Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenläufige betriebliche Übung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine gegenläufige betriebliche Übung setzt voraus, dass der Arbeitgeber in besonderer Weise klar und unmissverständlich seinen Willen zum Ausdruck bringt, sich von der bestehenden betrieblichen Übung zu lösen und einen Rechtsanspruch für die Zukunft auszuschließen (Anschluss an BAG, Urteil vom 4. Mai 1999 – 10 AZR 290/98 –).

2. Diesen Anforderungen wird nicht genügt, wenn der Arbeitgeber nunmehr in den Lohnabrechnungen vermerkt:: „Die Zahlung des Weihnachtsgeldes ist eine freiwillige Leistung und begründet keinen Rechtsanspruch!”

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 30.08.2007; Aktenzeichen 1 Ca 1504/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.03.2009; Aktenzeichen 10 AZR 281/08)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 30. August 2007 – 1 Ca 1504/07 – wie folgt abgeändert:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 1.354,08 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von jeweils EUR 451,36 seit dem 01.12.2006, 01.01.2007 und 01.02.2007 zu zahlen.
  2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für das Jahr 2006 ein Weihnachtsgeld zu zahlen.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1. August 1971 als Spezialbaufacharbeiter zu einem Stundenlohn von zuletzt EUR 14,56 brutto beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde nicht abgeschlossen.

Die Beklagte gehört keinem Arbeitgeberverband an.

Die Beklagte gewährte dem Kläger seit Beginn des Arbeitsverhältnisses am Jahresende ein Weihnachtsgeld, zunächst als Einmalbetrag und später in 3 Monatsraten.

In den Jahren 2002 bis 2005 zahlte die Beklagte das Weihnachtsgeld jeweils in 3 Raten à EUR 447,33 bzw. 458,18, und zwar in den Monaten November bis Januar des Folgejahres, wobei sie – bis auf die Monate November 2002 und November 2003 – in den Lohnabrechnungen jeweils handschriftlich den Zusatz beifügte: „Die Zahlung des Weihnachtsgeldes ist eine freiwillige Leistung und begründet keinen Rechtsanspruch!” Der jährlich gezahlte Betrag entsprach dem 93-fachen aktuellen Stundenlohn.

Für das Jahr 2006 zahlte die Beklagte kein Weihnachtsgeld.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte sei aufgrund betrieblicher Übung verpflichtet, ihm auch für das Jahr 2006 ein Weihnachtsgeld in Höhe des 93-fachen Stundenlohnes zu zahlen. Er habe einer abändernden betrieblichen Übung nicht zugestimmt. Er behauptet, mit anwaltlichem Schreiben vom 20. Februar 2002 habe er dem Freiwilligkeitsvorbehalt widersprochen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von EUR 1.354,08 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet, dass der Kläger aufgrund betrieblicher Übung einen Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes für das Jahr 2006 hat. Sofern in der Vergangenheit eine betriebliche Übung bestanden habe, sei sie jedenfalls seit 2002 aufgehoben worden. Ein anwaltliches Schreiben des Klägers vom 20. Februar 2002 habe sie nicht erhalten.

Das Arbeitsgericht Köln hat durch Urteil vom 30. August 2007 der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, aufgrund betrieblicher Übung habe der Kläger einen Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes für das Jahr 2006 in Höhe des 93-fachen Stundenlohnes. Die Beklagte habe seit Beginn des Arbeitsverhältnisses ein Weihnachtsgeld gezahlt. Eine gegenläufige betriebliche Übung sei nicht zustande gekommen, da es an dem erforderlichen Einverständnis des Klägers fehle. Ein derartiges Einverständnis habe die Beklagte auch nicht annehmen können, wenn der Kläger zu den Vorbehalten ab dem Jahr 2002 nichts erklärt habe. Erst wenn sich ein Freiwilligkeitsvorbehalt nachteilig für den Arbeitnehmer auswirke, sei er gehalten, zu widersprechen.

Das Urteil ist der Beklagten am 17. September 2007 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 24. September 2007 Berufung einlegen und diese am 5. Oktober 2007 begründen lassen.

Die Beklagte ist weiter der Ansicht, sofern in der Vergangenheit ein Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes aufgrund betrieblicher Übung entstanden sei, sei er durch eine seit 2002 begonnene gegenläufige betriebliche Übung aufgehoben worden. Sie hat in der mündlichen Verhandlung am 22. Januar 2008 vorgetragen, sie beschäftige insgesamt 42 Arbeitnehmer. Nur der Kläger mache gerichtlich geltend, er habe einen Anspruch auf Weihnachtsgeld. Sie habe sowohl 2006 als auch 2007 aus wirtschaftlichen Gründen kein Weihnachtsgeld gezahlt.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 30. August 2007 – 1 Ca 1504/07 – die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zur...

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