Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstandswert eines Beschlussverfahrens

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Gegenstandswert eines Beschlussverfahrens, das die Feststellung des Vorliegens eines Gemeinschaftsbetriebes zwei beteiligter Arbeitgeberinnen zum Gegenstand hat, bemisst sich nach der Zahl der betroffenen Arbeitnehmer, wobei auf die Stufen des § 9 BetrVG zurück zu greifen ist.

 

Normenkette

RVG § 23 Abs. 3; BetrVG § 18 Abs. 2; RVG § 23 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Herne (Entscheidung vom 27.05.2016; Aktenzeichen 5 BV 6/16)

 

Tenor

  1. Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Herne vom 27.05.2016 - 5 BV 6/16 - abgeändert und der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf 27.500,-- € festgesetzt.
  2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
 

Gründe

I.

Die Beteiligten stritten im Ausgangsverfahren um das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebes, bei dem dann insgesamt ca. 1.200 Mitarbeiter beschäftigt wären. Durch Beschluss vom 22.04.2016 (Bl. 83 R d.A.) ist das Verfahren nach Antragsrücknahme eingestellt worden.

Auf Antrag des Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin hat das Arbeitsgericht den Streitwert auf 5000,-- € festgesetzt und dabei den Hilfswert des § 23 Abs. 3 S.2 RVG zugrunde gelegt.

Gegen diesen, am 30.05.2016 zugestellten Beschluss wendet sich der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrates mit der am 13.06.2016 beim Arbeitsgericht Herne eingegangenen Beschwerde, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

Er meint, dass beim Ansatz des Regelwertes des § 23 RVG zu beachten sei, dass man der Bedeutung der Sache nur gerecht werde, wenn eine Steigerung durch Vervielfachung anhand der Zahl der jeweils beteiligten Betriebsratsmitglieder (insgesamt 22) vorgenommen würde.

II.

Die nach § 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates ist begründet.

Der Gegenstandswert für das vorliegende Beschlussverfahren war gemäß § 23 Abs. 3 RVG auf 27.500,-- € festzusetzen.

1. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das vorliegende Beschlussverfahren richtet sich nach § 23 Abs. 3 RVG, wonach der Gegenstandswert in Fällen der vorliegenden Art nach billigem Ermessen zu bestimmen ist.

a) § 23 Abs. 3 RVG stellt eine Auffangnorm für Angelegenheiten dar, für die Wertvorschriften fehlen. Der Auffangtatbestand des § 23 Abs. 3 RVG ist insbesondere für nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten bedeutsam, deren Wert auf anderem Weg nicht bestimmt werden kann. Die Wertfestsetzung nach billigem Ermessen kommt im Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 RVG aber erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. Für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren folgt hieraus, dass die wirtschaftliche Bedeutung des jeweiligen Streitgegenstandes vielfach im Vordergrund stehen muss (LAG Hamm 24.11.1994 - 8 TaBV 144/94 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 27; LAG Hamm 12.06.2001 - 10 TaBV 50/01 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 50 = NZA-RR 2002, 472; LAG Hamm 28.04.2005 - 10 TaBV 11/05 - NZA-RR 2005, 435).

b) Bei den vom Betriebsrat im vorliegenden Verfahren verfolgten Anträgen handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG.

Die im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anfallenden Streitsachen sind typischerweise nichtvermögensrechtlicher Natur. Eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit liegt vor, wenn es vornehmlich um Fragen der Teilhabe des Betriebsrates an der Gestaltung des betrieblichen Geschehens geht. Der beteiligte Betriebsrat hat im Ausgangsverfahren das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes mehrerer Unternehmen geltend gemacht, § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, § 18 Abs. 2 BetrVG. Insoweit handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Angelegenheit, für die grundsätzlich der Ausgangswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG maßgeblich ist.

Die danach einschlägige Auffangvorschrift des § 23 Abs. 3 S. 2, 2 Hs. RVG mit ihrem außerordentlich weiten Bewertungsrahmen und dem Hilfswert in Höhe von 5.000,-- € stellt die Rechtsprechung vor die Aufgabe, die in Beschlussverfahren in Frage kommenden Streitgegenstände in ein Bewertungssystem einzubinden, das falladäquate Abstufungen zulässt und zugleich tragenden Grundsätzen des Arbeitsgerichtsprozesses ausreichend Rechnung trägt; erforderlich ist die Herausarbeitung typisierender Bewertungsgrundsätze, um zu einer gleichförmigen und damit den Gleichbehandlungsgrundsatz wahrenden Rechtsanwendung zu gelangen (LAG Hamm EzA Nr. 70 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; Schneider, Anm. zu BAG EzA Nr. 36 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rn. 443). Maßgebend ist allerdings immer die "Lage des Falles"; es bedarf also einer auf die konkreten Umstände des einzelnen Verfahrens abgestellten Wertfestsetzung.

c) Entgegen der Rechtsauffassung des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates konnte der Gegenstandswert aber nicht auf 110.000,00 € (22x5.000 €) festgesetzt werden. Der Gegenstandswert beträgt vielmehr in Anlehnung an die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des erkennenden Gericht...

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