Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen der Weigerung des Arbeitnehmers, das Betriebsgelände zu verlassen und dem Arbeitgeber gehörende Gegenstände heraus zu geben. Wirksamkeit der Kündigung trotz Erteilung einer Abmahnung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Arbeitgeber ist zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt, wenn der Arbeitnehmer sich weigert, einer Aufforderung, das Betriebsgelände zu verlassen und dem Arbeitgeber gehörende Gegenstände heraus zu geben, nachzukommen. Denn es handelt sich um eine gravierende Verletzung der schuldrechtlichen Pflicht des Arbeitnehmers zur Rücksichtnahme i.S. von § 241 Abs. 2 BGB.

2. Mit der Erteilung einer Abmahnung bringt der Arbeitgeber grundsätzlich zum Ausdruck, das abgemahnte Verhalten nicht zum Anlass einer ordentlicher oder außerordentlichen Kündigung zu nehmen. Dies gilt jedoch nicht, soweit weitere Gründe zu den abgemahnten hinzu treten oder erst nach Ausspruch der Abmahnung bekannt werden.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 314 Abs. 2, § 323 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Entscheidung vom 12.11.2015; Aktenzeichen 7 Ca 583/15)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 12. November 2015, Az. 7 Ca 583/15, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch darüber, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch außerordentliche Kündigungen vom 13. Juli 2015, hilfsweise vom 5. August 2015 aufgelöst worden ist.

Der 1980 geborene, getrennt lebende und gegenüber einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger war seit April 2007 bei der Beklagten zunächst als Leiharbeitnehmer, sodann ab dem 1. August 2008 aufgrund des Arbeitsvertrags vom 7. Mai 2010 (Bl. 5 ff. d. A.) unmittelbar bei der Beklagten als Maschinenführer beschäftigt. Im Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 1. März 2012 war der Kläger als Schichtführer eingesetzt. Er erzielte ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von zuletzt 2.115,58 € bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden.

Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer in Vollzeit ausschließlich der Auszubildenden. Ein Betriebsrat besteht nicht.

Unter dem 13. Mai 2015, 15. Mai 2015 und 13. Mai 2015 mahnte die Beklagte den Kläger ab. Wegen des Inhalts dieser Abmahnungen wird auf Bl. 45 f., 47 f. und 49 f. d. A. Bezug genommen.

Am 9. Juli 2015 kam es zu einem Gespräch mit dem Kläger im Beisein des Geschäftsführers der Beklagen Herrn Z., des Produktionsleiters Herrn Y., des Schichtführers Herrn X. und des stellvertretenden Schichtleiters Herrn W.. Am Folgetag, dem 10. Juli 2015, gab es zu Schichtbeginn um 14.00 Uhr eine weitere Besprechung. Der Kläger erklärte, keine Aufhebungsvereinbarung abschließen zu wollen. Der weitere Verlauf dieses Gesprächs ist im Einzelnen zwischen den Parteien streitig. Der Kläger wollte in der Folge Schlüssel, Stempelchip und Werksausweis nicht zurückgeben und das Gelände nicht verlassen. Der Geschäftsführer der Beklagten benachrichtigte die Polizeiinspektion V.. Nach dem Eingreifen der Polizeibeamten übergab der Kläger die Staplerschlüssel, den Stempelchip sowie die Werksausweise und verließ in Begleitung der Polizisten das Gelände.

Mit Schreiben der Beklagtenvertreter vom 13. Juli 2015 (Bl. 10 ff. d. A.), dem Kläger zugegangen am 14. Juli 2015, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fristlos, hilfsweise "ordentlich zum nächstzulässigen Zeitpunkt". Gleichzeitig wurde dem Kläger Hausverbot erteilt.

Mit seiner am 21. Juli 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 28. Juli 2015 zugestellten Klage wandte sich der Kläger unter anderem gegen die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 13. Juli 2015.

Im Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 5. August 2015, dort auf Bl 8, wiederholte dieser "die Kündigung (...) hiermit höchstvorsorglich und hilfsweise (...) mit dem Arbeitszeitende 30.09.2015".

Der Kläger war - soweit im Berufungsverfahren noch von Bedeutung - der Ansicht,

ein außerordentlicher Kündigungsgrund liege nicht vor. Er hat vorgetragen, man habe ihn einen Aufhebungsvertrag unterzeichnen lassen wollen. Immer wieder sei die Drohungskulisse ihm gegenüber aufgebaut worden. Aber als er dazu nicht bereit gewesen wäre, habe man ihm mitgeteilt, dass er fristlos entlassen werde und freigestellt sei. Einen Grund habe man ihm nicht genannt. Man habe ihn aufgefordert, seine Schlüssel herauszugeben. Er habe die Schlüssel aber erst dann herausgeben wollen, wenn er eine (schriftliche) Kündigung erhalten habe, da er bereits zuvor zu Unrecht beschuldigt worden sei, sich vom Arbeitsplatz unentschuldigt entfernt zu haben. Auf der Seite der Beklagten seien vier Personen gewesen, er sei allein gewesen. Kaum habe er seine Besorgnis, sich nicht vom Arbeitsplatz entfernen zu wollen, geäußert gehabt, habe die Beklagte schon die Poliz...

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