Entscheidungsstichwort (Thema)

Anscheinsvollmacht. Duldungsvollmacht. Leiharbeitnehmer. Wartezeit. Berechnung der kündigungsschutzrechtlichen Wartezeit bei Vorbeschäftigung in Leiharbeit. unbegründete Vergütungsklage bei unwirksamer Abkürzung der Probezeit durch vollmachtlosen externen technischen Berater

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine als Leiharbeitnehmer im Betrieb des späteren Arbeitgebers verbrachte Zeit ist nicht auf die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG anzurechnen.

2. Wie die Duldungsvollmacht erfordert auch die Anscheinsvollmacht, dass der Geschäftsgegner nach Treu und Glauben annehmen darf, der als Vertreter Handelnde sei bevollmächtigt. Wurde in einem vom Geschäftsführer der Arbeitgeberin unterzeichneten Arbeitsvertrag eine dreimonatige Probezeit vereinbart, darf der Arbeitnehmer nicht ohne konkrete Anhaltspunkte davon ausgehen, sein alleiniger Ansprechpartner bei den Vertragsverhandlungen sei zur nachträglichen Akürzung der Probezeit ohne weiteres vertretungsberechtigt.

 

Normenkette

BGB § 167 Abs. 1, § 611 Abs. 1, § 620 Abs. 2; KSchG § 1 Abs. 1; ZPO §§ 267, 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 4, § 533

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 24.10.2012; Aktenzeichen 4 Ca 1936/12)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 24.10.12, AZ: 4 Ca 1936/12, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche des Klägers.

Der Kläger war ab 25. Oktober 2010 als Verfahrensmechaniker/Kunststoff zunächst befristet bis 24. Oktober 2011 bei der T. Personalmanagement GmbH beschäftigt. Der Arbeitsvertrag wurde bis 31. Dezember 2011 verlängert. Ab 14. Februar 2011 war der Kläger von seiner Arbeitgeberin als Leiharbeitnehmer an die Beklagte verliehen. Am 09. Juni 2011 schloss der Kläger mit der Beklagten einen für die Beklagte von deren damaligen Geschäftsführer Dr. G. unterzeichneten schriftlichen Arbeitsvertrag (Bl. 12 - 14 d. A.; im Folgenden: AV) über eine Tätigkeit bei der Beklagten als Einrichter beginnend ab 01. Januar 2012 zu einem Bruttostundenlohn von 14,50 Euro bei einer regelmäßigen betrieblichen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden. Alleiniger Ansprechpartner des Klägers bei den Vertragsverhandlungen war der Zeuge R., der - ohne dass dies dem Kläger bekannt war - die Beklagte bis 31. August 2011 als externer technischer Berater beim Aufbau und der Inbetriebnahme der neuen Fertigungsanlagen am Standort der Beklagten in C-Stadt unterstützte und zum 01. September 2011 als Abteilungsleiter "Industrialisierung" eingestellt wurde. Ziff. 2, 3, 11 AV enthalten folgende Regelungen:

"2. Beginn/Probezeit

Das Arbeitsverhältnis tritt am 01.01.2012 in Kraft.

Die ersten 3 Monate gelten als vorgeschaltete Probezeit.

Innerhalb der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis beiderseits mit einer Frist von 2 Wochen gekündigt werden, nicht jedoch vor Arbeitsantritt.

3. Vertragsende und Kündigung

Nach Ablauf der Probezeit ist der Vertrag von jeder der Parteien mit einer Frist von 3 Monaten zum Monatsende kündbar.

Vertragsänderungen und -ergänzungen

Jede Ergänzung und Änderung sowie die Aufhebung dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. ..."

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 22. Februar 2012, dem Kläger zugegangen am 23. Februar 2012, "innerhalb der Probezeit ordentlich und fristgemäß zum nächstmöglichen Termin" und teilte zugleich mit, das Arbeitsverhältnis ende damit zum 08. März 2012.

Der Kläger hat am 13. März 2012 beim Arbeitsgericht Gießen Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht zum 08. März 2012 aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31. Mai 2012 fortbesteht. Das Arbeitsgericht Gießen hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 21. Mai 2012 an das örtlich zuständige Arbeitsgericht Koblenz verwiesen.

Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, die Kündigung habe das Arbeitsverhältnis erst zum 31. Mai 2012 beendet. Er habe mit dem für sämtliche Personalfragen im Zusammenhang mit den Leiharbeitnehmern zuständigen Zeugen R., als Personalchef und einzigem Ansprechpartner die Vertragsverhandlungen geführt. Dieser habe ihm am 21. und 22. Juli 2011 und am 17. August und 29. September 2011 unter vier Augen zugesagt, die Probezeit betrage nur einen Monat. Hintergrund der Gespräche über die Probezeit sei gewesen, dass er bei der Beklagten ab 01. August 2011 (leider nur bis 31. August 2011) ohne vorherige Absprache als Schichtleiter eingesetzt worden sei. Unabhängig davon, ob der Zeuge R. im Innenverhältnis zur Beklagten berechtigt gewesen sei, Zusagen zu machen, habe er keine Veranlassung gehabt, nicht darauf zu vertrauen, dass er sein erster Ansprechpartner sei. Dies auch vor dem Hintergrund, dass der Zeuge R. ihm mitgeteilt habe, eine Einstellung könne zur Vermeidung einer ansonsten für die Beklagte anfallenden Ablösesumme gegenüber der Leiharbeitsfirma in Höhe von 4.000,00 bis 5.000,00 Euro erst zum 01. Januar 2012 erfolgen könne. Dem widerspreche auch nicht, dass der Arb...

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