Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegungslast beim Arbeitgeber für genommenen Urlaub. Schlüssiges Verhalten als Anerkenntnis. Verjährung von Urlaubsansprüchen nur bei tatsächlicher Möglichkeit einer Urlaubsinanspruchnahme

 

Leitsatz (amtlich)

1. Kommt der Arbeitgeber den Mitwirkungsobliegenheiten nicht nach, die ihn bei einem richtlinienkonformen Verständnis von § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG treffen, so tritt der am 31. Dezember des Urlaubsjahres nicht verfallene Urlaub zu dem Urlaubsanspruch hinzu, der am 1. Januar des Folgejahres entsteht. Für ihn gelten, wie für den neu entstandenen Urlaubsanspruch, die Regelungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BUrlG (BAG, Urteil vom 25. Juni 2019 - 9 AZR 546/17 -, Rn. 15 ff., juris).

2. Kommt der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten auch in den Folgejahren nicht nach, kann er die Erfüllung des über die Jahre kumulierten Urlaubsanspruchs nicht unter Berufung auf den Eintritt der Verjährung nach § 214 Abs. 1 BGB verweigern.

 

Normenkette

BGB §§ 194-195, 199, 212 Abs. 1 Nr. 1, § 214; BUrlG § 7 Abs. 4; BGB § 286 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Solingen (Entscheidung vom 19.02.2019; Aktenzeichen 3 Ca 155/18)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 19.02.2019 - 3 Ca 155/18 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin über die unter Ziffer 3 des erstinstanzlichen Urteils zugesprochenen € 548,71 brutto hinaus weitere € 17.376,64 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2017 zu zahlen.

  • II.

    Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Beklagte zu 85 % und die Klägerin zu 15 %.

  • III.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob Urlaubsansprüche der Verjährung gemäß §§ 194 ff. BGB unterliegen.

Die Klägerin war ab dem 01.11.1996 ohne schriftlichen Arbeitsvertrag bei dem Beklagten als Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin gegen ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von zuletzt € 3.962,91 beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete mit Ablauf des 31.07.2017.

Im Jahre 2017 nahm die Klägerin sechs Tage Urlaub. Für weitere 14 Urlaubstage zahlte der Beklagte bei einem unter den Parteien unstreitigen Tagesanspruch von € 228,64 Urlaubsabgeltung i.H.v. insgesamt € 3.201,38 brutto.

Bezüglich der Beantragung und Gewährung von Urlaub verfuhren die Parteien - wie auch sonst im Betrieb des Beklagten üblich - wie folgt: Die Klägerin beantragte Urlaub unter Verwendung des Vordrucks "Antrag auf Urlaub/Sonderurlaub" (vgl. z.B. Blatt 73 d.A.). Sie füllte diesen jedenfalls mit ihrem Namen und dem Zeitraum, für den sie Urlaub beantragte, aus und versah ihn mit einem Datum und ihrer Unterschrift. Der Beklagte unterzeichnete den Antrag unter Hinzufügung des Tagesdatums unter der Rubrik "Antrag auf Urlaub/Sonderurlaub wird (nicht) befürwortet/genehmigt (bei Ablehnung bitte Begründung)". Der so ausgefüllte und unterzeichnete Urlaubsantrag wurde nicht der Klägerin ausgehändigt, sondern zur Personalakte genommen. Wie der jeweilige Urlaubsantrag beschieden worden war, wurde der Klägerin mündlich mitgeteilt.

Mit Schreiben vom 01.03.2012 (Blatt 97 d.A.) hatte der Beklagte der Klägerin, bescheinigt, dass der Resturlaubsanspruch von 76 Tagen aus dem Kalenderjahr sowie den Vorjahren am 31. März 2012 nicht verfalle, weil die Klägerin ihren Urlaub wegen des hohen Arbeitsaufwandes in seiner Kanzlei nicht habe antreten können.

Unter dem 19.10.2016 beantragte die Klägerin unter Verwendung des Antragsvordrucks Urlaub für die Zeit vom 23.01. bis 26.01.2017. Die Zahl der Urlaubstage gab sie im Vordruck (vgl. Kopie Bl. 29 d.A.) mit vier Tagen an. Die übrigen Zeilen "Resturlaub Vorjahr", "Urlaubsanspruch laufendes Jahr", "Anspruch zum Zeitpunkt des Antrags" und "Verbleibender Resturlaub" füllte sie nicht aus. Am 09.01.2017 unterzeichnete der Beklagte den Antragsvordruck als genehmigt und nahm ihn zur Personalakte. Zuvor hatte er den Vordruck in der Zeile "Anspruch zum Zeitpunkt des Antrags" um die Angabe "81" Tage und in der Zeile "Verbleibender Resturlaub" um die Angabe "77" Tage ergänzt. Dem in der Personalakte befindlichen Dokument fügte die Klägerin nachträglich in der Zeile "Urlaubsanspruch laufendes Jahr" die Jahresangabe "2017" sowie die Zahl "24" hinzu. Die vom Beklagten in der Zeile "Anspruch zum Zeitpunkt des Antrages" notierte Zahl "81" strich sie durch und setzte die Zahl "105" davor. In der Zeile "Verbleibender Resturlaub" strich sie die Zahl "77" durch und ersetzte sie durch die Zahl "101" (vgl. Kopie Bl. 12 d.A.).

Unter dem 06.02.2018 hat die Klägerin den Beklagten mit einer am selben Tage beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageschrift u.a. auf Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgelt sowie Urlaubsabgeltung in Höhe von € 23.092,64 abzüglich eines bereits ausgezahlten Betrages von € 3.201,38 in Anspruch genommen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe ihr noch 101 Urlaubstage abzugelten. Dies habe der Beklagte durch d...

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