Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an eine Druckkündigung. Auflösungsgründe i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG. Prozessuales Verhalten im Kündigungsschutzprozess als Auflösungsgrund

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nur wenn trotz aller Bemühungen um Aufklärung und um den Schutz des betroffenen Arbeitnehmers die Verwirklichung einer Drohung in Aussicht gestellt wird und dem Arbeitgeber dadurch schwere wirtschaftliche Nachteile drohen, kann eine Kündigung gerechtfertigt sein. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Kündigung das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel ist, um die Schäden abzuwenden.

2. Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber i. S. v. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, eine Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm übertragenen Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit gefährdet ist.

3. Auch das Verhalten des Arbeitnehmers oder seines Prozessbevollmächtigten im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Allerdings sind unter Beachtung des Art. 5 GG und der effektiven Rechtsverteidigung erhebliche Hürden für einen erfolgreichen Auflösungsantrag zu überwinden.

 

Normenkette

GG Art. 5; KSchG § 1 Abs. 2, §§ 9-10; GG Art. 103

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 20.10.2021; Aktenzeichen 18 Ca 7804/20)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin hin wird unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 20.10.2021 - 18 Ca 7804/20 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 18.11.2020, zugegangen am 23.11.2020, nicht zum 31.03.2021 beendet worden ist.

Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sowie einen Auflösungsantrag der Arbeitgeberin.

Die am .1959 geborene Klägerin ist seit dem 01.01.2019 bei der Beklagten, die eine Fachklinik betreibt, als Chefärztin der Kardiologie zu einem Bruttomonatsgehalt von 12.500,00 € beschäftigt. Hinsichtlich der Einzelheiten des Anstellungsvertrages vom 17.08.2018 wird auf Bl. 9 ff. d. A. Bezug genommen. Die Beklagte begründete ebenfalls zum 01.01.2019 ein Arbeitsverhältnis mit dem Ehemann der Klägerin als Ärztlicher Direktor.

Nach einer Beschwerde des Betriebsrats vom 25.11.2019 (Bl. 66 f. d. A.) über das Verhalten der Klägerin und ihres Ehemanns gegenüber Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen fanden im Zeitraum Januar und Februar 2020 Mediationstermine statt, die in der Abschlussvereinbarung vom 17.02.2020 mündeten. Wegen der Einzelheiten des Inhalts der Abschlussvereinbarung wird auf Bl. 68 f. d. A. verwiesen. Mit Schreiben vom 16.09.2020 beschwerte sich der Betriebsrat erneut wegen eines Fehlverhaltens des Ehepaars gegenüber Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Klinik. Hinsichtlich des Inhalts der Beschwerde wird auf B. 70 f. d. A. Bezug genommen. Es folgte ein weiteres Mediationsgespräch am 08.10.2020, welches auszugsweise unter dem 12.10.2020 protokolliert wurde (Bl. 72 ff. d. A.). In einer Belegschaftsversammlung am 28.10.2020 gab das Ehepaar eine persönliche Erklärung ab, in dem es sinngemäß die Verantwortung für Führungsfehlverhalten übernahm und um einen Neustart und Vertrauen bat. Wegen der Einzelheiten der schriftlich fixierten Erklärung wird auf Bl. 75 ff. d. A. verwiesen.

Die Beklagte hörte den Betriebsrat mit Schreiben vom 16.11.2020 (Bl. 78 ff. d. A.) zur beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2021 wegen eklatanter Fehler in der Führung des Personals und in der Erledigung der übertragenen Aufgaben an. Der Betriebsrat stimmte dem beabsichtigten Kündigungsausspruch am 17.11.2020 zu (Bl. 82 d. A.).

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 18.11.2020 zum 31.03.2021 (Bl. 23 d. A.).

Das Arbeitsverhältnis des Ehemannes der Klägerin wurde von der Beklagten zeitgleich zum 31.03.2021 gekündigt. Die Parteien einigten sich im anschließenden Kündigungsschutzverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Köln auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung eines Abfindungsbetrages (LAG Köln- 11 Sa 221/22 -).

Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 20.10.2021 (Bl. 251 ff. d. A.) festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 18.11.2020 zwar nicht beendet worden sei, jedoch hat es das Arbeitsverhältnis auf Antrag der Beklagten gegen Zahlung einer Abfindung von 30.000,00 € zu m 31.03.2021 aufgelöst. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass bis zum Ausspruch der Kündigung keine Pflichtverletzungen ersicht...

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