Entscheidungsstichwort (Thema)

Klageerweiterung durch weitere Kündigungen in der Berufungsinstanz. Zulässigkeit der Klageerweiterung in der Berufung nur bei Einwilligung oder Sachdienlichkeit. Keine sachdienliche Klageerweiterung bei neuen Erkenntnissen eines streitigen Sachverhalts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Werden nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils weitere Kündigungen ausgesprochen und diese mit Kündigungsschutzanträgen zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht, handelt es sich dabei um eine Klageänderung in der Berufungsinstanz, deren Zulässigkeit sich nach § 533 ZPO richtet. Dies gilt auch dann, wenn erstinstanzlich ein allgemeiner Feststellungsantrag gestellt wurde und dieser mit der Berufung wiederholt wird.

2. Zur Unzulässigkeit einer solchen Klageänderung in der Berufungsinstanz.

 

Normenkette

ZPO §§ 256, 533; KSchG §§ 1, 6

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 14.01.2019; Aktenzeichen 23 Ca 2453/18)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 14.09.2019 - 23 Ca 2453/18 - wird im Übrigen zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat die Klägerin zu 33 % und der Beklagte zu 67 % zu tragen.

Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz hat die Klägerin zu 68 % und der Beklagte zu 32 % zu tragen. Die durch die Nebenintervention verursachten Kosten hat die Klägerin zu 14 % zu tragen. Im Übrigen hat sie der Nebenintervenient selbst zu tragen.

III. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Kündigungen.

Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der A Berlin PLC & Co Luftverkehrs KG, über deren Vermögen am 1. November 2017 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Klägerin ist seit dem 14.05.2007 bei dem Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgängerinnen als Flugbegleiterin gegen ein monatliches Bruttoentgelt von zuletzt 2.446,90 Euro beschäftigt.

Nach Massenentlassungsanzeigen bei der Agentur für Arbeit Berlin Nord vom 12. Januar 2018 sowie Anhörung der Personalvertretung vom 19. Januar 2018 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom 27. Januar 2018.

Mit weiterem Schreiben vom 27. August 2020, der Klägerin zugegangen am 28. August 2020 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut, diesmal zum 30. November 2020 (Bl. 948 - 950 d.A.). Mit Schreiben vom 28. Januar 2021 sprach der Beklagte eine weitere Kündigung zum 30. April 2021 aus (Bl. 1095 - 1097 d.A.).

Mit ihrer am 15. Februar 2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin mit einem Kündigungsschutzantrag gegen die Kündigung vom 27. Januar 2018 gewandt. Sie hat diese Kündigung für sozial ungerechtfertigt und u.a. wegen Fehler im Massenentlassungsverfahren für rechtsunwirksam gehalten.

Die Klägerin hat - soweit für das Berufungsverfahren noch relevant - beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten mit Schreiben vom 27.01.2018, der Klagepartei zugegangen am 29.01.2018, nicht aufgelöst worden ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände, insbesondere weitere Kündigungen, aufgelöst worden ist;

3. ...

für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1)

4. den Beklagten zu verurteilen, an die Klagepartei einen Nachteilsausgleich zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird;

5. ...

äußerst hilfsweise für den Fall des Unterliegens zu Ziffer 4)

6. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, an die Klagepartei einen Nachteilsausgleich als Neumasseverbindlichkeit zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird

7. ...

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 14.Januar 2019, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Kündigung sei aufgrund der erfolgten Stilllegung des Betriebes durch betriebsbedingte Gründe gerechtfertigt, die erforderliche Massenentlassungsanzeige sei ordnungsgemäß erfolgt und die Personalvertretung hinreichend beteiligt worden, sonstige Unwirksamkeitsgründe stünden der Kündigung nicht entgegen. Der allgemeine Feststellungsantrag sei mangels Feststellungsinteresse unzulässig, da neben der streitgegenständlichen Kündigung keine weiteren Beendigungstatbestände erkennbar seien. Die weiter geltend gemachten Ansprüche bestünden nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses der Klägerin am 28. Januar 2019 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die sie mit einem beim Landesarbeitsgericht am 27. Februar 2019 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28. Mai 2019- beim Landesarbeitsgericht am 14. Mai 2019 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Klägerin macht in ihrer Berufungsbegründung u...

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