Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine sofortige Beschwerde gegen Beschluss zur Bild- und Tonübertragung in Pandemiezeiten. Keine Statthaftigkeit eines Rechtsmittels wegen fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung

 

Leitsatz (amtlich)

Die gerichtliche Anordnung oder Versagung einer Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung im Falle einer Pandemie gem. § 114 ArbGG (ebenso § 211 SGG) ist nicht anfechtbar.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Regelung des § 114 Abs. 3 ArbGG ist ein Sonderfall des § 128a ZPO.

 

Normenkette

ArbGG § 114; ZPO §§ 128 a, 567; SGG §§ 110a, 211; GKG § 3 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 25.06.2020; Aktenzeichen 9 Ca 3273/20)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 25.06.2020 - 9 Ca 3273/20 - wird als unzulässig verworfen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

 

Gründe

I. Mit ihrer Beschwerde vom 30.06.2020 wendet sich die Klägerin gegen die Ablehnung ihres Antrags mit Beschluss des Arbeitsgerichts vom 26.06.2020, den anberaumten Gütetermin am 09.07.2020 gemäß § 114 Abs. 3 ArbGG von einem anderen Ort aus im Wege der zeitgleichen Bild- und Tonübertragung wahrnehmen zu dürfen. Sie macht u.a. geltend, das Corona-Risiko liege am Gerichtsort E. um ein Vielfaches höher als am Sitz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin in I..

II. Die sofortige Beschwerde ist unstatthaft.

1. Eine nicht statthafte Beschwerde kann das Beschwerdegericht ohne Abhilfeentscheidung des Arbeitsgerichts (§ 571 Abs. 2 ZPO) verwerfen (Zöller, ZPO 32. Aufl. § 571 Rn. 6 mwN). Eine Rückgabe an das Arbeitsgericht verbietet sich auch aus Zeitgründen.

2. Gegen die angegriffene Entscheidung des Arbeitsgerichts ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Gemäß § 567 Abs. 1 ZPO findet die sofortige Beschwerde statt, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (Nr. 1) oder es sich um solche, eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen handelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist (Nr. 2).

a. Eine ausdrückliche Bestimmung gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegt nicht vor. Sie fand sich lediglich in § 114 Abs. 2 Satz 3 eines Referenten-Entwurfs des Bundesarbeitsministeriums zum Covid-19 ArbGG/SGG-AnpassungsG (vgl. dazu Düwell, jurisPR-ArbR 16/2020 Anm. 1) und hat in die Gesetzesfassung keinen Eingang gefunden.

b. Die sofortige Beschwerde ist aber grundsätzlich gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft, da die Entscheidung des Arbeitsgerichts gemäß § 114 Abs. 3 ArbGG eine mündliche Verhandlung nicht erforderte und ein das Verfahren betreffendes Gesuch, nämlich auf Gestattung der Wahrnehmung des Termins an einem anderen Ort bei zeitgleicher Bild- und Tonübertragung, zurückgewiesen hat.

Gleichwohl ist die sofortige Beschwerde unstatthaft. Denn sie ist abweichend von der allgemeinen Regelung in § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO gemäß § 128a Abs. 3 Satz 2 ZPO ausdrücklich ausgeschlossen.

aa. Die Regelungen zur Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung in § 128a ZPO wurden zum 01.01.2002 eingeführt. Gemäß § 128a Abs. 1 ZPO "kann" das Gericht den Parteien, ihren Bevollmächtigten und Beiständen auf Antrag oder von Amts wegen gestatten, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Gemäß Satz 2 wird die Verhandlung zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort und in das Sitzungszimmer übertragen. In § 128a Abs. 2 ZPO findet sich eine ähnliche Befugnis des Gerichts in Bezug auf Zeugen und Sachverständige. In § 128a Abs. 3 ist bestimmt, dass die Übertragung nicht aufgezeichnet wird (Satz 1) und dass die Entscheidungen des Gerichts nach Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 unanfechtbar sind (Satz 2). § 128a ZPO schließt damit abweichend von der allgemeinen Regelung des § 567 Abs. 2 ZPO die sofortige Beschwerde ausdrücklich aus. Entsprechende Regelungen gelten im Wesentlichen gleichlautend für alle Gerichtsbarkeiten, so auch für die Sozialgerichtsbarkeit (§ 110a SGG).

Die Unanfechtbarkeit der Entscheidungen gemäß § 128a Abs. 3 Satz 2 ArbGG und § 110a Abs. 3 Satz 2 SGG umfasst sowohl die stattgebende als auch die abweisende Entscheidung, wie in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich vermerkt ist ("Anordnung oder Versagung", BT-Drucks. 14/6063, S. 120). Etwaige aus einer fehlerhaften Ermessensausübung des Prozessgerichts folgende Verletzungen von Verfahrensrechten können nach herrschender Auffassung mit dem Rechtsmittel in der Hauptsache geltend gemacht werden (vgl. Zöller, ZPO, 33. Aufl. § 128a Rn. 11).

bb. Der Ausschluss des Rechtsmittels gilt auch für die Pandemie-Sonderregelungen in § 114 Abs. 3 ArbGG und § 211 Abs. 3 SGG.

(1) Die bis zu 31.12.2020 befristet geltenden Pandemie-Sonderregelungen für die Arbeitsgerichtsbarkeit (§ 114 ArbGG) und die Sozialgerichtsbarkeit (§ 211 SGG) knüpfen an die vorgenannten Bestimmungen zur Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung an. In den Absätzen 1 und 2 werden ausdrücklich "von § 128a ZPO abweichende" Regelungen für ehrenamtliche Richter (Abs. 1) sowie fü...

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