Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung. Unternehmensentscheidung. Stilllegung einer Produktionsanlage. Reduzierung einer Schicht. Auftragsrückgang

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Arbeitgeber hat, wenn er sich im Kündigungsschutzprozess zur Begründung einer betriebsbedingten Kündigung auf die Unternehmerentscheidung beruft, eine Produktionsanlage stillzulegen sowie eine Schicht zu reduzieren, im einzelnen die vorzutragen, das diese Entscheidung ernsthaft getroffen und auf Dauer angelegt ist.

2. Kurzfristige Auftragslücken rechtfertigen noch keine betriebsbedingte Kündigung.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Aktenzeichen 5 Ca 2983/04)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn – 5 Ca 2983/04 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

Der 1967 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit dem 23.08.1996 als ungelernter Arbeiter beschäftigt. Die Beklagte, die einen weiteren Betrieb in K unterhält, stellt Servietten, Tischdecken und Hygieneartikel aus Papier her. Sie kündigte den Kläger mit Schreiben vom 30.08.2004 zum 30.11.2004 nach Anhörung des bei ihr bestehenden Betriebsrats, der der Kündigung widersprach. Die Beklagte bekam im Dezember 2004 einen neuen Großauftrag der Firma M. Seit dem 17.01.2005 beschäftigt sie den Kläger weiter.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage mit der Begründung stattgegeben, dass der Beklagten eine Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb K auf einem der mit Leiharbeitnehmern besetzten Arbeitsplätzen, die als freie Arbeitsplätze anzusehen seien, möglich und zumutbar sei. Auf das Urteil (Bl. 177 bis 184 d. A.) wird verwiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten, die die Auffassung vertritt, die Kündigung sei nicht durch eine Weiterbeschäftigung des Klägers in Kreuzau vermeidbar gewesen, weil die von Leiharbeitnehmern besetzten Arbeitsplätze nicht als frei anzusehen seien und die Weiterbeschäftigung des Klägers auf diesen Arbeitsplätzen ihr auch nicht unzumutbar sei. Erforderlich sei die Kündigung, weil sie wegen des Auftragsverlustes der Großkunden A und L im Juni 2005 am 09.08.2004 die unternehmerische Entscheidung getroffen habe, eine ihrer Hobema Anlagen 2 bis 4 stillzusetzen sowie dauerhaft eine Schicht im Bereich Transnova zu reduzieren, was einem Personalvolumen von 6 Personen entspreche. Zusätzlich solle im Dezember 2004 eine hochautomatsierte Handpacklinie installiert werden, die ab Februar 2005 den Arbeitskräftebedarf um weitere 9 Personen verringere. Die Beklagte beantragt, das Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Berufung und stellt hilfsweise den Antrag, für den Fall des Erfolgs der Berufung, das Angebot des Klägers auf Wiedereinstellung zu den für das unter dem 30.11.2004 gekündigten Arbeitsverhältnisses geltenden Bedingungen anzunehmen. Die Beklagte beantragt, den Hilfsantrag abzuweisen. Sie begehrt Schriftsatznachlass bezüglich dieser Klageerweiterung. Der Kläger vertritt weiter die Ansicht, dass für die Kündigung kein betrieblicher Grund vorlag. Es habe keine Unternehmerentscheidung gegeben, die zu einem Wegfall des Arbeitsplatzes geführt hätte. Der Kläger und die acht anderen Mitarbeiter, denen im August 2004 gekündigt worden sei, arbeiteten nach wie vor bei der Beklagten und seien voll ausgelastet. Die Maschinen seien auch nicht dauerhaft abgeschaltet worden. Tatsächlich habe die Beklagte eigene Mitarbeiter durch Leiharbeitnehmer ersetzen wollen. Die von der Beklagten behaupteten Auftragskündigungen der Großkunden A und L könnten die streitgegenständliche Kündigung nicht rechtfertigen, denn die Beklagte bemühe sich laufend um neue Aufträge und habe bereits mit dem Kunden M in Verhandlungen gestanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage und dem Weiterbeschäftigungsantrag mit Recht stattgegeben. Die Kündigung der Beklagten vom 30.08.2004 ist rechtsunwirksam, da sozial ungerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG. Die Beklagte ist verpflichtet, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen. Einer Entscheidung über den Hilfsantrag bedurfte es wegen des Obsiegens mit dem Hauptantrag nicht.

1. Die Sozialwidrigkeit der Kündigung ergibt sich bereits daraus, dass die Beklagte die von ihr behauptete unternehmerische Entscheidung vom 09.08.2004, die zum Wegfall d...

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