Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsentgelt eines freigestellten Betriebsratsmitglieds. Vergleichbarkeit. Jahresabschlussprämie. Sachbezug wegen Privatnutzung. Verfall. Geltendmachung. Beginn der Verfallfrist. Kenntnis von Ansprüchen. unzulässige Rechtsausübung. Treuwidrigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 37 Abs. 4 BetrVG darf das Arbeitsentgelt eines Betriebsratsmitglieds nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dies gilt auch für allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers, § 37 Abs. 4 S. 2 BetrVG.

2. Ein Verfall von Arbeitsentgeltansprüchen tritt nicht ein, wenn der Arbeitnehmer den Anspruch ohne Abrechnung nicht beziffern kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer Grund und Höhe seines Anspruchs im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht kennt und nicht kennen kann. Für derartige Ansprüche beginnt die Frist zur schriftlichen Geltendmachung erst mit dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte den Anspruch rechtlich und tatsächlich geltend machen kann.

 

Normenkette

BetrVG § 37 Abs. 2, 4; BGB §§ 242, 611

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Urteil vom 26.07.2011; Aktenzeichen 5 Ca 315/11)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 26.07.2011 – 5 Ca 315/11 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen eines Zahlungsantrages darum, ob dem Kläger als freigestelltem Betriebsratsvorsitzenden die gleiche Jahresabschlussprämie zusteht wie dem als Vergleichsperson benannten Arbeitnehmer. Ferner begehrt der Kläger die Zahlung des geldwerten Vorteils aufgrund der Zurverfügungstellung einer D3-Netzkarte.

Der am 05.03.1974 geborene Kläger ist seit dem 01.06.1999 im Betrieb der Beklagten beschäftigt. Rechtsvorgänger der Beklagten ist die M1 S2- und S3 A1 – MITROPA –. Nach dem Übergang der Arbeitsverhältnisse der MITROPA auf die Beklagte wurde zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft NGG vereinbart, dass der MTV MITROPA auf alle Arbeitsverhältnisse zwischen der Beklagten und deren Beschäftigten Anwendung findet.

Seit einigen Jahren ist der Kläger, der Betriebsratsvorsitzende der Niederlassung D1 sowie stellvertretender Gesamtbetriebsratsvorsitzender ist, von seiner Arbeitsleistung freigestellt.

In der zwischen der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat am 15.11.2007 vereinbarten „Regelungsabrede über die Entlohnung von ArbeitnehmerinteressenvertreterInnen” vom 15.11.2007 (Bl. 14 ff. d.A.) heißt es u.a.

㤠1 Geltungsbereich

Diese Vereinbarung gilt für alle MitarbeiterInnen der D3 European Railservice GmbG (D3 E1), die Interessen der ArbeitnehmerInnen im Sinne des BetrVG vertreten.

§ 2 Bemessung des Arbeitsentgeltes

1. Um dem § 37 IV BetrVG Rechnung zu tragen, werden für die unter § 1 genannten Personen die Arbeitsentgelte in folgender Form ermittelt:

  • Der Betriebsrat und die Niederlassungsleitung einigen sich für jedes Interessenvertretungsmitglied auf die Bestimmung von drei vergleichbaren MitarbeiterInnen der D3 E1 innerhalb der jeweiligen Niederlassung.
  • Sollten weniger als drei vergleichbare MitarbeiterInnen im Betrieb beschäftigt sein, erfolgt die Bestimmung anhand drei vergleichbarer MitarbeiterInnen im Unternehmen der D3 E1.
  • Aufgrund der besonderen tariflichen Strukturen und der hohen individuellen Lohnbestandteile bei der D3 E1 wird zur Herstellung einer gerechten Lohnermittlung das Prinzip von 3 Vergleichspersonen angewandt.

(2) …

§ 3 Vergleichbarkeit

Zur Bestimmung der Vergleichbarkeit werden die erworbenen Qualifikationen sowie die aufgrund persönlicher und fachlicher Eignung möglichen Qualifikationen im Unternehmen herangezogen.

Kommt zwischen Niederlassungsleitung und Betriebsrat keine Einigung über die Vergleichbarkeit zustande, so entscheidet eine aus je zwei Mitgliedern des Gesamtbetriebsrates und der Geschäftsführung der D3 E1 paritätisch besetzte Kommission in einer innerhalb von 14 Tagen nach Bekanntwerden der gescheiterten Verhandlungen auf Betriebsratsebene anzuberaumenden Sitzung über den Streitfall. Sollte weiterhin keine Einigung erzielt worden sein, so wird die o.g. Kommission durch Hinzuziehung eines Richters vom Arbeitsgericht erweitert.

…”

Im übrigen wird auf den weiteren Inhalt der Regelungsabrede vom 15.11.2007 (Bl. 14 ff. d.A.) Bezug genommen.

Da es hinsichtlich des Klägers nichts zu einer Einigung zwischen dem Betriebsrat und der Niederlassungsleitung über die Höhe der Vergütung des Klägers kam, erkannte die am 18.12.2007 zusammengetretene paritätische Kommission als einzige realistische Vergleichsperson den Niederlassungsleiter D2 W1 an. Den Mitgliedern der paritätischen Kommission war dabei bewusst, dass diese Vereinbarung dem § 2 Abs. 1 der Regelungsabrede widersprach. Außer Herrn W1 existierte jedoch kein weiterer Mitarbeiter, der der Kommission als Vergleichsperson als angemessen erschien. Dem Kläger wurde daraufhin mit Schreiben vom 04.01.2008 (Bl. 13 d.A.) mitgeteilt, dass als Vergleichsperson Herr W1 mit...

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