Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechte des Arbeitnehmers bei Unwirksamkeit eines Aufhebungsvertrages

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hat der Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag unter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns abgeschlossen, hat er nach § 249 Abs. 1 BGB den Zustand herzustellen, der ohne die Pflichtverletzung bestünde. Der Arbeitnehmer ist dann so zu stellen, als hätte er den Aufhebungsvertrag nicht geschlossen.

2. Eine Verhandlungssituation ist als unfair zu bewerten, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht.

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Schwerin (Entscheidung vom 26.06.2019; Aktenzeichen 4 Ca 1702/18)

 

Tenor

1. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 26.06.2019 - 4 Ca 1702/18 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages.

Der im September 1965 geborene Kläger ist Diplom-Agraringenieur und arbeitete zunächst im Tiefbau als Technologe und Bauleiter. Anschließend war er bei einem Callcenter tätig und dort für Fragen der Datenbankanwendungen zuständig. Im Jahr 2004 wechselte er zu einem Reiseveranstalter, bei dem er in der Personalsteuerung eingesetzt war.

Am 18.10.2016 schloss der Kläger mit dem beklagten Land, vertreten durch den Leiter der Regionalschule C., einen befristeten Arbeitsvertrag für die Dauer vom 01.11.2016 bis 09.12.2016 zwecks Übernahme einer Unterrichtsvertretung für eine rentenbedingt ausgeschiedene Lehrkraft. Die Parteien vereinbarten eine Vollzeitbeschäftigung mit einem Unterrichtsumfang von 27/27 Wochenstunden. Der Arbeitsvertrag sieht eine Vergütung nach Entgeltgruppe 12 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vor. Der Kläger unterrichtete an der Regionalschule die Fächer Informatik, Physik und AWT. Mit dem Änderungsvertrag vom 09.12.2016 verlängerten die Parteien die befristete Beschäftigung auf den Zeitraum 10.12.2016 bis 31.07.2017. Der Kläger war weiterhin an der Regionalschule C. eingesetzt. Ab Mitte 2017 besuchte der Kläger eine berufsbegleitende pädagogische Fortbildung, die sich über 1 Jahr erstreckte. Am 13.08.2017 schlossen die Parteien einen weiteren Änderungsvertrag, mit dem sie rückwirkend zum 01.08.2017 eine sachgrundlos befristete Beschäftigung für die Dauer eines weiteren Jahres, d. h. bis zum 31.08.2018, vereinbarten.

Zwischenzeitlich hatte sich der Kläger an der Förderschule E-Stadt auf eine unbefristete Stelle als Lehrkraft beworben. An dieser Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen werden rund 75 Kinder von der 3. bis zur 9. Klasse unterrichtet. Am 13.09.2018 schloss das beklagte Land mit dem Kläger rückwirkend zum 01.08.2018 einen unbefristeten Arbeitsvertrag als vollbeschäftigte Lehrkraft und setzte ihn an der Förderschule E-Stadt ein. Laut Arbeitsvertrag gilt für das Arbeitsverhältnis der TV-L in der Fassung, die für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und für das Land Mecklenburg-Vorpommern jeweils gilt, solange der Arbeitgeber hieran gebunden ist. Die Vergütung richtete sich weiterhin nach der Entgeltgruppe 12 TV-L. In dem Arbeitsvertrag heißt es sodann unter

"§ 3

Die Probezeit nach § 2 Absatz 4 TV-L beträgt sechs Monate."

Die kommissarische Leiterin der Förderschule E-Stadt, Frau E., besuchte mehrfach den Unterricht des Klägers. Am 25.10.2018 hospitierte sie in der ersten Schulstunde. Im Anschluss daran äußerte sie sich noch im Klassenraum, aber außer Hörweite der Schüler kurz gegenüber dem Kläger zu ihren Eindrücken. Der Inhalt dieser Äußerung ist streitig. Der Kläger war jedenfalls von der Aussage sehr getroffen, meldete sich bei Frau E. ab und suchte umgehend seinen Hausarzt auf, der eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zunächst bis zum 30.10.2018 ausstellte. Danach gab der Kläger seine Schlüssel für die Schule und die ihm überlassenen Schulbücher in der Schule ab. Frau E. informierte das zuständige Schulamt C-Stadt. Am Nachmittag kam es zu einem Telefonat zwischen Herrn F., dem Justiziar des Schulamtes C-Stadt, und dem Kläger. Herr F. lud den Kläger zu einem Gespräch am nächsten Tag ein, zu dem der Kläger vereinbarungsgemäß erschien.

Das Gespräch am 26.10.2018 dauerte etwa 10-15 Minuten. Der Kläger unterschrieb einen von Herrn F. erstellten Aufhebungsvertrag, den der Justiziar zwischendurch vom Schulamtsleiter unterzeichnen ließ, mit dem folgenden Inhalt:

"...

Das zwischen

dem Land Mecklenburg-Vorpommern,

vertreten durch den

Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur,

dieser vertreten durch das

Staatliche Schulamt C-Stadt

und

Herrn A., geb. am 01.09.1965,

bestehende Arbeitsverhältnis wird hiermit im gegenseitigen Einvernehmen

gemäß § 33 TV-L zum 30.11.2018 (letzter Tag)

aufgelöst.

Grund: persönliche Gründe

Zusatzvereinbarung: keine

..."

Im Anschluss daran unterzeichneten der Kläger und der Justi...

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