Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltung des Anwendungs-TV durch arbeitsvertragliche Bezugnahme

 

Leitsatz (redaktionell)

Handelt es sich bei einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel zwar nicht um eine Gleichstellungsabrede im technischen Sinne, kann sich dennoch aus der Handhabung in der Vergangenheit ergeben, dass die jeweiligen Änderungen des Tarifvertrages auch auf das betroffene Arbeitsverhältnis übertragen werden sollten.

 

Normenkette

BAT-Anwendungs-TV Berlin

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 26.05.2004; Aktenzeichen 48 Ca 3102/04)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 05.04.2006; Aktenzeichen 4 AZR 33/05)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des ArbeitsgerichtS Berlin vom 26. Mai 2004 – 48 Ca 3102/04 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in dem vorliegenden Verfahren, soweit es nicht durch einen Teilvergleich in der Berufungsinstanz erledigt worden ist, darüber, welche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von der Klägerin zu erbringen ist und welche Vergütungsdifferenzen sich zu einer möglicherweise verminderten Arbeitszeit ergeben könnten.

Die Beklagte ist eine kirchliche Einrichtung, die in Berlin vor allem im Bereich der Alten-, Behinderten- und Jugendhilfe tätig ist. Sie ist Zuwendungsempfängerin des Landes Berlin. Die Klägerin war zunächst befristet, später unbefristet für die Beklagte als Angestellte im Erziehungsdienst beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag vom 11. März 1985 (Bl. 39 d.A.) heißt es unter anderem:

„… Eingruppierung und Vergütung erfolgen für Angestellte nach dem BundesangestelltentarifvertragBAT – / Bund/Länder und für Lohnempfänger nach dem Bundesmanteltarifvertrag – BMT/G – in der Gruppe BAT VII …”

Im Folgenden sind dann Grundgehalt, Ortszuschlag, Angestelltenzulage und Essenszuschlag mit den jeweiligen Beträgen angegeben. Ferner heißt es:

„… Die Arbeitszeit verteilt sich pro Woche auf 40 Stunden an 6 Tagen.

Grundlagen dieses Arbeitsvertrages sind im übrigen die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland in der jeweils gültigen Fassung. … „

Mit Vertrag vom 31. August 1988 (Bl. 44 d.A.) wurde die wöchentliche Stundenzahl auf 20 Stunden reduziert. Mit Vertrag vom 01. November 1988 wurde die Stundenzahl auf 40 Stunden pro Woche erhöht. Mit Schreiben vom 25. Mai 1999 (Bl. 41 d. A.) wurde der Klägerin eine Änderung des Dienstvertrages bestätigt. Danach war sie mit Wirkung vom 15. Mai 1999 bis 14. Mai 2001 als „innewohnende Erzieherin” tätig. In dem maschinenschriftlichen Zusatz des im übrigen vorgedruckten Bestätigungsschreibens heißt es in dem letzten Satz:

„… Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 100 %. …”

Mit weiterem Bestätigungsschreiben vom 12. April 1991 wurde die Tätigkeit als „innewohnende Erzieherin” mit Wirkung vom 15. Mai 2001 festgelegt (Bl. 40 d.A.). In dem maschinenschriftlichen Zusatz auf diesem Bestätigungsschreiben heißt der Satz wiederum:

„… Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 100 %. …”

Bereits am 10. Juni 1975 hatte das Kuratorium der Beklagten beschlossen, die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) einheitlich einzuführen (Bl. 138 d.A.). Dem voraus gegangen war am 30. April 1975 ein vergleichbarer Beschluss der Mitarbeitervertretung (Bl. 139 d.A.). In der Vergangenheit wendete die Beklagte bei der praktischen Umsetzung hinsichtlich der Vergütung auch Regelungen an, die nur im öffentlichen Dienst des Landes Berlin galten.

Mit Schreiben vom 09. Dezember 2003 (Bl. 8, 9 d.A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ab dem 01. Januar 2004 die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für sie entsprechend den Regelungen im öffentlichen Dienst des Landes Berlin nur noch 90 %, also 34,65 Stunden betrage. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2003, das in der Personalabteilung der Beklagten am 16. Dezember 2003 abgegeben worden ist, teilte die Klägerin mit, dass sie auch für das Jahr 2004 ihre Arbeitszeit „wie im Arbeitsvertrag vereinbart in vollem Umfange als Vollzeitkraft zur Verfügung stelle” (Bl. 10 d.A.). Ab Januar 2004 erhält die Klägerin eine Vergütung, die um 10 % gegenüber einem vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer gekürzt ist.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass der im öffentlichen Dienst des Landes Berlin gültige Anwendungstarifvertrag nicht zu berücksichtigen sei. Auf ihn sei in dem Arbeitsvertrag nicht Bezug genommen worden. Die dort geregelte „besondere regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit” sei im Grunde eine Teilzeittätigkeit. Im übrigen ergebe sich aus ihrem Arbeitsvertrag, dass der BAT nur für die Vergütung, nicht jedoch für die Arbeitszeit gelte. Diese würde durch die AVR geregelt werden.

Die Klägerin hat in der ersten Instanz, soweit es für die Berufungsinstanz von Bedeutung ist, beantragt,

  1. festzustellen, dass die mit Schreiben vom 09. Dezember 2003 angeordnete Änderung der Arbeitsbedingungen unwirksam sei,
  2. festzustellen, dass ihre regelmäßige Arbeitszeit ab dem 01. Januar 2004...

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