidung vom 15.03.2007; Aktenzeichen 2 Ca 1384/06)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 01.07.2009; Aktenzeichen 4 AZR 261/08)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 15. März 2007 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Neunkirchen (2 Ca 1384/06) wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist seit 1990 bei der Beklagten als Metallarbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden aufgrund beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge für die Arbeiter und Angestellten in der Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes Anwendung. Der Gemeinsame Manteltarifvertrag für Arbeiter und Angestellte in der weiterverarbeitenden Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes vom 13. März 1987 in der Fassung vom 5. Dezember 1997, den die IG Metall mit dem Verband der Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes abgeschlossen hat, enthält hinsichtlich der Arbeitszeit in § 2 Absatz 1 unter der Überschrift „Regelmäßige Arbeitszeit” unter anderem folgende Regelung:

  1. „Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen beträgt 35 Stunden.

    Soll für einzelne Arbeitnehmer die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 40 Stunden verlängert werden, bedarf dies der Zustimmung des Arbeitnehmers.

    Lehnen Arbeitnehmer die Verlängerung ihrer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ab, so darf ihnen daraus kein Nachteil entstehen.

    Bei der Vereinbarung einer solchen Arbeitszeit bis zu 40 Stunden erhalten Arbeitnehmer eine dieser Arbeitszeit entsprechende Bezahlung.

    Die vereinbarte verlängerte Arbeitszeit kann auf Wunsch des Beschäftigten oder des Arbeitgebers mit einer Ankündigungsfrist von 3 Monaten geändert werden, es sei denn, sie wird einvernehmlich früher geändert. Das Arbeitsentgelt wird entsprechend angepasst.”

Unter der Überschrift „Inkrafttreten und Kündigung” heißt es in § 35 des Manteltarifvertrages:

  1. „Dieser Tarifvertrag vom 13. März 1987 gilt in der vorliegenden Fassung ab 1. Januar 1997.
  2. Mit Ausnahme des § 2 Ziff. 1 und 7, § 3, § 12, §§ 15 bis 22 ist dieser Tarifvertrag erstmals zum 31. Dezember 2000 mit einer Frist von 1 Monat zum Monatsende kündbar.
  3. Der § 2 Ziff. 1 und 7 sowie der § 3 sind mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende, erstmals zum 30. April 2003, kündbar. Eine Kündigung dieser Bestimmungen hat die zeitgleiche Beendigung des Tarifvertrages zur Beschäftigungsbrücke vom 31. März 2000 zur Folge.
  4. Die §§ 12, 15 bis 22 können mit dreimonatiger Frist, erstmals zum 31. Dezember 2001, gekündigt werden.”

Mit Wirkung zum 25. September 2004 ist die Beklagte aus dem Verband der Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes ausgetreten.

Am 10. Februar 2005 haben die Parteien eine „Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag” getroffen. Diese Vereinbarung (Blatt 5 und 6 der Akten) hat folgenden Wortlaut:

„Präambel

Beide Parteien vereinbaren diese Änderung zum Einzelarbeitsvertrag zur Sicherung von Arbeitsplätzen durch Erhöhung der Wochenarbeitszeit bei der H. KG E.

Abweichend von den bisher vertraglich bzw. tarifvertraglich begründeten Regelungen der nachfolgend aufgeführten Punkte werden folgende Änderungen vereinbart:

  1. Bei Arbeitsverhältnissen mit einer 35-Stundenwoche steigt die wöchentliche Arbeitszeit ab dem 01.04.2005 von 35 auf 36 Wochenarbeitsstunden ohne Lohnausgleich. Ab dem 01.01.2006 steigt die wöchentliche Arbeitszeit jedes Jahr um eine [1] Wochenarbeitsstunde ohne Lohnausgleich, bis am 01.01.2007 eine Wochenarbeitszeit von 38 Stunden erreicht ist.

    Von 01.04.2005

    bis 31.12.2005

    36 Wochenarbeitsstunden,

    von 01.01.2006

    bis 31.12.2006

    37 Wochenarbeitsstunden,

    ab 01.01.2007

    38 Wochenarbeitsstunden.

    Während der Laufzeit dieser Änderungsvereinbarung erfolgen Erhöhungen des Entgelts in gleicher prozentualer Höhe wie die Erhöhungen im Tarifgebiet der Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes und werden ohne Anrechnung eventueller übertariflicher Zulagen ausgezahlt.

  2. Der Arbeitgeber gewährt im Gegenzug für die Laufzeit der einzelvertraglichen Vereinbarung Schutz vor betriebsbedingter Kündigung.
  3. Die Vereinbarung hat eine Mindestlaufzeit von zwei [2] Jahren und kann nach Ablauf der Mindestlaufzeit mit einer Kündigungsfrist von sechs [6] Monaten zum Quartalsende mittels Teilkündigung des Arbeitsvertrages von beiden Parteien gekündigt werden, ohne dass hiervon die...

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