Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsrat. Schulung. Beurteilungsspielraum. Ausschöpfung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Schulungsteilnahme ist für den Betriebsrat dann nicht erforderlich, wenn das geschulte Betriebsratsmitglied eineinhalb Jahre zuvor an einer Schulungsmaßnahme mit ähnlichen Inhalten teilgenommen hat (hier: Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit). Dies gilt zumindest dann, wenn die beiden Seminare nach der Ausschreibung zu mehr als der Hälfte deckungsgleiche Inhalte aufweisen.

2. Beruft sich der Betriebsrat zur Begründung der Erforderlichkeit einer Schulungsteilnahme auf seinen Beurteilungsspielraum, muss er im einzelnen vortragen, dass und wie er diesen Beruteilungsspielraum ausgeschöpft hat. Hierzu gehört die Prüfung anhand der Ausschreibungen, ob eine früher besuchte Schulung nicht dieselben oder ähnliche Kenntnisse vermittelt hat.

3. Hat der Arbeitgeber der Teilnahme zeitnah und mit sachlichen Gründen versehen widersprochen, muss der Betriebsrat als Gremium diese Einwendungen zumindest dann behandeln und würdigen, wenn die Schulungsmaßnahme in diesem Zeitpunkt noch nicht gebucht ist oder wenn noch eine Stornierung möglich ist.

 

Normenkette

BetrVG § 37 Abs. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Beschluss vom 19.02.2009; Aktenzeichen 9 BV 145/08)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 19.02.2009, 9 BV 145/08, wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin, den Betriebsrat von den Kosten eines Seminars mit dem Thema Arbeitsschutz und Unfallverhütung freizustellen.

Der Antragsteller – Beteiligter zu 1.) – ist der bei der Beteiligten zu 2.) für deren Niederlassung in N… gebildete, aus fünf Mitgliedern bestehende Betriebsrat. Die Beteiligte zu 2.) hat mit dem Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung über Betriebsanweisungen zur Arbeitssicherheit in der Außenorganisation abgeschlossen (Anlagen AG 3 und AG 4 zum Schriftsatz vom 16.10.2008, Bl. 76 ff. d.A.). In der Sitzung vom 17.04.2008 beschloss der Betriebsrat unter anderem die Entsendung des Betriebsratsmitglieds G… zur Schulung „Betriebsräte 4 – Arbeitsschutz und Unfallverhütung” von 09.06. bis 13.06.2008 in L…. Dieses Seminar ist mit folgenden Inhalten ausgeschrieben (Anlage 4 zur Antragsschrift, Bl. 11 d.A.):

  • Arbeitsschutz in der Bundesrepublik, Arbeit und Gesundheitsverschleiß, Ergebnisse der Unfallstatistik
  • Rechtsstellung und Aufgaben des Sicherheitsbeauftragten, die Verantwortung des Arbeitgebers, die Pflichtenübertragung auf dem Gebiet der Arbeitssicherheit
  • Rolle und Funktion des Arbeitsschutzes:

    Der Überwachungsauftrag

    Recht der abhängig Beschäftigten auf Unterrichtung über Gefahren und Sicherheitsmaßnahmen und auf Anhörung

  • Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats im Arbeitsschutz

    Das Mitbestimmungsrecht im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften am Beispiel der Unfallverhütungsvorschrift VGB I, Allgemeine Vorschriften

    Die Einigungsstelle

  • Die Bedeutung der Unfalluntersuchung:

    Was ist ein anzeigepflichtiger Arbeitsunfall?

    Beteiligung des Betriebsrats an der Unfalluntersuchung

    Unterzeichnung der Unfallanzeige durch den Betriebsrat

    Die Datensammlung für den Betriebsrat

  • Zusammenarbeit des Betriebsrates mit außerbetrieblichen Stellen

    Gewerbeaufsicht, Berufsgenossenschaft/Selbstverwaltung, Sachverständige, zuständige Gewerkschaften/Arbeitskreise

Die Beteiligte zu 2.) lehnte die Teilnahme des Betriebsratsmitglieds G. an der genannten Schulung mit Schreiben vom 29.05.2008 mit der Begründung ab, die Schulung sei nicht erforderlich, weil Betriebsratsmitglied G. bereits im Oktober 2006 an einem Seminar zum Thema Gesundheitsschutz teilgenommen habe (Anlage AG 6, ebenda, Bl. 110 ff. d.A.). Das Betriebsratsmitglied G. nahm trotz der erfolgten Ablehnung an der Schulung teil.

Die vom Betriebsratsmitglied G. besuchte Schulungsmaßnahme von 4. bis 6.10.2006 in H. hatte nach der Ausschreibung folgende Inhalte (AG 5, ebenda, Bl. 107 d.A.):

„Inhalt des Seminars ist die Darstellung der in der BRD geltenden gesundheitsschützenden Normen, der aktuellen Rechtsprechung des BAG und der Gefährdungspotentiale aus der Sicht der Arbeitswissenschaft und der Medizin, der Maßnahmen zur Begegnung der Gefahren, der Aufgaben der Arbeitgeber, ArbeitnehmerInnen und des Betriebsrats, die Bearbeitung der Aufgaben nach dem Arbeitsschutzgesetz, die Befassung mit dem Entwurf des GBR für die Betriebsvereinbarung Gesundheitsschutz und die Entwicklung eines Handlungskonzeptes.

Themen

  • • Arbeitsschutz in der Bundesrepublik Deutschland:

    Zusammenstellung der einschlägigen gesundheitsschützenden Normen

  • • Arbeitsschutzgesetz – Geltungsbereich, Aufbau, Begriffe, Inhalte, Regelungserfordernis
  • • Maßnahmen des Gesundheitsschutzes im Rahmen des Arbeitsschutzgesetzes
  • • Arbeitsrechtliche Grundlagen, bisherige und neue Rechtsprechung des BAG

    Änderungen in den Regelungsbereichen des § 87 (1) 7 BetrVG

  • • Stand der aktuellen Rechtsprechung zur Mitbestimmung bei Maßnahmen des ...

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