Entscheidungsstichwort (Thema)

Probezeitkündigung bei Nichtberücksichtigung von Vorbeschäftigungszeiten im Konzern und Mitteilung wertender Überlegungen zur den Kündigungsgründen im Rahmen der Betriebsratsanhörung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Wartezeit im Sinne § 1 Abs. 1 KSchG ist nicht konzernbezogen ausgestaltet; die Anrechnung früherer Beschäftigungszeiten in einem anderen Unternehmen ist nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 KSchG grundsätzlich nicht möglich, selbst dann nicht, wenn beide Unternehmen demselben Konzern angehören, weil sich in der Regel die Unternehmensträger und damit der Arbeitgeber ändert.

2. Bei der Intensität der Unterrichtung des Betriebsrats über die Kündigungsgründe (§ 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG) ist innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Wartezeit der beiderseitigen Überprüfung dient, ob das Arbeitsverhältnis auf Dauer fortgesetzt werden kann und dann den Regelungen des ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes unterliegt; hat bei einer derartigen Kündigung die Arbeitgeberin keine auf Tatsachen gestützte und sinngemäß durch die Mitteilung dieser Tatsachen konkretisierbaren Kündigungsgründe, genügt es, wenn sie dem Betriebsrat ihre subjektiven Wertungen mitteilt, die sie zur Kündigung veranlassen.

 

Normenkette

BetrVG § 102 Abs. 1 Sätze 2-3

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 28.06.2012; Aktenzeichen 9 Ca 1529/12)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 28.06.12 - AZ: 9 Ca 1529/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und um die Weiterbeschäftigung des Klägers.

Der 1962 geborene, verheiratete und drei Kindern im Altern von 13, 9 und 8 Jahren unterhaltsverpflichtete Kläger, Staatsangehöriger von Sri Lanka, war seit 01. Januar 1992 bei der L Kunststoffwerke GmbH & Co. KG (im Folgenden: L), einem Unternehmen der F L Firmengruppe, an dessen zuletzt einzigem Standort in H beschäftigt. Zum 31. August 2011 wurde der Betrieb der L in H eingestellt. Von der Stilllegung, anlässlich derer zwischen der L und dem bei ihr gebildeten Betriebsrat ein Interessenausgleich und Sozialplan vom 29. Juni 2011 zustande kam (Bl. 76 - 89 d.A.; im Folgenden: Interessenausgleich/Sozialplan L), waren insgesamt (Stand 08. Februar 2011) 115 Mitarbeiter betroffen, hierunter auch der Kläger.

Aus Anlass der Betriebsstilllegung der L schloss der Kläger mit der Beklagten, ebenfalls ein Unternehmen der F L Firmengruppe, das am Standort H ca. 140 Mitarbeiter beschäftigt, am 15. Juni 2011 einen schriftlichen Arbeitsvertrag (Bl. 62 ff., im Folgenden: AV), aufgrund dessen er seit dem 01. September 2011 zu einem Bruttomonatsgehalt von 2.600,00 Euro von der Beklagten als Produktionsmitarbeiter beschäftigt wurde. Insgesamt übernahm die Beklagte 10 Mitarbeiter von der L. §§ 2 und 3 AV enthalten zur Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten und Kündigung folgende Regelung:

"2. Beginn

Das Arbeitsverhältnis tritt am 01.09.2011 in Kraft.

Mit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses endet das bei der Fa. L Kunststoffwerk GmbH & Co. KG bestehende Arbeitsverhältnis.

Der Mitarbeiter ist seit 13.01.1992 in der F L Group beschäftigt.

Die bisherige Beschäftigungszeit in der F.L.G. wird in den ersten 6 Monaten nach Vertragsbeginn nur in Bezug auf die Berechnung etwaiger Sonderzahlungen anerkannt.

Nach einer Betriebszugehörigkeit von 6 Monaten wird die bisherige Beschäftigungszeit in der F.L.G. voll angerechnet.

3. Vertragsende und Kündigung

Der Vertrag ist von jeder der Parteien mit der gesetzlichen Frist kündbar.

..."

Mit der L traf der Kläger anlässlich der Begründung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten folgende Vereinbarung:

" Die Parteien sind sich einig, dass das Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen zum 31.08.2011 beendet wird, da der Mitarbeiter mit Wirkung zum 01.09.2011 zum Unternehmen R H wechselt.

Es besteht Einigkeit, dass der Mitarbeiter an einer etwaigen Sozialplanregelung der L Kunststoff Werk GmbH & Co. KG wegen der Schließung des Standorts H teilnimmt, sofern sein Anschlussarbeitsverhältnis bei der R H innerhalb der ersten sechs Monate aus betrieblichen Gründen beendet wird."

§ 4 Sozialplan L trifft zu den Bedingungen eines Wechsels innerhalb der F L Group folgende Regelung:

"§ 4

Bedingungen eines Wechsels innerhalb der F.L.G.

Wechselt ein Mitarbeiter im Anschluss an sein Arbeitsverhältnis bei der L Kunststoffwerk GmbH & Co. KG zu einer anderen Gesellschaft innerhalb der F L Group, so gilt Folgendes:

Die Vorbeschäftigungszeit bei L sowie eine etwaige Vorbeschäftigungszeit bei R werden von der anderen F.L.G.-Gesellschaft anerkannt, wenn die Anschlussbeschäftigung mindestens 6 Monate ungekündigt bestanden hat. Die Kündigungsfrist beträgt bei einem Mitarbeiter, der in eine F.L.G.-Gesellschaft wechselt, in den ersten sechs Monaten des Beschäftigungsverhältnisses zumindest vier Wochen zum Monatsende. Kündigt die neu...

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