Keine Weiterbeschäftigung nach vorschneller Kündigung
Etwas vorschnell kündigte ein Schichtmeister nach über 20 Jahren im Unternehmen seinen Job. Wenig später bereute er es und nahm per E-Mail seine Kündigung zurück. Soweit zumindest der Plan. Doch in diesem Fall zeigte sich: Wer um seine Entlassung bittet, muss auch damit rechnen, entlassen zu werden. Zwar arbeitete der Arbeitnehmer danach noch einige Zeit für den Arbeitgeber weiter - dies jedoch bedingt durch die lange Kündigungsfrist und nicht, weil es der Wunsch des Arbeitgebers war, ihn weiterzubeschäftigen.
Der Fall: Arbeitnehmer bereut seine Kündigung
Der Arbeitnehmer war seit 1998 bei seinem Arbeitgeber als Einrichter und stellvertretender Meister beschäftigt, zuletzt in der Funktion eines Schichtmeisters. Am 7. April 2021 kündigte er das Arbeitsverhältnis "fristgemäß zum nächstmöglichen Zeitpunkt unter Einhaltung der vertraglich vereinbarten Frist". Kurz darauf, am 18. April 2021, schickte er eine E-Mail an die Personalabteilung, in der er seine Kündigung zurücknahm. In einer weiteren E-Mail vom 21. April fragte er nach, ob die Geschäftsleitung die Rücknahme seiner Kündigung akzeptiert habe. Auf beide Mails erhielt er keine Antwort.
In der Folge arbeitete der Schichtmeister weiter. Am 19. November 2021 wurde er zu einem Gespräch mit der Werksleitung und der Personalabteilung gebeten. Dabei wurde ihm mitgeteilt, dass es bei der ausgesprochenen Kündigung bleibe. Der Arbeitnehmer gab an diesem Tag seinen Betriebsschlüssel, den Werksausweis und das betriebliche Mobiltelefon heraus und nahm anschließend seinen verbliebenen Resturlaub bis zum 30. November 2021.
Klage auf Weiterbeschäftigung
Vor Gericht begehrte der Arbeitnehmer dann seine Weiterbeschäftigung als Schichtmeister zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen. Seiner Meinung nach hatte der Arbeitgeber sein Angebot zur Kündigungsrücknahme zwar nicht ausdrücklich, aber doch konkludent angenommen, indem er ihn über den 30. September 2021 hinaus weiterbeschäftigte. Laut § 16 Ziffer 1 des 2018 geänderten Arbeitsvertrages war die Kündigung beidseitig mit einer Frist von drei Monaten zum Quartalsende möglich. Ferner wurde sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer die Verlängerung der Kündigungsfristen gemäß § 622 Abs. 2 BGB vereinbart. Diese Klausel zu den Kündigungsfristen hielt der Arbeitnehmer für intransparent und daher für ungültig.
Der Arbeitgeber vertrat dagegen die Auffassung, dass die Kündigungsfrist nach sieben Monaten, also zum 30. November 2021, abgelaufen sei. Die Klausel in § 16 Ziffer 1 sei leicht zu verstehen. Sie verstoße weder gegen das Transparenzgebot, noch liege eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers vor. In keiner Weise habe es seitens des Arbeitgebers ein Verhalten gegeben, welches der Arbeitnehmer als konkludente Annahme eines Weiterbeschäftigungsangebotes habe ansehen dürfen.
LAG: Arbeitsverhältnis wurde fristgemäß beendet
Die Klage blieb vor dem LAG Thüringen ohne Erfolg. Das Landesarbeitsgericht entschied, dass das ursprüngliche Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer mit seinem Schreiben vom 7. April 2021 wirksam und fristgemäß zum 30. November 2021 beendet wurde. Das Gericht wies darauf hin, dass sich die Kündigungsfrist nach § 16 Ziffer 1 des Änderungsvertrages richte. Es gelte daher zunächst die Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende und sodann die Verlängerung gemäß § 622 BGB. Da das Arbeitsverhältnis bereits mehr als 20 Jahre bestehe, gelte die Fristverlängerung des § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB auf sieben Monate. Danach lief die Frist nach objektivem Maßstab am 30. November 2021 ab.
Entgegen der Auffassung des Arbeitnehmers erklärten die Richter diese Klausel für transparent. Sie benachteilige den Arbeitnehmer nicht unangemessen. Nach Angaben des Gerichts sei es durchaus üblich, auf die Fristen in § 622 Abs. 2 BGB Bezug zu nehmen und die Geltung für beide Parteien zu vereinbaren.
Keine konkludente Weiterbeschäftigung
Indizien dafür, dass der Arbeitgeber von einem früheren Ende des Arbeitsverhältnisses ausgegangen sei und den Arbeitnehmer dennoch darüber hinaus weiterbeschäftigen wollte, gab es aus Sicht des Gerichts nicht. Eine Fortsetzung oder Wiederaufnahme eines Arbeitsverhältnisses wurde weder ausdrücklich noch konkludent vereinbart. Die Rücknahme der Kündigung als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung war durch den Arbeitnehmer allein gar nicht möglich, stellte das Gericht fest.
Hinweis: LAG Thüringen, Urteil vom 17. Januar 2023, Az: 5 Sa 243/22; Vorinstanz: ArbG Suhl, Urteil vom 26. April 2022, Az: 2 Ca 1207/21
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