Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Nachweis der Arbeitsunfähigkeit durch Seedienstuntauglichkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Die Feststellung der Seedienstuntauglichkeit gemäß § 81 SeemG durch einen von der Seeberufsgenossenschaft hierzu legitimierten Arzt ersetzt nicht den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit gemäß § 3 EntgFG.

Der fehlende Nachweis der Arbeitsunfähigkeit führt jedenfalls dann zur endgültigen Abweisung der auf Entgeltfortzahlung gerichteten Klage, wenn der Kläger einräumt den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr erbringen zu können.

 

Normenkette

SeemG §§ 81, 143 Abs. 1 Nrn. 12-13, § 121; EntgFG §§ 3, 5, 7

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Entgeltfortzahlung.

Der am 6. 7. 1950 geborene Kläger ist seit 1996 bei der Beklagten als 2. Schiffsingenieur beschäftigt. Die Tarifverträge für die deutsche Seeschifffahrt finden auf das Arbeitsverhältnis kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme Anwendung. Die durchschnittliche Bruttomonatsheuer beträgt EUR 4.097, 10. Bis zum 11. 9. 2002 hatte der Kläger Urlaub. Am 11. 9. 2002 (Anlage K1, Bl. 7 d. A.) stellte die Seeberufsgenossenschaft die dauernde Seedienstuntauglichkeit des Klägers fest. Die Bescheinigung ist von einem Arzt unterzeichnet, der den Kläger zuvor untersucht hatte. Gegen diese Feststellung hat der Kläger Widerspruch eingelegt mit der Begründung, er sei aufgrund seiner Alkoholabhängigkeit vorübergehend, aber nicht dauerhaft seedienstuntauglich.

Nachdem der Kläger die Beklagte über den Befund der Untersuchung unterrichtet hatte, teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 2. 10. 2002 mit, er werde ab dem 13. 9. 2002 bis zur Entscheidung über die Seedienstuntauglichkeit unbezahlt freigestellt. Die Seekrankenkasse zahlte dem Kläger ab dem 13. 9. 2002 Krankengeld in Höhe von EUR 70, 34 kalendertäglich.

Mit Schreiben vom 11. 10. und vom 6. 11. 2002 verlangte der Kläger von der Beklagten Entgeltfortzahlung für 42 Tage ab dem 11. 9. 2002, wobei der Kläger inzwischen einräumt, dass ein Anspruch erst ab dem 12. 9. 2002 bestanden habe. Die Beklagte lehnte den Anspruch ab.

Mit der am 15. 1. 2003 zugestellten Klage verfolgt der Kläger seinen Anspruch, dessen Höhe rechnerisch unstreitig ist, weiter.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Bescheinigung der Seedienstuntauglichkeit stehe der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung i. S. v. § 5 EntgFG gleich.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 6.218, 94 brutto abzüglich geleisteten Krankengeldes in Höhe von EUR 2.883, 94 netto nebst 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. 1. 2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat der Rechtsansicht des Klägers widersprochen und beruft sich auf ihr Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 7 EntgFG.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Gründe wird auf die Seiten 4f des angefochtenen Urteils (Bl. 33f d. A.) verwiesen.

Gegen das am 17. 6. 2003 verkündete und den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 20. 6. 2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. 7. 2003 Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 19. 9. 2003 – an diesem Tag begründet.

Er wiederholt und vertieft seine Rechtsausführungen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, eine Bescheinigung seines behandelnden Arztes für die Arbeitsunfähigkeit im streitigen Zeitraum endgültig nicht vorlegen zu können.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 17. 6. 2003 (S 1 Ca 15/03) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 6.218, 94 brutto abzüglich EUR 2.883, 94 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 15. 1. 2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

I. Der Kläger ein keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

1. Nach § 3 EntgFG hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft. Nach § 5 EntgFG hat der Arbeitnehmer eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Kalendertagen durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung nachzuweisen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Fortzahlung des Arbeitsentgelts zu verweigern, solange der Arbeitnehmer die ärztliche Bescheinigung nicht vorlegt und dies zu vertreten hat (§ 7 EntgFG).

2. Der Kläger hat seine Arbeitsunfähigkeit nicht nachgewiesen. Die Bescheinigung der Berufsgenossenschaft über die Seedienstuntauglichkeit kann die Funkton einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach § 5 EntgFG nicht erfüllen. Etwas anderes würde nur gelten, wenn aus dem Vorliegen einer dauerhaften Seedienstuntauglichkeit stets auf die Arbeitsunfähigkeit i S. des EntgeltFG geschlossen werden könnte. Das ist aber nicht der Fall. Arbeitsunfähigkeit und Seedienstuntauglichkeit haben unterschiedliche Voraussetzungen.

a) Arbeitsunfähigkeit gemäß § 3 EntgFG liegt vor, wenn ...

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