Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankheitsbedingte Kündigung. häufige Kurzerkrankungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es steht der negativen Indizwirkung krankheitsbedingter Fehlzeiten in der Vergangenheit nicht entgegen, wenn der gekündigte Arbeitnehmer im vorletzten Jahr vor Ausspruch der Kündigung ausnahmsweise keine erheblichen Fehlzeiten aufzuweisen hatte, er in diesem Jahr wegen eines vorhergehenden Kündigungsschutzprozesses jedoch auch nur einer erheblich verringerten Arbeitsbelastung (hier: dreimonatiger, von Urlauben unterbrochener Arbeitseinsatz) ausgesetzt war.

2. Ist eine negative Indizwirkung aufgrund von Fehlzeiten in der Vergangenheit anzunehmen, vermag der Arbeitnehmer diese nicht durch die Behauptung zu erschüttern, die die Fehlzeiten verursachenden Entzündungskrankheiten seien nach Aussage des behandelnden Arztes nicht chronischer Art. Nicht chronische Erkrankungen stehen insoweit ausgeheilten Leiden nicht gleich.

 

Normenkette

KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Wuppertal (Urteil vom 28.04.2004; Aktenzeichen 6 Ca 872/04-3)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 10.11.2005; Aktenzeichen 2 AZR 44/05)

 

Tenor

1.Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom28.04.2004 – Az.: 6 Ca 872/04-3 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2.Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung der Beklagten.

Der 42 Jahre alte Kläger (verheiratet, 2 Kinder) ist bei der Beklagten seit dem 20.02.1980 tätig; er wurde zuletzt gegen Zahlung eines Monatsbruttolohns von durchschnittlich 2.267,00 EUR als Maschinenarbeiter an einem Akkordarbeitsplatz in der Presserei eingesetzt. Der Kläger ist behindert mit einem GdB von 30; er ist einem schwerbehinderten Menschen nicht gleichgestellt. Die Beklagte, die sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Baubeschlägen befasst, beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich Auszubildender.

Mit Ausnahme der Jahre 1982 und 2002 wies der Kläger in jedem Jahr seiner Beschäftigung krankheitsbedingte Fehlzeiten auf. Der Kläger war

1999 an 66 Arbeitstagen (in fünf Perioden),

2000 an 112 Arbeitsagen (in drei Perioden),

2001 an 227 Arbeitstagen (in zwei Perioden),

2003 an 61,5 Arbeitstagen (in vier Perioden) und

2004 (bis zum 20.02.) an 14 Arbeitstagen in einer Periode

arbeitsunfähig erkrankt. Wegen der Fehlzeitdaten in einzelnen – auch hinsichtlich der Fehlzeiten bis 1998 – wird auf die Aufstellung auf Blatt 5 ff. des Beklagtenschriftsatzes vom 02.04.2004 Bezug genommen. Wegen der von den behandelnden Ärzten mitgeteilten Ursachen der Erkrankungen wird auf die Krankheitsbescheinigung der AOK Rheinland vom 19.03.2004 (Blatt 49 ff. d.A.) verwiesen. Die Beklagte leistete in folgendem Umfang Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (ohne Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung): in 1999 für 66 Arbeitstage 6.314,95 EUR, im Jahre 2000 für 66 Arbeitstage 6.330,70 EUR, in 2001 für 30 Arbeitstage 2.930,93 EUR, im Jahre 2003 für 61,5 Arbeitstage 5.924,10 EUR und in 2004 für 14 Arbeitstage 1.460,61 EUR. Wegen des Umfangs der Entgeltfortzahlung bis zum Jahre 1998 wird auf die Aufstellung auf Blatt 4 des Beklagtenschriftsatzes vom 02.04.2004 Bezug genommen.

Unter dem 15.03.2001 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien wegen der krankheitsbedingten Ausfallzeiten des Klägers zum 31.08.2001. Der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht Wuppertal mit Urteil vom 17.05.2001 (Az. 6 Ca 1310/01) statt. Auf die Berufung der Beklagten erhob das Landesarbeitsgericht Düsseldorf Beweis durch Einholung eines arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachtens. In seinem Gutachten vom 25.06.2002 führte der Gutachter Dr. X. aus L. unter anderem aus, die zum Zeitpunkt der Kündigung bevorstehende Heilmaßnahme – der Kläger hielt sich zwischen dem 26.04.2001 und dem 17.05.2001 in der Rheumaklinik Aachen auf und wurde dort arbeitsfähig entlassen – habe zu einer wesentlichen Verbesserung des Gesundheitszustandes des Klägers führen können. Nach den vorliegenden Befunden, so der Gutachter, könne mit Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass sich zukünftig die Fehlzeitenhäufigkeiten des Klägers in einer altersgemäßen Häufigkeit bewegen würden. Auf Basis dieses Gutachtens wies das Landesarbeitsgericht Düsseldorf die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 19.07.2002 (Az. 18 Sa 1429/01) zurück. Am 26.07.2002 nahm der Kläger seine Arbeitstätigkeit bei der Beklagten wieder auf. Vom 22.08.2002 bis zum 25.09.2002 sowie zwischen dem 25.11.2002 und dem 20.12.2002 gewährte die Beklagte dem Kläger Erholungsurlaub; an den letzten Urlaub schlossen sich die Betriebsferien der Beklagten bis zum 03.01.2003 an. Zwischen dem 16.06.2003 und dem 18.07.2003 und vom 23.10.2003 bis zum 21.11.2003 war der Kläger wegen Rückenbeschwerden arbeitsunfähig krank, vom 29.08.2003 bis zum 12.09.2003 und zwischen dem 03.02.2004 und dem 27.02.2004 fiel er wegen Bronchitis/Gastritis/Sinusitis aus. Hinzu kamen noch vier Feh...

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