Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der Mitbestimmung des Betriebsrats bei Bildschirmarbeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 4 Abs. 1 BildscharbV ist eine Rahmenvorschrift zum Gesundheitsschutz, bei deren Ausfüllung der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitzubestimmen hat.

2. Die vorherige Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung (§§ 5 ArbSchG, 3 BildscharbV) ist keine zwingende Voraussetzung für die Ergreifung geeigneter Maßnahmen im Sinne des § 4 Abs. 1 BildscharbV, damit die Bildschirmarbeitsplätze den Anforderungen des Anhangs und sonstiger Rechtsvorschriften entsprechen.

3. Die Anzahl der am jeweiligen Bildschirmarbeitsplatz zur Verfügung zu stellenden Bildschirme gehört nicht zu den im Rahmen von Ziffern 1 bis 5 des Anhangs zur BildscharbV zu konkretisierenden Anforderungen an den Bildschirm bzw. das Bildschirmgerät.

4. Durch Spruch der Einigungsstelle kann der Arbeitgeber nicht wirksam verpflichtet werden, bei einem Einsatz seiner Arbeitnehmer in Kundenbetrieben sicherzustellen, dass die dortigen Arbeitsmittel und die dortige Arbeitsumgebung den Anforderungen entsprechen, die er mit dem Betriebsrat für seinen eigenen Betrieb vereinbart hat.

 

Normenkette

ArbSchG § 5 Abs. 1, § 8 Abs. 1; BetrSiV § 4 Abs. 1; BetrVG § 76 Abs. 5 S. 3, § 87 Abs. 1 Nr. 7; BildscharbV § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 2, §§ 3, 4 Abs. 1; LasthandhabV § 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Entscheidung vom 07.10.2015; Aktenzeichen 13 BV 5/15)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 07.10.2015 (13 BV 5/15) teilweise abgeändert:

Es wird festgestellt, dass der Teilspruch der Einigungsstelle "Gestaltung der Arbeitsplätze" vom 19.12.2014 im Hinblick auf folgende weitere Regelungen unwirksam ist:

- Ziff. 3, Punkt 2 letzter Satz ("Auf Antrag des Mitarbeiters oder der Führungskraft nach Entscheidung von IHS erhält der Mitarbeiter zwei Monitore mit je 24".")

- Ziff. 3 Punkt 6, 2. Absatz ("Ergonomische Haltung", "körperliche Anforderungen" und "Funktionen der Stühle (Einstellbarkeit)" sowie das "Zusammenwirken mit den anderen Arbeitsmitteln" sind Gegenstände der Unterweisung nach § 12 ArbSchG).

- Ziff. 4, 1. Absatz ("Die Arbeitgeberin stellt sicher, dass Arbeitsmittel und Arbeitsumgebung auch bei der Tätigkeit von Beschäftigten in anderen Betrieben der IBM oder Drittunternehmen den Anforderungen der Ziff. 3 dieser Vereinbarung entsprechen.")

- Ziff. 4, 3. Absatz ("Für Kurzzeiteinsätze können die Betriebsparteien abweichende Regelungen treffen.")

Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 07.10.2015 (13 BV 5/15) wird zurückgewiesen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Teilspruchs einer Einigungsstelle zum Gesundheitsschutz.

Die Antragstellerin erbringt mit 97 Arbeitnehmern IT-Dienstleistungen für Drittunternehmen (Einführung und Änderung bzw. Betrieb und Wartung von EDV-Anwendungen einschließlich der jeweiligen Leitungsfunktionen). Der Beteiligte zu 2 ist der für den Betrieb C-Stadt gebildete Betriebsrat.

Von den Arbeitnehmern der Antragstellerin arbeiten 94 in der Regel außerhalb des Betriebes bei den Kunden, teilweise auch von zu Hause aus und nur ausnahmsweise und unregelmäßig in den Betriebsräumlichkeiten in C-Stadt. Die Antragstellerin stellt ihnen für ihre Tätigkeit Laptops/Notebooks, externe Tastaturen und Mäuse zur Verfügung.

In den Betriebsräumlichkeiten in C-Stadt existieren 3 eingerichtete und bestimmten Arbeitnehmern zugeordnete Arbeitsplätze. Alle anderen Beschäftigten der Antragstellerin müssen sich dort einen freien Arbeitsplatz suchen, wenn sie nicht bei Kunden eingesetzt sind oder von zu Hause aus arbeiten. Es besteht im Grundsatz keine Anwesenheitspflicht im Betrieb. Durchschnittlich arbeiten ca. 3 bis 5 Beschäftigte der Antragstellerin zeitgleich im Betrieb. Im Durchschnitt arbeitet jeder Mitarbeiter mindestens einmal im Monat einen halben Tag dort. Wenn ein Mitarbeiter im Betrieb arbeitet, erfolgt dies allerdings oftmals für den ganzen betreffenden Arbeitstag.

Die Antragstellerin hat in ihrem Betrieb das sogenannte E-Place-Konzept eingeführt, dessen Bestandteil der sogenannte "clean desk" ist. Dies bedeutet, dass die betrieblichen Arbeitsplätze auch für Beschäftigte anderer Standorte der Antragstellerin und anderer (Konzern-) Gesellschaften verfügbar sind. Es gibt am Standort C-Stadt ca. 60 Büroarbeitsplätze bestehend aus jeweils einem leeren, 160 cm breiten und 80 cm tiefen, manuell höhenverstellbaren Arbeitstisch und einem Arbeitsstuhl. 30 von diesen Arbeitstischen sind der Antragstellerin zugeordnet, von denen wiederum 10 Tische mit einem Monitor der Bildschirmgröße von mindestens 23 bzw. 22 Zoll ausgestattet und höchstens neun Tische bis zur Stehhöhe verstellbar sind. Die im Betrieb arbeitenden Arbeitnehmer nutzen - falls gewünscht und nicht besetzt - die vorhandenen Monitore über ihr Notebook. Ansonsten...

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