Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsratsmitglied. Freistellung. Entgeltanspruch. vergleichbare Arbeitnehmer. betriebsübliche berufliche Entwicklung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Um zu ermitteln, ob der Amtsträger bei einer Freistellung für Betriebsratstätigkeiten in seinem beruflichen Aufstieg benachteiligt wurde, muss sein beruflicher Werdegang ohne die Freistellung nachgezeichnet werden. Durch eine solche fiktive Nachzeichnung darf er weder besser noch schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer Arbeitnehmer ohne Betriebsratsamt.

2. Das Betriebsratsmitglied hat während der Dauer seiner Amtszeit Anspruch auf Entgelterhöhungen in dem Umfang, in dem die Entgelte vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung erhöht werden. Dabei ist auf die betriebsübliche berufliche Entwicklung nicht freigestellter Arbeitnehmer abzustellen. Nicht ausreichend für die Betriebsüblichkeit ist, dass einige andere Arbeitnehmer einen entsprechenden beruflichen Aufstieg genommen haben. Der Geschehensablauf muss vielmehr so typisch sein, dass aufgrund der betrieblichen Gegebenheiten und Gesetzmäßigkeiten grundsätzlich, d.h. wenigstens in der überwiegenden Mehrheit der vergleichbaren Fälle damit gerechnet werden kann.

 

Normenkette

BetrVG § 37 Abs. 4, § 78 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Bocholt (Urteil vom 04.02.2011; Aktenzeichen 2 Ca 1860/10)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 04.02.2011 – 2 Ca 1860/10 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger als freigestelltem Betriebsratsmitglied unter Berücksichtigung der beruflichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer eine höhere Vergütung zusteht.

Der am 16.12.1959 geborene Kläger ist seit dem 17.06.1996 aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 28.05.1996 (Bl. 5 ff. d.A.) bei der Beklagten als Bäckergeselle tätig. Nach § 1 des Arbeitsvertrages vom 28.05.1996 finden die Tarifverträge für das Bäckerhandwerk NRW auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.

Im Betrieb der Beklagten sind etwa 400 Mitarbeiter, davon etwa 50 bis 60 als Bäcker oder Konditor, tätig.

Der Kläger ist seit dem 08.06.1989 Bäcker- und seit dem 12.02.1992 Konditormeister. Seit dem 11.05.1998 ist er Betriebswirt des Handwerks und seit dem 20.11.2009 geprüfter Versicherungskaufmann der IHK (Bl. 22 ff. d.A.). Zudem absolvierte der Kläger in den Jahren 2003 und 2005 Fortbildungen im Bereich Marketing bzw. PC-Anwendungen (Bl. 26, 27 d.A.).

Seit 1998 war der Kläger Vorsitzender des im Betrieb der Beklagten gewählten Betriebsrates. In der Zeit von 2001 bis Ende März 2011 war er freigestellt.

Vor seiner Freistellung war der Kläger in die Entgeltgruppe 11 – Bäckergeselle ab 5. Jahr – des Entgelttarifvertrages für das Bäckerhandwerk NRW vom 08.04.2010 eingruppiert und wurde entsprechend vergütet.

Neben dem Kläger werden zur Zeit vier weitere Bäckergesellen beschäftigt, die ebenfalls in die Entgeltgruppe 11 eingruppiert sind und zwischen November 1989 und Juli 2004 bei der Beklagten eingestellt wurden. Darüber hinaus beschäftigt die Beklagte derzeit 16 Bäcker- und Bäckerinnen mit derselben Eingruppierung, die zwischen August 1983 und Mai 2010 eingestellt wurden.

Daneben sind bei der Beklagten derzeit 10 Konditoren und Konditorinnen angestellt, die ebenfalls in die Entgeltgruppe 11 eingruppiert sind und eine Betriebszugehörigkeit zwischen 5 und 30 Jahren aufweisen.

Zum Zeitpunkt der Freistellung des Klägers im Jahre 2001 beschäftigte die Beklagte ebenfalls knapp 30 Mitarbeiter, die seinerzeit in die Entgeltgruppe 11 eingruppiert waren. Hierzu gehörten auch die Mitarbeiter W1 und L1-W2. Der Mitarbeiter W1 ist inzwischen Betriebsleiter für den Gesamtbereich Produktion und in die Entgeltgruppe 14 eingruppiert. Der Mitarbeiter L1-W2 ist inzwischen als Backstubenleiter eingesetzt; er ist nach wie vor in die Entgeltgruppe 11 eingruppiert, erhält aber entsprechende Zulagen.

Nach Beendigung seiner Freistellung wurde der Kläger von der Beklagten wiederum als Bäckergeselle eingesetzt. Seine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 11 des Entgelttarifvertrages änderte sich nicht.

Mit Schreiben vom 30.03.2010 (Bl. 4 d.A.) machte der Kläger vergeblich seine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 14 des Entgelttarifvertrages für das Bäckerhandwerk in Nordrhein-Westfalen vom 08.04.2010 geltend.

Mit der am 08.10.2010 zum Arbeitsgericht erhobenen Klage verlangt der Kläger nunmehr die Zahlung der Differenzlohnansprüche zwischen der Entgeltgruppe 11 und der Entgeltgruppe 14 für die Monate April bis November 2010 in Höhe von monatlich 426,– EUR brutto.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Anspruch auf eine höhere Vergütung nach den §§ 37 Abs. 4, 78 Satz 2 BetrVG zu. Bei einer betriebsüblichen beruflichen Entwicklung hätte er ohne Freistellung mittlerweile die Position eines Abteilungsleiters erreicht.

Andere vergleichbare Arbeitnehmer, die darüber hinaus nicht über die berufliche Qualifikationen ...

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