Entscheidungsstichwort (Thema)

Anerkenntnisurteil. Auflösungsantrag. Beschwer. Fehlende Beschwer für Berufung nach Anerkenntnisurteil

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die für die Berufung erforderliche Beschwer, ist für einen Rechtsmittelkläger eine besondere Erscheinungsform des Rechtsschutzinteresses.

2. Ein Kläger, der in der ersten Instanz voll obsiegt hat, ist durch das erstinstanzliche Urteil regelmäßig nicht beschwert.

3. Aus §§ 55 Abs. 2 S. 1 ArbGG folgt mittelbar, dass in Abweichung in § 307 Abs. 1 ZPO ein Anerkenntnis im arbeitsgerichtlichen Verfahren auch schriftsätzlich erklärt werden kann.

4. Eine Klageänderung im Berufungsrechtszug ist gem. § 533 ZPO nur unter der Voraussetzung zulässig, dass diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. In der Berufung hat die Kammer die vom Arbeitsgericht festgestellten Tatsachen zu bewerten und neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist (§ 529 ZPO).

 

Normenkette

ArbGG § 55 Abs. 2 S. 1; GG Art. 103; ZPO § 307

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 01.03.2010; Aktenzeichen 8 Ca 122/10)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Anerkenntnisurteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 01.03.2010 – 8 Ca 122/10 – wird unter Abweisung der Klageerweiterung im Übrigen verworfen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit der seiner Berufung gegen Erlass eines seiner Kündigungsschutzklage stattgebenden Anerkenntnisurteils des Arbeitsgerichts und verfolgt neben einem Auflösungsbegehren zugleich erstinstanzlich noch anhängige – abgetrennte – Zahlungsansprüche.

Der am 19.09.1954 geborene Kläger, der eine Ausbildung als Gehilfe im steuer- und wirtschaftsberatenden Beruf hat, wurde seit 01.08.1969 nach mehreren hintereinander geschalteten Betriebsübergängen, zuletzt mit Wirkung zum 01.10.2009, von den Beklagten beschäftigt. Sein Gehalt belief sich auf 1.984,00 EUR brutto nebst einer kostenlosen Gestellung eines Kraftfahrzeuges auch zur Privatnutzung. Die Beklagte beschäftigt mehr als 10 Arbeitnehmer. Sie kündigte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos mit sofortiger Wirkung mit am 19.01.2010 zugegangenem Schreiben. Hiergegen richtete sich die am 26.01.2010 zum Arbeitsgericht Kaiserslautern erhobene Klage mit dem Antrag:

”Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 18.01.2010, zugegangen am 19.01.2010, nicht aufgelöst worden ist.”

Einen Tag vor dem auf 19.02.2010 vom Arbeitsgericht bestimmten Gütetermin fand ein Telefonat zwischen dem Prozessbevollmächtigten des Klägers und dem der Beklagten statt, welches nach Behauptung der Beklagten ein Nichterscheinen zum angesetzten Gütetermin und ein Anerkenntnis zum Gegenstand hatte. In der Güteverhandlung vom 19.02.2010, zu welchem für die Beklagtenseite niemand erschien, beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers, den Rechtsstreit ohne Termin zu lassen; zugleich ist die Feststellung im Protokoll enthalten: ”und kündigt an, einen Auflösungsantrag hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses zu stellen”. Mit am 25.02.2010 bei Gericht eingegangem Antrag erklärte die Beklagte Anerkenntnis.

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern entsprach diesem Begehren und verkündete am 01.03.2010 ein dem Feststellungsantrag entsprechendes Anerkenntnis.

Mit am 05.03.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag erweiterte der Kläger die Klage wie folgt:

2. Das Arbeitsverhältnis wird gemäß §§ 9, 10 KSchG am 19.01.2010 aufgelöst.

Die Beklagte wird zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 35.712,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszins hieraus seit Rechtskraft des Abfindungsurteils verurteilt.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 13.620,74 EUR brutto nebst 5 % Zinsen p. a. hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Auflösungsantrag wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Kläger gegenüber Dritten unter Begehung einer Unterschlagung und Untreue zum Nachteil des Arbeitgeber bezichtigt worden sei. Zum Zahlungsantrag wurde ausgeführt, dass der Kläger noch einen Anspruch auf 119 Tage Urlaub habe.

Das Anerkenntnisurteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 05.03.2010 (Bl. 23 d. A.) zugestellt.

Durch Beschluss vom 19.03.2010 trennte das Arbeitsgericht die Klageerweiterung vom 19.02.2010 ab und teilte ihr das Aktenzeichen 8 Ca 1428/10 zu. Gegen das dem Kläger am 05.03.2010 zugestellte Urteil richtet sich dessen am 06.04.2010 eingelegte Berufung, die am 07.06.2010 nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist begründet wurde.

Der Kläger führt zweitinstanzlich insbesondere aus,

er sei durch das Anerkenntnisurteil beschwert, da er an seinem ursprünglichen Klageantrag erkennbar nicht mehr festgehalten habe. Im Gütetermin sei davon abgesehen worden, ein Versäumnisurteil zu erwirken und ein Antrag gestellt worden, den Rechtsstrei...

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