Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtswirksamkeit eines Aufhebungsvertrags und Gebot fairen Verhandelns bei berechtigter Kündigung. Kein Verstoß gegen Gebot fairen Verhandelns bei Drohen mit rechtmäßiger Kündigung wegen Untreue

 

Leitsatz (amtlich)

Der Arbeitgeber verstößt nicht gegen das Gebot fairen Verhandelns beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages, wenn er einen Rechtsanwalt zu den Vertragsverhandlungen hinzuzieht, einen Aufhebungsvertrag vorlegt, der nur sofort abgeschlossen werden kann und dies mit der - im Streitfall nicht widerrechtlichen - Drohung verbindet, er werde eine fristlose Kündigung aussprechen und Strafanzeige erstatten.

 

Normenkette

BGB §§ 623, 123, 241 Abs. 2, § 125; ZPO § 91

 

Verfahrensgang

ArbG Paderborn (Entscheidung vom 03.08.2020; Aktenzeichen 2 Ca 1619/19)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 03.08.2020 - 2 Ca 1619/19 wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag oder durch eine fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung der Beklagten endete.

Die verheiratete Klägerin war seit dem 01.06.2015 für die Beklagte als Teamkoordinatorin des Verkaufs im Bereich Haustechnik beschäftigt. Sie bezog zuletzt eine Vergütung i. H. v. 4.975,00 € brutto monatlich. Der Arbeitsvertrag, den die Parteien unter dem 08.04.2015 abschlossen, sieht u.a. vor, dass das Arbeitsverhältnis mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Monatsende gekündigt werden kann. Der Ehemann der Klägerin war ebenfalls bei der Beklagten im Vertrieb tätig. Die Beklagte beschäftigt mehr als zehn Arbeitnehmer vollzeitig; ein Betriebsrat ist nicht gewählt.

Am Mittag des 22.11.2019 wurde die Klägerin zu einem Gespräch mit dem Geschäftsführer der Beklagten in dessen Büro gebeten. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten war ebenfalls bei diesem Gespräch zugegen. Er stellte sich der der Klägerin als Rechtsanwalt für Arbeitsrecht vor. Der Klägerin wurde vorgeworfen, in der Vergangenheit unberechtigt Einkaufspreise für Waren in der EDV der Beklagten abgeändert bzw. reduziert zu haben. Der Klägerin war zuvor nicht mitgeteilt worden, dass dieser Vorwurf Gegenstand des Gesprächs sein sollte. Der Klägerin wurde ein bereits vorbereiteter Aufhebungsvertrag vorgelegt, der folgende Regelungen enthält:

1. Arbeitgeberin und Arbeitnehmerin heben hiermit das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis einvernehmlich mit Wirkung zum Ablauf des 30.11.2019 aus betrieblichen Gründen auf.

2. Die Arbeitnehmerin erhält für den Monat November 2019 ein Gehalt in Höhe von 4.975 EUR. Weitere Vergütungsansprüche bestehen nicht.

Sie ist berechtigt, das ihr überlassene Kraftfahrzeug bis zum 30.11.2019 zu nutzen. Dieses wird am 30.11.2019 am Betriebssitz der Arbeitgeberin zurückgegeben. Sämtliche weitere Arbeitsmittel und im Rahmen des Arbeitsverhältnisses überlassenen Gegenstände werden sofort zurückgegeben

3. Die Arbeitgeberin erteilt der Arbeitnehmerin ein qualifiziertes Arbeitszeugnis, das sich auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstreckt.

4. Die Arbeitnehmerin verpflichtet sich, über alle ihr während ihrer Tätigkeit für die Arbeitgeberin bekannt gewordenen internen Angelegenheiten, insbesondere über Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse auch nach ihrem Ausscheiden Stillschweigen zu wahren.

5. Mit Abschluss dieses Aufhebungsvertrags sind sämtliche wechselseitigen finanziellen Ansprüche, ob bekannt oder unbekannt, erledigt. Arbeitgeberin und Arbeitnehmerin sind sich darüber einig, dass sämtliche Urlaubsansprüche, die entstanden sind und bis zum 30.11.2019 entstehen, vollständig erfüllt wurden.

Nach einer längeren, etwa zehnminütigen Gesprächspause unterzeichnete die Klägerin diesen Vertrag.

Im Anschluss daran führten der Geschäftsführer der Beklagten und der Prozessbevollmächtigte der Beklagten ein Gespräch mit dem Ehemann der Klägerin. Im Verlaufe dieses Gesprächs unterzeichnete der Ehemann ebenfalls einen Aufhebungsvertrag.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.11.2019 ließ die Klägerin die Anfechtung des Aufhebungsvertrages erklären; in diesem Schreiben heißt es, die Klägerin sei durch die widerrechtliche Drohung mit einer fristlosen Kündigung, einer Strafanzeige und "sonstigen negativen Weiterungen" zum Abschluss des Aufhebungsvertrages bestimmt worden. Mit Schreiben vom 04.12.2019, das der Klägerin am 07.12.2019 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise zum nächstzulässigen Termin.

Mit ihrer Klage, die am 13.12.2019 bei dem Arbeitsgericht eingegangen ist, hat sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages und die Wirksamkeit der Kündigung gewandt.

Die Klägerin hat behauptet, in dem Gespräch vom 22.11.2019 sei ihr eingangs mitgeteilt worden, sie habe zwei Optionen, zwischen denen sie wählen könne: Zum einen sei dies eine fristlose Kündigung, zum and...

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