Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsplatz, Abmelden vom. Arbeitsplatzes, Verlassen des. Vorzeitiges Verlassen des Arbeitsplatzes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB findet eine zweistufige Prüfung des wichtigen Grunds statt. Zunächst ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht.

2. Das mehrfache unentschuldigte vorzeitige Verlassen des Arbeitsplatzes durch einen bereits einschlägig abgemahnten Arbeitnehmer kann einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses darstellen.

 

Normenkette

KSchG § 1; BGB § 626

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Urteil vom 19.05.2006; Aktenzeichen 8 Ca 2802/05)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers und die der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 19.05.2006 – AZ: 8 Ca 2802/05 – werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3 zu tragen.

3. Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung vom 04.11.2005.

Der am 12.11.1954 geborene, verheiratete Kläger ist seit dem 24.05.1972 bei der Beklagten als Kommissionierer und seit 1979 im Lager der Beklagten in D.beschäftigt. Er verdient monatlich ca. 2.500,00 Euro brutto.

Auf das Arbeitsverhältnis findet der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für den Groß- und Außenhandel, Hessen vom 4. Juli 1997 Anwendung. Dieser sieht in seinem § 10 Nr. 1 S. 1 vor, dass Arbeitnehmer, die über 50 Jahre alt und mindestens 15 Jahre im Betrieb oder Unternehmen tätig sind, nur mit einer Kündigungsfrist von 12 Monaten zum Quartalsende gekündigt werden können.

Am 05.03.2004 verließ der Kläger seinen Arbeitsplatz vor dem offiziellen Ende seiner Arbeitszeit. Diesbezüglich fand am 08.03.2004 zwischen dem Kläger und dem Schichtleiter H. sowie dem Lagerleiter Hö. ein Gespräch statt. Dem Kläger wurde hierbei ausdrücklich aufgegeben, sofern er seinen Arbeitsplatz vorzeitig verlassen möchte, eine Genehmigung bei seinem Arbeitgeber einzuholen.

Am 20.04.2004 verließ der Kläger seinen Arbeitsplatz 28 Minuten vor dem offiziellen Arbeitsschluss. Mit Schreiben vom 21.04.2004 mahnte die Beklagte den Kläger deswegen ab. Mit seiner Klage auf Entfernung dieser Abmahnung aus seiner Personalakte hatte der Kläger sowohl vor dem Arbeitsgericht Mainz (Urteil vom 24.11.2004 – 4 Ca 1556/04) als auch vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 01.09.2005 – 6 Sa 153/05) keinen Erfolg.

Am 19., 20., 21. und 22.07.2004 entfernte sich der Kläger erneut vor dem offiziellen Ende seiner Arbeitszeit von seinem Arbeitsplatz. Deswegen wurde ihm am 26.07.2004 im Beisein von Herrn B. und Frau S. eine weitere Abmahnung übergeben (vgl. Blatt 43 f. d.A.).

In der Betriebsvereinbarung „Arbeitszeitregelung für das Lager ab 02. Mai 2005” vom 19.04.2005 (Blatt 72 f. d.A.) wurde die Arbeit im Betrieb der Beklagten für die Zeit ab dem 02.05.2005 für Kommissionierer auf die Zeit von 8.00 Uhr bis 16.32 Uhr festgelegt. In dieser heißt es weiter: „In den Abteilungen kann nach Maßgabe des Arbeitgebers aufgrund der wirtschaftlichen Notwendigkeiten von der Normalzeit abgewichen werden, z.B. Arbeitsbeginn und Arbeitsende früher bzw. Arbeitsbeginn und Arbeitsende später.” Die Betriebsvereinbarung wurde in einer Betriebsversammlung in der 16. Kalenderwoche des Jahres 2005 in Anwesenheit des Klägers bekannt gegeben und hing auch am Lagerbüro aus.

Arbeitnehmer können bei der Beklagten unter drei Voraussetzungen vorzeitig gehen: Erstens müssen Überstunden zugunsten des Arbeitnehmers bestehen, zweitens muss der Arbeitnehmer beim Vorgesetzten um Erlaubnis fragen und drittens dürfen keine betrieblichen Belange entgegenstehen. Tatsächlich gehen der Kläger und seine Kollegen häufig bereits vor dem offiziellen Ende der Arbeitszeit um 16.32 Uhr nach Hause.

Am 24.10.2005 verließ der Kläger seinen Arbeitsplatz bereits um 15.34 Uhr und damit 58 Minuten vor Ende seiner regulären Arbeitszeit. Um eine Genehmigung hat er dabei nicht nachgesucht.

Hierzu wurde der Kläger im Beisein des Betriebsleiters B. und des Lagerleiters Hö. am 28.10.2005 angehört. Dabei räumte er das vorzeitige Verlassen des Arbeitsplatzes ein.

Daraufhin unterrichtete die Beklagte den bei ihr gewählten Betriebsrat am 01.11.2005 über die beabsichtigte außerordentliche, hilfsweise fristgerechte Kündigung des Klägers. Der Betriebsrat hat hierzu am 03.11.2005 abschließend Stellung genommen. Der fristlosen Kündigung widersprach er wegen des lange bestehenden Arbeitsverhältnisses. Zur fristgerechten Kündigung erfolgte keine Stel...

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