Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung einer Betriebsratswahl. Anforderungen an das Öffentlichkeitsgebot

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Anfechtung einer Betriebsratswahl wegen Verfahrensverstößen bei der Öffnung der Freiumschläge und der Wahlumschläge von Briefwahlen.

 

Leitsatz (redaktionell)

2. Das Gebot der Öffentlichkeit, womit die Betriebsöffentlichkeit gemeint ist, erfordert nicht nur, dass ungehinderter Zugang zu dem Ort besteht, wo die Freiumschläge geöffnet werden und in der aufgezeigten Weise verfahren wird; es erfordert vielmehr, dass Ort und Zeit vorher öffentlich bekanntgemacht werden.

 

Normenkette

BetrVG § 19 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Entscheidung vom 05.08.2008; Aktenzeichen 3 BV 5/08)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 3) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 05.08.2008 - 3 BV 5/08 h - wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Wahl des Betriebsrats (Antragsgegner und Beteiligter zu 3) am 12. Februar 2008 im Betrieb der antragstellenden Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1).

Die Arbeitgeberin betreibt in Wegberg ein Krankenhaus mit angeschlossenem Alten- und Pflegeheim, in dem zum Zeitpunkt der Wahl etwa 180 Arbeitnehmer tätig waren.

Nachdem eine Neuwahl des erstmals im August 2006 gewählten Betriebsrats wegen Absinkens der Gesamtzahl der Betriebsratsmitglieder nach § 13 Abs. 1 Ziff. 2 BetrVG erforderlich geworden war, fand am 12. Februar 2008 die Wahl von 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr in der Cafeteria der Betriebsstätte statt. Im Wahlausschreiben vom 29. Dezember 2007 hatte der Wahlvorstand mitgeteilt, nach erfolgter Stimmabgabe werde die öffentliche Stimmauszählung am 12. Februar 2008 ab 18.00 Uhr in der Cafeteria stattfinden.

Der Wahlvorstand stellte fest, dass 142 Wahlumschläge abgegeben worden und dass 133 Stimmen gültig waren, wobei 71 Stimmen auf die Liste 1 (Kennwort: Robin Hood), 22 Stimmen auf die Liste 2 (Kennwort: Zukunft) und 40 Stimmen auf die Liste 3 (Kennwort: Sonnenschein) entfielen. Damit waren in den 7-köpfigen Betriebsrat vier Vertreter der Liste 1, zwei Vertreter der Liste 3 und ein Vertreter der Liste 2 gewählt.

Von den 142 abgegebenen Stimmen waren 66 per Briefwahl erfolgt.

In einem undatierten Schreiben hatte der Wahlvorstand auf die Möglichkeit der Briefwahl hingewiesen und mitgeteilt, die Briefwähler könnten die Wahlunterlagen an ein vom ihm eingerichtetes Postfach senden, das er spätestens am Wahltag leeren werde. Sodann heißt es weiter: "Die Wahlumschläge werden in die Wahlurne eingebracht und im Zusammenhang mit dem Beginn der Wahl selbst geöffnet und in die Urne eingeworfen. Unabhängig davon können Briefwahlunterlagen beim Wahlvorstand (Wahlvorstandsmitglied) persönlich abgegeben werden. Am Wahltag selbst wird nach Schließung der Stimmabgabe und einer kurzen Pause der Vorbereitung ca. gegen 18.30 Uhr die öffentliche Auszählung beginnen. Diese Pause ist erforderlich, um unter anderem die Briefwahlunterlagen aus dem angegebenen Postfach zur Auszählung herbei zu schaffen."

Der Wahlvorstand öffnete nach Angaben des Betriebsrats nach letztmaliger Leerung des Postfachs um 14.30 Uhr die Freiumschläge der Briefwähler, prüfte die darin befindlichen Erklärungen und die Wahlumschläge und brachte sodann gegen 15.15 Uhr die Wahlumschläge in die Wahlurne ein.

Mit dem am 27. Februar 2008 beim Arbeitsgericht Aachen eingegangenen Antrag begehrt die Arbeitgeberin, die Wahl für unwirksam zu erklären. Sie rügt, an der Wahl habe der Wahlvorstand eine Arbeitnehmerin teilnehmen lassen, deren Arbeitsverhältnis gekündigt gewesen sei und die deshalb nicht hätte wählen dürfen. Andererseits habe er drei Arbeitnehmer zu Unrecht mit der Begründung, sie seien leitende Angestellte, an der Wahl nicht teilnehmen lassen. Mit der Öffnung der Freiumschläge der Briefwähler bereits im Verlauf des Wahltages habe der Wahlvorstand gegen § 26 Wahlordnung verstoßen, wonach erst unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe und in öffentlicher Sitzung die Freiumschläge geöffnet werden dürften.

Mit einem am 3. März 2008 eingegangenen Antrag begehren zudem sechs wahlberechtigte Arbeitnehmer (Beteiligte zu 2), die Wahl für unwirksam zu erklären. Sie rügen ebenfalls, durch die Öffnung der Freiumschläge bereits im Verlauf des Wahltages habe der Wahlvorstand § 26 Wahlordnung verletzt.

Das Arbeitsgericht Aachen hat durch Beschluss vom 5. August 2008 den Anträgen auf Feststellung der Unwirksamkeit der Wahl stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht und das Wahlverfahren verstoßen worden. Eine Arbeitnehmerin habe an der Wahl nicht teilnehmen dürfen und drei weitere Arbeitnehmer seien zu Unrecht nicht zur Wahl zugelassen worden. Zudem seien die Freiumschläge der Briefwähler nicht unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe in öffentlicher Sitzung geöffnet worden. Diese Mängel könnten zu einer objektiven Beeinflussung des Wahlergebnisses geführt haben.

Der Besc...

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