Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung des normativen Teils des Tarifvertrags. Zielsetzung des § 47 TV-L bezüglich einer Gleichstellung mit Beschäftigten im Beamtenstatus. Auslegung des Begriffs "Sanitätsdienst" im Sinne eines Krankenpflegedienstes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen.

2. § 47 TV-L zielt auf eine Annäherung der verhältnismäßig wenigen tariflich Beschäftigten an die verbeamteten Beschäftigten und damit auf einen gewissen Gleichklang der Statusgruppen ab. Für die Beamten im Justizvollzugsdienst sind ohne Ausnahme in den Landesbeamtengesetzen besondere Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand vorgesehen, allerdings uneingeschränkt nur für die Bediensteten im Aufsichtsdienst und eingeschränkt für diejenigen im Werk- oder Sanitätsdienst. Deshalb wird in § 47 Nr. 3 Abs. 1 S. 3 TV-L auch auf "entsprechend vergleichbare" Beamte im Justizvollzugsdienst abgestellt.

3. Alle Auslegungsmethoden führen zu dem Ergebnis, dass § 47 TV-L eine Gleichstellung des Begriffs "Sanitätsdienst" mit dem Begriff des Krankenpflegedienstes meint, da sich nur so die Gleichstellung der Rechtsposition der Angestellten mit der teilweise vorgesehenen Altersgrenze für die Beamten in den einzelnen Landesbeamtengesetzen, die eine entsprechende Regelung vorsehen, herstellen lässt.

 

Normenkette

LBG NRW § 117; TV-L § 12 Abs. 1 S. 4, § 47 Nr. 1 Abs. 1, Nr. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Entscheidung vom 07.12.2022; Aktenzeichen 9 Ca 4879/20)

 

Tenor

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 07.12.2022 - AZ: 9 Ca 4879/20 - wird zurückgewiesen.

Das beklagte Land hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Basis der Regelungen des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (nachfolgend: "TV-L").

Die am 30.03.1959 geborene Klägerin, die eine Ausbildung zur medizinisch-technischen Laborassistentin abgeschlossen hat, ist als eben solche seit dem 03.11.1997 bei dem beklagten Land, welches Mitglied des Arbeitgeberverbands des Landes Nordrhein-Westfalen e.V. (AdL NRW) ist, in dessen B in A (nachfolgend: "B") gegen eine monatliche Bruttovergütung von zuletzt 2.990,44 EUR mit einer Arbeitszeit vom 25,025 Std pro Woche (65 Prozent) beschäftigt.

Letzte arbeitsvertragliche Grundlage der Beschäftigung ist - soweit von Bedeutung - der Änderungsvertrag vom 13.07.2017 (nachfolgend: "Änderungsvertrag"), nach dessen § 1 Abs. 2 auf das Arbeitsverhältnis der TV-L in seiner jeweiligen Fassung Anwendung findet. § 47 TV-L vom 12.10.2006 in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 12 vom 29.11.2021 lautet auszugsweise:

"§ 47

Sonderregelungen für Beschäftigte

im Justizvollzugsdienst der Länder sowie

im feuerwehrtechnischen Dienst der Freien und Hansestadt Hamburg sowie des Landes Berlin

Nr. 1

Zu § 1 - Geltungsbereich -

(1) Diese Sonderregelungen gelten für Beschäftigte des Justizvollzugsdienstes, die im Aufsichtsdienst, im Werkdienst oder im Sanitätsdienst tätig sind sowie für Beschäftigte im feuerwehrtechnischen Dienst der Freien und Hansestadt Hamburg sowie des Landes Berlin.

(2) [...]

(3) Diese Sonderregelungen gelten nur im Tarifgebiet West.

[...]

Nr. 3

Zu Abschnitt V - Befristung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses - Übergangszahlung

(1) Das Arbeitsverhältnis von Beschäftigten mit einer Tätigkeit von mindestens 36 Jahren bei demselben Arbeitgeber im Aufsichts-, Werk- oder Sanitätsdienst des Justizvollzugsdienstes oder im Einsatzdienst der Berufsfeuerwehr endet auf schriftliches Verlangen der/des Beschäftigten zu dem von ihr/ihm gewünschten Zeitpunkt, frühestens jedoch 36 Kalendermonate vor dem Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze und nicht vor dem Zeitpunkt, zu dem vergleichbare Beamtinnen und Beamte des Arbeitgebers im Aufsichts-, Werk- oder Sanitätsdienst des Justizvollzugsdienstes beziehungsweise im Einsatzdienst der Berufsfeuerwehr in den gesetzlichen Ruhestand treten. Besteht ein Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen, tritt an die Stelle der Regelaltersgrenze die Altersgrenze für die abschlagsfreie Inanspruchnahme der Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Bei einer kürzeren Beschäftigung im Aufsichts-, Werk- oder Sanitätsdienst des Justizvollzugsdienstes beziehungsweise im Einsatzdienst der Berufsfeuerwehr als 36 Jahre ist Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass sich die 36-monatige Frist um jeweils einen Monat für jedes fehlende volle Besc...

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