Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung eines Aufhebungsvertrages. Verstoß gegen das Gesetz fairen Verhandelns

 

Leitsatz (amtlich)

Im Rahmen von Gesprächen zu einem Aufhebungsvertrag ist der Arbeitgeber unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit nicht gehalten, dem Arbeitnehmer ohne dessen Aufforderung die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zu ermöglichen.

 

Normenkette

BGB §§ 123, 142, 290

 

Verfahrensgang

ArbG Paderborn (Urteil vom 16.02.2011; Aktenzeichen 2 Ca 1818/10)

 

Nachgehend

BAG (Aktenzeichen 6 AZN 1755/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 16.02.2011 – 2 Ca 1818/10 – abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die rechtliche Wirksamkeit eines zwischen ihnen geschlossenen Aufhebungsvertrages.

Die Klägerin war seit März 2000 als Mitarbeiterin im kaufmännischen Bereich (Verkaufssachbearbeiterin) bei der Beklagten, für die etwa 80 Arbeitnehmer tätig sind, beschäftigt.

In der 38. Kalenderwoche des Jahres 2010 unterbreitete die Klägerin einer Kundin der Beklagten, der Firma A1 L1 GmbH & Co.KG, M2, ein Angebot über eine Waschtischplatte zu einem Auftragsvolumen von etwa 2.500,00 EUR bis 3.000,00 EUR, welches nach Hinweis der Arbeitsvorbereitung der Beklagten indes technisch nicht durchführbar war. Der Geschäftsführer der Beklagten, K1, erklärte der Klägerin in Anwesenheit der Personalleiterin B2, dass der Kundin als Alternative eine Waschtischplatte bestehend aus zwei zusammengeleimten Platten mit einer mittigen Fuge an der Sichtkante angeboten werden solle. Die Klägerin bot der Kundin anschließend eine entsprechende Platte telefonisch an; der Auftrag wurde erteilt.

Streitig ist zwischen den Parteien, ob die Klägerin in dem Gespräch von dem Geschäftsführer aufgefordert wurde, ein Foto von der neuen angebotenen Platte zu fertigen und dieses der Kundin zukommen zu lassen.

Unter dem 23.09.2010 mahnte die Personalleiterin B2 die Klägerin mündlich ab, weil ein Übersenden des Fotos an die Kundin unterblieben war. Gleichzeitig erging an die Klägerin die Aufforderung, eine Chronologie des Angebotsvorgangs zu erstellen. Dieser Aufforderung entsprach die Klägerin.

Am 30.09.2010 führten die Personalleiterin B2 und der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, Prof. Dr. M1, im Betrieb der Beklagten ein Gespräch über den Vorfall betreffend die Klägerin. Die Personalleiterin wies weitergehend darauf hin, dass es seit längerem Probleme mit der Arbeitsleistung der Klägerin gebe, dass es im Jahr 2008 Abmahnungen und im Januar 2010 eine Ermahnung gegeben habe. Prof. Dr. M1 erklärte, dass eine Kündigung definitiv nicht gerechtfertigt sei. Die Gesprächspartner kamen abschließend überein, der Klägerin im Rahmen eines Personalgesprächs einen Aufhebungsvertrag anzubieten. Nach entsprechenden Vorbereitungen wurde die Klägerin gegen 11.00 Uhr in das Büro der Personalleiterin B2 gerufen. Ihr wurde – unter absprachegemäßer strenger Vermeidung des Worts „Kündigung” – mitgeteilt, dass man ihr die einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses anbieten wolle, da der Geschäftsführer wegen des Vorgangs um die Waschtischplatte nach wie vor erheblich verärgert sei. Prof. Dr. M1 las der Klägerin den vorbereiteten Aufhebungsvertrag (Bl. 30/31 d.A.) vor, den die Klägerin schließlich unterzeichnete.

Mit Schreiben vom 05.10.2010 erklärte die Klägerin die Anfechtung des Aufhebungsvertrags nach §§ 119, 123 BGB und erhob – am 19.10.2010 beim Arbeitsgericht eingehend – eine gegen die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages vom 30.09.2010 gerichtete Feststellungsklage.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Aufhebungsvertrag sei aufgrund ihrer Anfechtung nichtig. Sie hat vorgetragen, in dem Gespräch am 30.09.2010 erklärt zu haben, sich an die Anweisung mit dem Foto nicht erinnern zu können. Sie habe versucht, sich gegen die Vorwürfe zu wehren, doch sei ihr bedeutet worden, es gebe zu dem Aufhebungsvertrag keine Alternative. Auf Aufforderung von Prof. Dr. M1 habe sie dann unterschrieben. Weitere Erörterungen des Aufhebungsvertrages, insbesondere hinsichtlich dessen Ziffer 5 habe es nicht gegeben. Zuletzt habe Prof. Dr. M1 gesagt: „Unterschreiben Sie jetzt, sonst sehen wir uns vor Gericht.” Sie habe unterschrieben, obwohl sie eigentlich eine Bedenkzeit hätte haben wollen.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch den Aufhebungsvertrag vom 30.09.2011 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ausgeführt, die Klägerin habe nur halbherzig in Abrede gestellt, von ihrem Geschäftsführer die Weisung für die Anfertigung eines Fotos erhalten zu haben. Prof. Dr. M1 habe der Kläger den Aufhebungsvertrag einmal komplett vorgelesen und sei ihn dann zusätzlich Punkt für Punkt mit der Klägerin durchgegangen. Speziell habe er der Klägerin die Vor- und Nachteile einer Zeugnisnote „sehr gut” erläutert. Zu Ziffer 5 des Aufhebungsvertrages habe er er...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge