Entscheidungsstichwort (Thema)

Schulung. Betriebsratsvorsitzender. Rhetorik. Erforderlichkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Teilnahme an einer Rhetorikschulung ist im Einzelfall erforderlich, sofern die konkreten Verhältnisse so gelagert sind, dass der Betriebsrat seine gesetzlichen Aufgaben nur dann sachgerecht erfüllen kann, wenn die rhetorischen Fähigkeiten bestimmter Betriebsratsmitglieder, namentlich des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters, durch eine einschlägige Schulung verbessert werden.

 

Normenkette

BetrVG § 37 Abs. 6 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Siegen (Beschluss vom 22.08.2008; Aktenzeichen 3 BV 8/08)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 12.01.2011; Aktenzeichen 7 ABR 94/09)

 

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegen vom 22.08.2008 – 3 BV 8/08 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt lautet:

Es wird festgestellt, dass die Teilnahme des Betriebsratsvorsitzenden K1 an einer einwöchigen Schulungsveranstaltung „Rhetorik für Betriebsräte – Teil 1”, ausgerichtet von der Akademie für Arbeits- und Sozialrecht R1-W2 GmbH, H6, erforderlich ist.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

A.

Die Beteiligten streiten darum, ob die Teilnahme des Betriebsratsvorsitzenden an einem einwöchigen Rhetorikseminar erforderlich ist.

Im Bereich der Unternehmensgruppe A1 N1 mit derzeit insgesamt 35 Regionalgesellschaften betreibt die Arbeitgeberin in B2 L1 eine Regionalgesellschaft mit Lager, Fuhrpark und Verwaltung, der derzeit 75 Filialen zugeordnet sind. Insgesamt werden dort ca. 900 Arbeitnehmer beschäftigt; es besteht ein Betriebsrat (Antragsteller zu 2).

Der Betriebsratsvorsitzende K1 (Antragsteller zu 1), ein gelernter Koch, der seit dem 06.03.1989 bei der Arbeitgeberin als Kraftfahrer fungiert, war zunächst von Oktober 1998 bis April 2002 Betriebsratsmitglied. Nach einer vierjährigen Unterbrechung gehört er seit der Wahl im April 2006 wieder dem 13köpfigen Betriebsrat an und ist seit der Zeit freigestellter Betriebsratsvorsitzender. In dieser Funktion leitet er regelmäßig Betriebsrats- sowie Betriebsausschuss-Sitzungen und die jährlich stattfindenden Betriebsversammlungen mit 350-400 teilnehmenden Arbeitnehmern.

Auf einer ersten Sitzung am 12.12.2007 und erneut am 06.02.2008 fasste der Betriebsrat den Beschluss, seinen Vorsitzenden zu einer vom 26. bis zum 30.05.2008 stattfindenden Schulung „Rhetorik für Betriebsräte – Teil 1”, ausgerichtet von der Akademie für Arbeits- und Sozialrecht R1-W2 GmbH, zu entsenden.

Weil die Arbeitgeberin sich weigerte, die Kosten zu übernehmen, wurde mit Schriftsatz vom 26.03.2008 das vorliegende Beschlussverfahren eingeleitet, zunächst gerichtet auf die Freistellung von den zu erwartenden Kosten. Wegen des inzwischen eingetretenen Zeitablaufs gingen die Antragsteller mit Schriftsatz vom 03.07.2008 dazu über, im Hauptantrag allgemein u.a. die Freistellung von den Kosten des genannten Rhetorikseminars zu begehren und hilfsweise die Freistellung von den Kosten der Veranstaltung vom 17.-21.11.2008. Hieran nahm der Betriebsratsvorsitzende aber ebenso wenig teil wie an der Veranstaltung vom 20.-24.04.2009.

Das Schulungsprogramm hat folgenden Inhalt:

„Reden und Argumentieren in Sitzungen, Beratungen und Versammlungen …

I. Grundlagen

Grundlagen der Kommunikationspsychologie

Grundlagen des freien und wirksamen Redens und Argumentierens

Abbau von Redehemmungen

Körpersprachliche Signale

Umgang mit und Abbau von Nervosität

Freies Formulieren von Gedanken

Aufbau und Wirkung von Argumenten

Auseinandersetzung mit Gegenargumenten der Gesprächspartner

Effektive Fragetechniken

Umgang mit überraschenden Situationen

Argumentationskonzepte in typischen Gesprächssituationen

II. Beratung von Kolleginnen und Kollegen als Aufgabe des Betriebsrats

Schaffung eines vertrauensvollen Gesprächsklimas

Was will mein Gegenüber?

Der richtige Einstieg ins Gespräch

Gesprächsverlauf und Gesprächsende

Abbau von Hemmungen beim Ratsuchenden

III. Überzeugendes Auftreten vor Publikum

Die Rede auf der Betriebsversammlung

Grundlagen für Reden und Vorträge

Vorbereitung der Redebeiträge

Reden mit Hilfe eines Stichwortkonzeptes

Gliederung einer Überzeugungsrede

Aufbau einer Präsentation

Aufbau eines Rechenschaftsberichts

Der Anfangs- und der Schlusssatz

Gestik, Mimik, Stimme

Gewinnen von Selbstsicherheit

Einsatz visueller Hilfsmittel

Umgang mit „Störern”

IV. Grundlagen der erfolgreichen Diskussion

V. Videounterstützte Praxisübungen

Individuelle Auswertung der Videoaufzeichnung

Persönliches Feedback”

Die Antragsteller haben die Auffassung vertreten, es sei erforderlich, dass der Betriebsratsvorsitzende an der Wochenschulung teilnehme. In der Vergangenheit sei er den rhetorischen Fähigkeiten des seit ca. 15 Jahren fungierenden Personalleiters nicht gewachsen gewesen, um der Belegschaft die Notwendigkeit der Betriebsratstätigkeit in einer Art und Weise zu vermitteln, wie dies die Sachlage erfordere. Dies habe sich u.a. anlässlich der Betriebsversammlung am 22.09.2007 gezeigt, in der der Personalleiter übe...

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