Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung des normativen Teils des Tarifvertrags. Vergleichbarkeit eines Beschäftigten im Justizvollzugskrankenhaus mit einem Beamten in der Justizvollzugsanstalt

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können.

2. Ein Beschäftigter ist nur dann einem Beamten vergleichbar, wenn er auch wie dieser eingesetzt und tätig wird. Wird der Beschäftigte rein tatsächlich im Justizvollzugskrankenhaus mit einer vergleichbaren Tätigkeit beschäftigt wie Beamte in den übrigen Justizvollzugsanstalten, ist er mit diesen vergleichbar.

 

Normenkette

StVollzG NRW § 1; StVollzG NRW § 2; LBG NRW § 117 Abs. 1; TV-L § 43 Nr. 3 Abs. 1, § 47 Nr. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Entscheidung vom 15.01.2020; Aktenzeichen 1 Ca 1941/19)

 

Tenor

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 15. Januar 2020 - 1 Ca 1941/19 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten vor dem Hintergrund der Regelungen des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder um eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die den Kläger zum Bezug von sogenannten Übergangszahlungen berechtigt.

Der am 18. September "0000" geborene Kläger ist aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrags vom 15. Mai 1986 sowie zweier Änderungsverträge vom 11. Dezember 1989 und 4. Februar 2011 seit dem 1. Juli 1986 durchgehend beim beklagten Land im Justizvollzugskrankenhaus A in der Tagschicht und in Rufbereitschaft als Leitender Anästhesie-Krankenpfleger angestellt. Der Kläger weist einen anerkannten Grad der Behinderung von 50 auf. Er hat eine abgeschlossene Ausbildung als Krankenpfleger absolviert. Seit dem 1. Februar 2011 arbeitet der Kläger auf der Grundlage der Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente mit einem Anteil von 25/38,5 in Teilzeit, zuletzt mit einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von 2.585,44 Euro. Der Kläger ist seit dem 1. Januar 2019 in die Entgeltgruppe KR 9 Stufe 6 eingruppiert. Aufgrund der vorliegenden Schwerbehinderung ist der Kläger gemäß § 236a SGB VI berechtigt, ab dem 1. Oktober 2022 eine abschlagsfreie Rente in Anspruch zu nehmen.

Das beklagte Land betreibt in A ein Justizvollzugskrankenhaus, das rechtlich als Justizvollzugsanstalt geführt wird. Neben dem allgemeinen Vollzugsdienst existieren im Justizvollzugskrankenhaus A Fachdienste, zu denen der medizinische Dienst gehört. Der Pflegedienst des Justizvollzugskrankenhauses besteht aus der Pflegedienstleitung, den Stationsleitungen, dem Krankenpflegepersonal und den begleitenden Diensten. Je nach Sicherheitsstandard wird die pflegerische Leistungserbringung durch das Personal eigenverantwortlich und selbständig, in Begleitung oder unter speziellen Sicherheitsmaßnahmen erbracht. Bei den im Justizvollzugskrankenhaus im Bereich der Krankenpflege beschäftigten Personen handelt es sich fast ausschließlich um reines Pflegedienstpersonal, während sich das Krankenpflegepersonal der sonstigen Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen mehrheitlich aus beamteten Kräften des allgemeinen Vollzugsdienstes zusammensetzt, die entweder zuvor ebenfalls eine pflegerische Berufsausbildung absolviert haben oder mit Zusatzausbildung zur Krankenpflegekraft ausgebildet worden sind. Die angestellten Krankenpflegekräfte des Justizvollzugskrankenhauses A werden als Krankenpflegekräfte im Pflegedienst mit einer Vergütung nach Teil IV der Entgeltordnung zum TV-L bis höchstens EG KR 12 eingestellt. Das beklagte Land ist Mitglied des Arbeitgeberverbands des Landes Nordrhein-Westfalen e.V. (AdL NRW).

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden gemäß § 2 des Arbeitsvertrags der Parteien die tarifvertraglichen Regelungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung. § 43 TV-L vom 12. Oktober 2006 in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 11 vom 2. März 2019 lautet auszugsweise:

"§ 43

Sonderregelungen für die nichtärztlichen

Beschäftigten in Universitätskliniken

und Krankenhäusern

Nr. 1

Zu § 1 - Geltungsbereich -

(1) Diese Sonderregelungen gelten für Beschäftigte (mit Ausnahme der Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, die unter § 41 oder § 42 fallen), wenn sie in Universitätskliniken, Krankenhäusern oder sonstigen Einrichtungen und Heimen, in denen die betreuten Personen in ärztlicher Behandlung stehen, beschäftigt werden.

[...]"

§ 47 TV-L in der vorbenannt...

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