Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschlußfrist. Anwendung von Amts wegen. Ermittlung von Tarifrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Da Ausschlußfristen eine Forderung zeitlich begrenzen, müssen die Gerichte für Arbeitssachen tarifliche Ausschlußfristen stets von Amts wegen beachten. Bei Anhaltspunkten dafür, daß ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, hat das Gericht den Inhalt der tariflichen Rechtsnormen nach § 293 ZPO zu ermitteln.

 

Normenkette

ZPO § 293; TVG § 4 Abs. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 16.04.1997; Aktenzeichen 20 Ca 10400/95)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16.04.1997 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 20 Ca 10400/95 – teilweise abgeändert:

1. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Tatbestand

I. Die Parteien streiten über die Zahlung von Arbeitsentgelt für die Jahre 1992 – 1994 aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges bzw. der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Die Beklagte hatte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 31.11.1991 fristgerecht gekündigt. Nach rechtskräftiger Feststellung der Unwirksamkeit dieser Kündigung und Wiedergenesung von längerer Krankheit wird der Kläger seit dem 01.07.1997 als Lkw-Fahrer weiter beschäftigt. Von einer Darstellung des weiteren Sachverhalts wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 16.04.1997 unter Abweisung der Klage im übrigen verurteilt, an den Kläger 108.504,54 DM brutto abzüglich 28.013,30 DM Arbeitslosengeld nebst 4 % Zinsen seit dem 21.12.1995 zu zahlen. Wegen seiner Entscheidungsgründe wird auf Bl. 105 ff. d.A. Bezug genommen.

1. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 u. 2 ArbGG) sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 518, 519 ZPO).

2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Die Klage ist insgesamt unbegründet. Denn die Vergütungsansprüche des Klägers für die Jahre 1992 bis 1994 sind jedenfalls nach näherer Maßgabe des § 15 des allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrages für Arbeitnehmer im Groß- und Außenhandel NRW (im folgenden: MTV) verfallen.

a. Nach § 15 Nr. 2 MTV sind die Lohn- und Gehaltsansprüche sowie alle sonstigen gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis binnen 3 Monaten nach Fälligkeit dem anderen Vertragspartner gegenüber schriftlich geltend zu machen. Spätestens innerhalb weiterer 3 Monate nach Ablauf dieser Frist ist Klage zu erheben. Ist das Beschäftigungsverhältnis beendet, so beträgt die Klagefrist 1 Monat. Ergänzend bestimmt § 15 Nr. 4 MTV, daß eine Geltendmachung von Ansprüchen nach Ablauf der in § 15 Nr. 2 – 3 genannten Fristen ausgeschlossen ist und das gleiche bei Nichterfüllung der dort genannten Voraussetzungen gilt.

Der MTV war kraft Allgemeinverbindlichkeit auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar. In der Fassung vom 09.03.1990 wurde er mit Wirkung vom 19.06.1990 und in der Fassung vom 26.04.1994 mit Wirkung vom 01.03.1994 für Allgemein verbindlich erklärt. Ab diesen Zeitpunkten erfaßten die Rechtsnormen des Tarifvertrages gem. § 5 Abs. 4 TVG auch die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Allgemeinverbindlichkeit endete am 31.12.1993 bzw. am 31.12.1996. Für die kurze Zwischenzeit vom 01.01.1994 bis zum 01.03.1994 galten die Normen gemäß § 4 Abs. 5 TVG kraft Nachwirkung (vgl. BAG vom 27.11.1991 EZA § 4 TVG Nachwirkung Nr. 15). Alle diese Rechtswirkungen traten unabhängig von der Kenntnis der Betroffenen ein.

b. Der MTV war auch nach seinem örtlichen und fachlichen Geltungsbereich anwendbar.

Nach § 1 Nr. 1 gilt er im Land Nordrhein-Westfalen. Daran ändert sich hier nichts durch den Umstand, daß der Hauptsitz der Beklagten in Bayern liegt. Denn im Zweifel gilt für die in auswärtigen Betrieben beschäftigten Arbeitnehmer aufgrund des dortigen Schwerpunkts des Arbeitsverhältnisses das am Ort des Nebenbetriebes geltende Tarifrecht (vgl. BAG vom 03.12.1985 AP Nr. 5 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel). Für den Kläger befand und befindet sich der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses in Köln. Hier wurde er eingestellt und eingesetzt, von hier erhielt er auch die letztlich rechtsunwirksame Kündigung. Nach den ergänzenden Erörterungen im Termin vom 05.02.1998 steht fest, daß die in Köln stationierten Transportfahrzeuge der Beklagten auch von den Vertriebsmitarbeitern in Köln eingesetzt werden. Insoweit handelt es sich um einen durchaus eigenständigen Betrieb der Beklagten. Damit ist klar, daß für die Mitarbeiter in Köln nordrhein-westfälisches Tarifrecht gilt.

Der MTV galt und gilt im übrigen fachlich für alle Groß- und Außenhandelsunternehmen einschließlich der Hilfs- und Nebenbetriebe. Die Beklagte betreibt nach wie vor einen „Großhandel”, weil sie unstreitig mit Rohstoffen für die Glasherstellung handelt, die sie mit eigenen Silo-Lastzügen an ihre gewerblichen Abnehmer ausliefert (vgl. zum Tarifbegriff „Großhandel” BAG vo...

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