Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang und Wirkung eines vereinbarten Schriftformerfordernisses, keine Vertragsänderung bei vertragsbeendenden Rechtsgeschäften

 

Leitsatz (amtlich)

Die Formulierung in einem Arbeitsvertrag „Änderungen des Vertrages sowie Nebenabreden u.s.w. bedürfen der Schriftform” beinhaltet kein konstitutives Schriftformerfordernis für vertragsbeendende Rechtsgeschäfte. Eine mündlich ausgesprochene Kündigung oder ein mündlich geschlossener Aufhebungsvertrag sind daher nicht nichtig.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 125 S. 2, § 138 Abs. 1, § 622 Abs. 1, 3; KSchG § 1 Abs. 3; ZPO § 447

 

Verfahrensgang

ArbG Bocholt (Urteil vom 06.08.1998; Aktenzeichen 1 Ca 1050/98)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 06.07.2000; Aktenzeichen 2 AZR 513/99)

BAG (Aktenzeichen 6 AZR 513/99)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 06.08.1998 – 1 Ca 1050/98 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Die Beklagte produziert mit zur Zeit sieben Arbeitnehmern LKW-Aufbauten. Der Kläger war bei ihr ab 11.05.1998 als kaufmännisch technischer Angestellter zu einem Gehalt von 5.500,– DM beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 01.05.1998 zugrunde. Es wurde eine sechsmonatige Probezeit vereinbart, in der das Arbeitsverhältnis mit einmonatiger Kündigungsfrist zum Schluß eines Kalendermonats gekündigt werden kann. In § 13 als abschließender Bestimmung des Vertrages ist vereinbart:

„Änderungen des Arbeitsvertrages sowie Nebenabreden u.s.w. bedürfen ausdrücklich der Schriftform. Mündliche Absprachen sind rechtsunwirksam.”

Der Kläger ist 38 Jahre alt. Er ist geschieden und einem fünfjährigen Kind gegenüber unterhaltspflichtig.

Die Beklagte kündigte dem Kläger am 08.06.1998 mündlich zum 31.07.1998. Ein neues Arbeitsverhältnis konnte er bislang nicht eingehen. Seit dem 01.08.1998 bezieht er Arbeitslosengeld. Mit Schreiben vom 28.09.1998 kündigte die Beklagte dem Kläger vorsorglich erneut zum 31.10.1998. Der Rechtsstreit über die Wirksamkeit dieser Kündigung ist ausgesetzt.

Der Kläger hält die Kündigung vom 08.06.1998 für unwirksam, weil von der Beklagten die vereinbarte Schriftform nicht eingehalten worden sei. Außerdem sei die Kündigung sittenwidrig. Bei Ausspruch der Kündigung habe der Geschäftsführer der Beklagten erklärt, daß seine Arbeitsleistung zwar einwandfrei, er aber zu alt sei. Sein Alter sei der Beklagten aber bei der Einstellung bereits bekannt gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 08.06.1998 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten. Sie ist der Auffassung, für den Ausspruch der Kündigung arbeitsvertraglich keine Schriftform vereinbart zu haben. Sie bestreitet, daß ihr Geschäftsführer dem Kläger als Kündigungsgrund angegeben habe, er sei zu alt.

Das Arbeitsgericht hat die Auffassung der Beklagten geteilt und die Klage abgewiesen. Das Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, ist dem Kläger am 14.08.1998 zugestellt worden. Am 14.09. hat er Berufung eingelegt und das Rechtsmittel am 13.10.1998 begründet.

Der Kläger meint weiterhin, daß die Kündigung nichtig sei, weil die Beklagte die vertraglich vereinbarte Schriftform nicht eingehalten habe. Ebenso ist er unter gleichzeitiger Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen nach wie vor der Auffassung, daß die Kündigung sittenwidrig sei, weil die Beklagte sie nur mit seinem ihr seit der Einstellung bekannten Alter begründet habe.

Der Kläger beantragt.

unter Abänderung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 08.06.1998 beendet wurde, sondern ungekündigt zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Berufung. Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil aus Rechtsgründen und bestreitet weiterhin nachdrücklich, dem Kläger wegen seines Alters gekündigt zu haben.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1. Die Kündigung ist nicht wegen Formmangels nichtig. Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses kann grundsätzlich formfrei erklärt werden. Ist jedoch arbeitsvertraglich für die Kündigungserklärung Schriftform vereinbart, ist sie einzuhalten, anderenfalls ist die Kündigung gemäß § 125 Satz 2 BGB unwirksam.

a) Vorliegend ist von den Parteien für die Kündigung keine Schriftform vereinbart worden. Das ergibt sich eindeutig aus dem Arbeitsvertrag. Bei der Auslegung von Verträgen ist zunächst von ihrem Wortlaut auszugehen. Dabei ist nach § 133 BGB der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Wortlauts zu haften. Abzustellen ist darauf, wie die Willenserklärung vom Empfänger verstanden werden konnte. Insgesamt hat die Auslegung gemäß § 157 BGB so zu erfolgen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Für Änderungen des Arbeitsvertrag...

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