Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwiderrufliche Freistellung von der Arbeit und Verzicht auf ein arbeitsvertragliches Wettbewerbsverbot. Arbeitsvertraglich vereinbarter Genehmigungsvorbehalt einer Nebenbeschäftigung. Angemessenheitsprüfung einer arbeitsvertraglich vereinbarten längeren Kündigungsfrist

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es ist nicht unüblich, dass ein Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist unwiderruflich unter Fortzahlung seiner Bezüge und Anrechnung anderweitigen Verdienstes freigestellt wird. Ob der Arbeitgeber mit dieser unwiderruflichen Freistellung auf ein bestehendes arbeitsvertragliches Wettbewerbsverbot verzichtet, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei spricht der Regelfall für einen solchen Verzicht, es sei denn, der Arbeitgeber hätte einen abweichenden Willen in der Freistellungserklärung zum Ausdruck gebracht.

2. Regelt der Arbeitsvertrag, dass eine Nebenbeschäftigung nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung des Arbeitgebers übernommen werden darf, handelt es sich um einen arbeitsvertraglich vereinbarten "Genehmigungsvorbehalt". Dieser Geneh-migungsvorbehalt ist kein Nebentätigkeitsverbot, sondern dient nur dazu, dem Arbeitgeber bereits vor Aufnahme der Nebentätigkeit die Überprüfung zu ermöglichen, ob seine Interessen beeinträchtigt werden. Die daraus möglicherweise folgende Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit hält sich in Grenzen und ist vom Arbeitnehmer hinzunehmen.

3. Eine arbeitsvertraglich deutlich verlängerte Kündigungsfrist ist nicht unangemessen benachteiligend i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Bei einer deutlich herausgehobenen Position und Verantwortung wie z.B. Einkaufsleitung im Handel, ist eine wesentlich längere Kündigungsfrist durchaus üblich und ergibt mit den sonstigen Vertragsbedingungen eine angemessene Absicherung beider Vertragsparteien.

 

Normenkette

HGB § 60; BGB § 307; GG Art. 12 Abs. 1; BGB §§ 157, 310 Abs. 3 Nr. 3, § 622 Abs. 1, 6; HGB § 74a Abs. 1 S. 3; TzBfG § 15 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Weiden (Entscheidung vom 27.02.2019; Aktenzeichen 3 Ga 1/19)

 

Tenor

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts Weiden - Kammer Schwandorf - vom 27. Februar 2019, Az.: 3 Ga 1/19, wird geändert.

2. Dem Antragsgegner wird untersagt, bis zur Verkündung eines erstinstanzlichen Urteils in der Hauptsache, längstens bis zum 31. März 2020 für die M... Großhandels Ltd. & Co. KG, vertreten durch die M... Management Ltd., diese vertreten durch den Geschäftsführer, Herrn E... M..., A...straße xx, xxxxx U..., sowie alle mit dieser im Sinne von § 15 AktG verbundenen Unternehmen auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland tätig zu werden.

3. Dem Antragsgegner wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 € oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

4. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Eines Tatbestandes bedarf es gemäß § 69 Absatz 4 Satz 2 ArbGG nicht, da gemäß § 72 Absatz 4 ArbGG gegen diese Entscheidung kein Rechtsmittel stattfindet.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist zulässig.

Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2 b, 2 c ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.

II.

Die Berufung ist sachlich begründet.

Der Verfügungsklägerin (Klägerin) steht ein Verfügungsanspruch auf Unterlassung von Wettbewerb zu. Die Klägerin hat auch einen Verfügungsgrund.

Im laufenden Arbeitsverhältnis besteht ein Wettbewerbsverbot schon aufgrund des Arbeitsvertrages. Nach herrschender Meinung gilt der in § 60 HGB kodifizierte Grundgedanke ohne besondere vertragliche Abrede für alle Arbeitsverhältnisse. § 60 HGB konkretisiert lediglich den allgemeinen Rechtsgedanken, der bereits in der Treuepflicht des Arbeitnehmers seine Grundlage hat. Deshalb schließt der Arbeitsvertrag für die Dauer seines Bestehens über den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des § 60 HGB hinaus ein Wettbewerbsverbot ein (Erfurter Kommentar/Preis, 19. Auflage 2019, BGB

§ 611a Rn. 720 m.w.N.).

Mit dem Erstgericht nimmt auch das Berufungsgericht einen Verstoß gegen das bestehende Wettbewerbsverbot durch ein Tätigwerden für die im Tenor genannte Firma M... bzw. ein damit verbundenes Unternehmen an.

Nach dem BAG soll mit der Wettbewerbsenthaltung des Arbeitnehmers im Marktbereich des Arbeitsgebers erreicht werden, dass dem Arbeitgeber der Marktbereich voll und ohne die Gefahr der nachteiligen, zweifelhaften oder zwielichtigen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offensteht (vgl. BAG vom 16.06.1976, 3 AZR 73/75).

Der Verbotstatbestand fasst damit bereits die bloße Gefährdung der Arbeitgeberinteressen. Bezüglich der Konkurrenzsituation gilt, dass die Geschäftsbereiche anerkanntermaßen nicht vollständig und nicht einmal überwiegend deckungsgleich sein müssen. Selbst eine nur geringfügige Überschneidung der jeweiligen Geschäftsbereiche führt bei Großunternehmen zu einer von § 60 Absatz 1 HGB verbotenen Wettbewerbssituation jedenfalls dann, wenn der sich überschneidende Bereic...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge