Entscheidungsstichwort (Thema)

Gratifikation. Freiwilligkeitsvorbehalt. Widerrufsvorbehalt

 

Leitsatz (amtlich)

Die Formulierung „eine freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung, auf die – auch zukünftig – kein Rechtsanspruch besteht” begründet keinen gesonderten Widerrufsvorbehalt, sondern stellt eine Formulierung dar, mit der der Arbeitgeber den Freiwilligkeitsvorbehalt unterstützt (im Anschluss an BAG 24.11.04 – 10 AZR 202/04 – zur Veröffentlichung vorgesehen).

 

Normenkette

BGB § 611 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 08.12.2004; Aktenzeichen 29 Ca 18360/04)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. Dezember 2004 – 29 Ca 18360/04 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.266,66 EUR (eintausendzweihundertsechsundsechzig 66/100) brutto abzüglich gezahlter 619,82 EUR (sechshundertneunzehn 82/100) netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2. Dezember 2003 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage ab- und die Berufung zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 28/100, dieBeklagte 72/100.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung von Weihnachtsgeld 2003 und Urlaubsgeld 2004.

Die Klägerin ist seit dem 01. Mai 2003 bei der Beklagten, die ein Seniorenheim betreibt, als Residenzberaterin beschäftigt. Der zwischen den Parteien schriftlich vereinbarte Arbeitsvertrag hat unter anderem folgenden Inhalt:

„… 5. Sonderzuwendung

Die Sonderzuwendungen werden als freiwillige, unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs stehende Leistungen gewährt. Ein Rechtsanspruch entsteht auch nicht bei wiederholter Zahlung. Eine betriebliche Übung wird dadurch nicht begründet. Als Sonderzuwendungen werden Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld gewährt.

5.1 Sonderzuwendung: Weihnachtsgeld

5.1.1. Die Arbeitnehmerin erhält in einem Kalenderjahr eine Zuwendung, wenn sie

  • am 01. Dezember im Arbeitsverhältnis steht und
  • seit dem 01. Oktober ununterbrochen beschäftigt war und
  • nicht in der Zeit bis einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres aus ihrem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausscheidet.

5.1.2. Die Höhe der Zuwendung beträgt 100 v.H. der monatlichen Bruttovergütung aus dem Monat September. Beginnt das Arbeitsverhältnis am 01. Oktober wird im ersten Kalenderjahr die Bruttovergütung des Monats Oktober zugrunde gelegt.

5.1.3. Hat die Arbeitnehmerin nicht während des ganzen Kalenderjahres eine Vergütung von dem Arbeitgeber erhalten, vermindert sich die Zuwendung um 1/12 für jeden Kalendermonat, für den sie keine Vergütung erhalten hat.

5.1.4. Die Zuwendung soll spätestens am 01. Dezember gezahlt werden.

5.2 Sonderzuwendung: Urlaubsgeld

5.2.1. Die Arbeitnehmerin erhält in einem Kalenderjahr ein Urlaubsgeld, wenn sie am 01. Juli im Arbeitsverhältnis steht und seit dem 01. Januar ununterbrochen beschäftigt war.

5.2.2. Die Höhe des Urlaubsgeldes beträgt für die am 01. Juli vollbeschäftigte Arbeitnehmerin EUR 255,65. Die am 01. Juli nicht vollbeschäftigte Arbeitnehmerin erhält von dem Urlaubsgeld den Teil, der dem Maß der mit ihr vereinbarten – am 01. Juli geltenden – durchschnittlichen Arbeitszeit entspricht.

5.2.3. Das Urlaubsgeld soll mit der Vergütung für den Monat Juli ausgezahlt werden. …”

Wegen des weiteren Inhalts des Arbeitsvertrages wird auf die Kopie des Arbeitsvertrages (Bl. 5 ff d.A.) verwiesen.

Mit Abrechnung vom November 2003 (vgl. dazu die Kopie Bl. 11 d.A.) gewährte die Beklagte der Klägerin 619,82 EUR netto und bezeichnete diese Leistung als „Sonderzahlungsvorschuss”.

Mit Schreiben vom 02. Februar 2004 an „alle Mitarbeiter/Innen” bezeichnete die Beklagte diese Zahlung als Arbeitgeberdarlehen und kündigte die Rückforderung an. Weiter heißt es in diesem Schreiben: „Unstrittig ist die Gewährung der Sonderzuwendung in den Tarifgebieten. Eine Zahlung an Mitarbeiter/Innen in Einrichtungen ohne tarifliche Grundlage kann nicht gewährt werden.” Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens wird auf die Kopie Bl. 12 bis 13 d.A. verwiesen.

Im Rahmen der am 26. Juli 2004 bei dem Arbeitsgericht Berlin eingegangenen und der Beklagten am 05. August 2004 zugestellten Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, ihr stehe ein Anspruch auf Weihnachtsgeld für das Jahr 2003 nach dem Arbeitsvertrag zu. Sie lasse sich auf ihren Anspruch von 1.266,66 EUR (8/12 von 1.900,– EUR brutto) die gezahlten 619,82 EUR netto anrechnen. Mit Klageerweiterung vom 05. August 2004 hat sie außerdem das Urlaubsgeld nach Ziffer 5.2 des Arbeitsvertrages in Höhe von 255,65 EUR brutto nebst Zinsen gefordert.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Berlin am 01. September 2004 hat die Beklagte keinen Antrag gestellt, weshalb gegen sie auf Antrag der Klägerin ein Versäumnisurteil ergangen ist, in dessen Rahmen die Beklagte zur Zahlung von 1.266,66 EUR brutto abzüglich 619,82 EUR netto zuzüglich weiterer 255,65 EUR brutto nebst Zinse...

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