Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwer bei gerichtlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses, Zeitpunkt der Auflösung bei außerordentlicher, fristloser Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch wenn die Abfindung nicht notwendig beziffert werden muß, erscheint wegen der Kostenverteilung und der Frage der Beschwer die Angabe eines Mindest- bzw. Höchstbetrages notwendig zu sein. Wird lediglich beantragt, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Arbeitsgerichts gestellt sein soll, aufzulösen, und kommt das Arbeitsgericht dem nach, ohne die Klage hinsichtlich der Höhe der begehrten Abfindung teilweise unter entsprechender Kostenquotelung abzuweisen, dann hatte das Auflösungsbegehren aus der Sicht des Arbeitsgericht in vollem Umfange Erfolg.

2. Eine Beschwer ist bei einem unbezifferten Auflösungsantrag – wenn der Arbeitgeber mit seinem Rechtsmittel lediglich die Höhe der Abfindung rügen will – für ihn nur anzunehmen, wenn und soweit das Arbeitsgericht bei Ausübung seines Ermessens über einen in einem Hilfsantrag und/oder in der Hilfsbegründung angegebenen Höchstbetrag hinausgegangen ist, also die vom Arbeitgeber avisierte Höchstgrenze überschritten und/oder vorgetragene Bemessungsfaktoren zu seinen Gunsten nicht berücksichtigt hat.

3. Bei unbeziffertem Auflösungsantrag liegt für den Arbeitnehmer eine Beschwer nur dann vor, wenn die erstinstanzliche Entscheidung von seinen vorgetragenen Mindestvorstellung zur Größenordnung nach unten abweicht oder wenn das Arbeitsgericht bei der Bemessung Tatsachenbehauptungen des Arbeitnehmers, die für die Ermittlung der Urteilssumme von Bedeutung sind, nicht gefolgt ist. Fehlt unzulässig jede verbindliche Angabe zur Größenordnung des Anspruchs, wird der Arbeitnehmer durch die Entscheidung nur bei grobem Ermessensfehler der Arbeitsgerichts beschwert. Ist die eingelegte Berufung als selbständiges Rechtsmittel unstatthaft, so kann sie im Einzelfall in eine unselbständige Anschlußberufung umgedeutet werden, für die keine Beschwer erforderlich ist.

4. Stellt der Arbeitnehmer im Fall einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung einen Auflösungsantrag, so ist – da der Arbeitnehmer ansonsten den Zwischenverdienst verliert, ohne durch die Abfindung hinreichend entschädigt zu werden – das Arbeitsverhältnis stets fristgemäß aufzulösen. Hat das Arbeitsgericht anders entschieden und das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der fristlosen Kündigung aufgelöst, so bedarf es zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zweitinstanzlich einer entsprechenden Antragstellung durch den Arbeitnehmer voraus. Unterbleibt diese, wird ein erzielter Minderverdienst nicht zu einem Bemessungsfaktor der Abfindungssumme und führt nicht zu deren Erhöhung.

 

Normenkette

KSchG §§ 9-10, 13; ArbGG § 64; ZPO §§ 521-522

 

Verfahrensgang

ArbG Siegen (Aktenzeichen 2 Ca 1767/95)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten wird, soweit sie sich gegen die Höhe der ausgeurteilten Abfindung richtet, zurückgewiesen.

Die als Anschlußberufung zu wertende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 34.200,– DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte und über die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindungszahlung.

Die Beklagte ist eine Metallrohrzieherei und beschäftigt ca. 100 Arbeitnehmer. Im Betrieb besteht ein von der Belegschaft gewählter Betriebsrat.

Der 48 Jahre alte, verheiratete Kläger, Vater von zwei Kindern, war seit dem 01.09.1977 bei der Beklagten als Facharbeiter tätig. Er ist gelernter Dreher und Maschinentechniker. Er war der Abteilung „Schlosserei” zugeordnet, in der außer ihm noch zwei weitere Mitarbeiter tätig waren. Das Aufgabengebiet des Klägers, der in den Jahren 1986 und 1988 mehrere Fachkurse für Pneumatik und Steuerungstechnik absolvierte, umfaßte zuletzt alle mit Druckluft zusammenhängenden Tätigkeiten, insbesondere die Wartung und Instandhaltung von Maschinen. In diesem speziellen Bereich war er der einzige beschäftigte Mitarbeiter. Er hat zuletzt einen Lohn von rund 3.600,00 DM brutto monatlich erzielt.

Mit Schreiben vom 18.02.1993 sprach die Beklagte eine ordentliche Kündigung aus; die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage des Klägers war erfolgreich. Das Arbeitsgericht Siegen/Gerichtstag Olpe hat der Klage durch Urteil vom 07.07.1993 (2 Ca 389/93) stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist durch Urteil des Landesarbeitsgericht Hamm vom 09.05.1995 (6 Sa 1535/93) zurückgewiesen worden. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist durch Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 24.08.1995 (2 AZN 542/95), beiden Seiten am 08.09.1995 zugestellt, als unzulässig verworfen worden. Die vormaligen Prozeßbevollmächtigten des Klägers teilten diesem mit Schreiben vom 11.09.1995 den die Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisenden Beschluß des Bundesarbeitsgerichts mit.

Mit Schreiben...

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