Entscheidungsstichwort (Thema)

Bemessung des Arbeitsentgelts eines freigestellten Mitglieds des Betriebsrats. Begriff der betriebsüblichen Entwicklung i.S. von § 37 Abs. 4 BetrVG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein freigestelltes Betriebsratsmitglied kann den Arbeitgeber unabhängig von dessen Verschulden auf Zahlung einer Vergütung aus einer höheren Vergütungsgruppe in Anspruch nehmen, wenn es ohne die Freistellung mit Aufgaben betraut worden wäre, die die Eingruppierung in der höheren Vergütungsgruppe rechtfertigen (BAG - z AZR 35/09 - 14.07.2010). Um zu ermitteln, ob der Arbeitnehmer dadurch in seinem beruflichen Aufstieg benachteiligt wurde, muss sein beruflicher Werdegang ohne die Freistellung fiktiv nachgezeichnet werden. Nicht ausreichend für die Betriebsüblichkeit ist, dass einige andere Arbeitnehmer einen entsprechenden beruflichen Aufstieg genommen haben.

2. Die Übertragung höherwertiger Tätigkeiten ist nur dann betriebsüblich, wenn diese dem Betriebsratsmitglied nach den betrieblichen Gepflogenheiten hätten übertragen werden müssen.

3. Steht lediglich eine derartige Stelle zur Verfügung, so besteht ein Anspruch nach § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG nur dann, wenn diese nach den betrieblichen Auswahlkriterien gerade dem Betriebsratsmitglied hätte übertragen werden müssen (BAG - 7 AZR 208/04 - 19.01.2005; hier: verneint).

 

Normenkette

BetrVG § 78 Abs. 2, § 37 Abs. 4, 4 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 15.08.2014; Aktenzeichen 1 Ca 2828/14)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 15.8.2014 - 1 Ca 2828/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist seit Dezember 1993 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin und seit 2003 als Gruppenleiterin (Tarifgruppe 5) in C. beschäftigt. Im Unternehmen der Beklagten bestehen nach dem Zuordnungstarifvertrag vom 21.12.2004 11 Betriebe. Der Betrieb mit der Bezeichnung "E." hat seinen Sitz in S.; zu ihm gehört auch die Niederlassung C., in der die Klägerin tätig ist.

Seit 1998 ist die Klägerin Mitglied des Betriebsrates und seit 2005 Mitglied des Gesamtbetriebsrates sowie von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt. Mit Urteil vom 03.08.2007 erstritt die Klägerin vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf ( - 10 Sa 112/07 - ) einen Vollzeitarbeitsplatz, von dem sie freigestellt ist.

Am Standort C. existieren zwei Stellen eines Team-Managers. Mit Schreiben 23.08.2013 schrieb die Beklagte eine Beförderungsstelle eines Team-Managers Vergütungsgruppe 7 aus. Die Entgeltdifferenz zwischen der Gruppe 5 und der Gruppe 7 beträgt monatlich 693,59 € brutto. Die Klägerin und ihre Kollegin Frau O. bewarben sich um die Beförderungsstelle. Die Klägerin erhielt eine Absage.

Der Betriebsrat verweigerte die von der Beklagten beantragte Zustimmung zur Versetzung und Eingruppierung von Frau O. auf die Stelle "Team-Manager TG 7". Dem von der Beklagten beim Arbeitsgericht eingereichten Antrag auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats und vorläufigen Durchführung der Maßnahme gab das Arbeitsgericht (ArbG Düsseldorf, Beschluss vom 18.08.2014 - 15 BV 225/13 -) statt. Die Beschwerde des Betriebsrats wurde zurückgewiesen (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 19.01.2015 - 9 TaBV 64/14 -).

Mit der am 09.05.2014 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt die Klägerin ihre tatsächliche Beschäftigung als "Team-Manager" und Bezahlung nach der Tarifgruppe 7 seit dem 01.10.2013.

Die Klägerin hat vorgetragen, dass ihr aufgrund der betriebsüblichen Entwicklung die Beförderungsstelle zustehe. Für die Feststellung der betriebsüblichen Entwicklung nach § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG sei auf die berufliche Entwicklung der Beschäftigten am Standort C. abzustellen. Es sei betriebsüblich, dass Gruppenleiter nur aus der Gruppe der Beschäftigten am jeweiligen Standort bestimmt würden. Zum anderen würden nur Mitbewerber berücksichtigt, die die Karrierestufe unter der zu besetzenden Stelle erreicht hätten. Eine Beförderung zum Gruppenleiter erfolge nur, wenn der Arbeitnehmer im Kurierdienst oder als UPS Clark tätig gewesen sei. Es werde zwar nicht behauptet, dass alle Gruppenleiter Team-Manager würden. Der Automatismus der beruflichen Entwicklung liege aber in dem oben genannten Verfahren. Die aus Sicht der Beklagten mit ihr vergleichbaren Arbeitnehmer in C. (außer Frau O.) seien mittlerweile Team-Manager, soweit sie sich auf eine solche Stelle beworben hätten. Ihre Nichtberücksichtigung stelle eine verbotene Benachteiligung iSd. von § 78 BetrVG wegen ihres Betriebsratsamtes dar. Frau O. sei fälschlicherweise in das Auswahlverfahren einbezogen worden. Sie habe nur wegen ihrer Freistellung die Gruppenleiterstelle bekommen, aus der sie sich bewerbe. Wäre sie kein freigestelltes Betriebsratsmitglied, wäre es zu dieser Konstellation und einer zweiten Bewerberin nicht gekommen und ihr hätte die Stelle übertragen werden müssen. Ihre Qualifikation sei zudem höher als die von Frau O.. Es sei die Weiterbildung zur Wirtschaftsfachwirtin nicht...

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