Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtliche Einordnung des Anspruchs von Arbeitnehmern des Einzelhandels in NRW auf Beschäftigung mit erhöhter Arbeitszeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 3 Abs. 7 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer des Einzelhandels im Lande NRW ist dahin auszulegen, dass ein Anspruch auf Beschäftigung mit erhöhter Arbeitszeit voraussetzt, dass der Arbeitnehmer innerhalb eines Referenzzeitraums von 17 Wochen mehr als 20% mehr als die einzelvertraglich vereinbarte Arbeitszeit arbeiten musste.

2. In diesem Fall gibt § 3 Abs. 7 des Manteltarifvertrages keinen unmittelbaren Anspruch auf Beschäftigung mit erhöhter Arbeitszeit, sondern lediglich einen Anspruch auf Annahme des Angebots des Arbeitnehmers zur Änderung des Vertrages.

 

Normenkette

Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des Einzelhandels im Lande NRW § 3 Abs. 7; TVG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Entscheidung vom 30.09.2015; Aktenzeichen 8 Ca 738/15)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 30.09.2015 - 8 Ca 738/15 -wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Erhöhung seiner wöchentlichen Arbeitszeit nach § 3 Abs. 7 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer des Einzelhandels im Lande NRW (künftig: MTV).

Der 1969 geborene Kläger ist seit dem 04.10.2010 als Verkäufer in der von der Beklagten betriebenen Filiale in E-B beschäftigt. Das monatliche Bruttogehalt des Klägers beläuft sich im Rahmen einer 23-Stundenwoche auf 1.449,00 EUR.

Auf das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen des MTV in der jeweils aktuellen Fassung Anwendung.

In §3 Abs. 7 MTV heißt es:

"Teilzeitbeschäftigte, die zusammenhängend 17 Wochen über 20% der einzelvertraglich vereinbarten Arbeitszeit hinaus gearbeitet haben, haben Anspruch auf einen Arbeitsvertrag, der dem Durchschnitt der tatsächlich geleisteten Arbeit innerhalb dieser 17 Wochen entspricht. Eine Erhöhung erfolgt nur bis zur tariflichen Höchstarbeitszeit gemäß § 2 Absatz 1. Bei der Berechnung werden die Monate November und Dezember sowie individuelle Urlaubszeiten und Krankheitszeiten bis 6 Wochen nicht berücksichtigt. Hierdurch wird der Zusammenhang nicht unterbrochen. Abweichungen in Betriebsvereinbarungen sind möglich. Der Anspruch erlischt mit dem Ablauf von drei Monaten nach Vorliegen der Voraussetzungen, wenn er nicht innerhalb dieser Frist schriftlich gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht wird."

Im Jahre 2014 hat der Kläger in der Zeit von der 28. Kalenderwoche bis zum 44. Kalenderwoche wie folgt gearbeitet:

Kalenderwoche

Sollstunden

Geleistete Stunden

1

KW 28

AU

AU

2

KW 29

AU

AU

3

KW 30

AU

AU

4

KW 31

AU

AU

5

KW 32

23

27,7

6

KW 33

23

28,5

7

KW 34

23

26

8

KW 35

23

36,5

9

KW 36

23

29,5

10

KW 37

23

41,5

11

KW 38

Urlaub

Urlaub

12

KW 39

Urlaub

Urlaub

13

KW 40

23

32,6

14

KW 41

23

23

15

KW 42

23

23

16

KW 43

23

37,5

17

KW 44

23

42,1

Summe

253

347,9

Nachdem die Beklagte einen solchen Anspruch des Klägers abgelehnt hatte, verfolgt er sein Begehren mit der am 18.02.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage weiter.

Er hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzung des § 3 Abs. 7 MTV habe er erfüllt. Es ergebe sich - unter Außer-Acht-Lassen der individuellen Urlaubs- und Krankheitszeiten von bis zu 6 Wochen - eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit in den elf Wochen, in denen er tatsächlich gearbeitet habe, von 31,62 Stunden. Auf dieser Basis sei die arbeitsvertragliche wöchentliche Arbeitszeit anzupassen.

Die Vorschrift des § 3 Abs. 7 MTV könne nur so verstanden werden, dass innerhalb der 17 Wochen unter Herausnahme des Urlaubs und der Arbeitsunfähigkeitszeiten der Arbeitnehmer in den verbleibenden Wochen durchschnittlich mehr als 20% der einzelvertraglich vereinbarten Arbeitszeit gearbeitet haben müsse. Nicht abzustellen sei auf einen tatsächlich gearbeiteten Zeitraum von 17 Wochen.

Der Kläger hat beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, sein Angebot auf eine 15 Änderungsvereinbarung zum Anstellungs- bzw. Anschlussvertrag mit einer neuen wöchentlichen Arbeitszeit von 31,62 Wochenstunden anzunehmen,
  2. die Beklagte zu verurteilen, ihn mit einer Wochenarbeitszeit von 31,62 16 Wochenstunden zu im Übrigen unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Verkäufer zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der vom Kläger angegebene Zeitraum sei nicht maßgeblich. Es seien nach dem Wortlaut der tariflichen Regelung die Zeiten seines Urlaubs und seiner Arbeitsunfähigkeit herauszurechnen. Zwar unterbrächen diese Zeiten den zu betrachtenden Zeitraum nicht, doch sei es erforderlich, dass ein17-Wochen-Zeitraum betrachtet werde, in dem der Kläger tatsächlich gearbeitet habe. Somit fehlten in der Darstellung des Klägers sechs Wochen.

Das Arbeitsgericht hat eine Auskunft der Tarifvertragsparteien eingeholt. Auf die Stellungnahmen der Gewerkschaft ver.di vom 27.04.2015 (Bl 21 d.A.) und des Handels...

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