Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergleichsmehrwert bei der Erledigung mehrerer Ansprüche. Kostenwirkungen einer im Vergleich vereinbarten Zeugniserteilung bei verhaltens-, personen- und betriebsbedingten Kündigungen. Kein Vergleichsmehrwert bei unterbliebener Konkretisierung des Zeugnisinhalts im gerichtlichen Vergleich

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wenn die Parteien über die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung streiten, kann an sich regelmäßig ohne nähere Begründung davon ausgegangen werden, dass auch das Führungs- und Leistungsverhalten streitig war.

Es bedarf zur Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts für eine Zeugnisregelung dann regelmäßig keiner näheren Angaben, aus denen auf einen im Zeitpunkt des Vergleichs bestehenden Streit bzw. eine Ungewissheit über den Zeugnisanspruch geschlossen werden kann (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 8. März 2017 - 17 Ta (Kost) 6013/17, Rn. 4).

2. Geht in einem solchen Fall der Inhalt eines Vergleichs aber über den einer Abwicklungsregelung nicht hinaus (Erstellung eines "wohlwollenden qualifizierten Zeugnisses"), die zudem auch keinen vollstreckbaren Inhalt hat, ist der Ansatz eines Vergleichsmehrwerts insoweit nicht gerechtfertigt.

 

Normenkette

RVG § 33

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 07.02.2019; Aktenzeichen 63 Ca 14757/18)

 

Tenor

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 7. Februar 2019 - 63 Ca 14757/18 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten begehren mit der Beschwerde Berücksichtigung eines Mehrwerts in Höhe von 2.538,33 Euro im Zusammenhang mit der Freistellungsvereinbarung im Vergleich, in Höhe von weiteren 100 Euro für zwei vereinbarte Abrechnungen sowie eines Bruttoeinkommens als Vergleichsmehrwert im Hinblick auf das Endzeugnis nach dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung, was das Arbeitsgericht abgelehnt hat, da Streit insoweit nicht feststellbar sei.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde am 28. Februar 2019 nicht abgeholfen, da Streitigkeiten insoweit nicht konkretisiert worden seien.

II.

Die am 26. Februar 2018 beim Arbeitsgericht Potsdam eingegangene Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 7. Februar 2019, zugestellt am 14. Februar 2019, ist zulässig, aber unbegründet.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Berücksichtigung eines Vergleichsmehrwerts zutreffend abgelehnt.

1) Die anwaltliche Einigungsgebühr entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht (Nr. 1000 Abs. 1 der Anlage 1 zum RVG). In den Wert eines Vergleichs sind daher die Werte aller rechtshängigen oder nichtrechtshängigen Ansprüche einzubeziehen, die zwischen den Parteien streitig oder ungewiss waren und die mit dem Vergleich geregelt wurden. Demgegenüber ist die bloße Begründung einer Leistungspflicht in dem Vergleich für den Vergleichsmehrwert ohne Bedeutung; denn es kommt für die Wertfestsetzung darauf an, worüber - und nicht worauf - die Parteien sich geeinigt haben. Auch genügt es für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes nicht, dass durch den Vergleich ein Streit vermieden wurde. Ein Titulierungsinteresse kann nur dann berücksichtigt werden, wenn der geregelte Anspruch zwar unstreitig und gewiss, seine Durchsetzung aber ungewiss war (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 8. März 2017 - 17 Ta (Kost) 6013/17, Rn. 2).

Die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts ist danach nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn die Parteien während ihrer Vergleichsverhandlungen über die gerichtlich anhängigen Gegenstände weitere Ansprüche ansprechen und auch sie eine Regelung in dem Vergleich erfahren. Zwar wird eine Einigung der Parteien häufig nur zu erreichen sein, wenn derartige Vereinbarungen getroffen werden; denn die Parteien sind nicht selten nur dann zum Abschluss eines Vergleichs bereit, wenn weitere Fragen geregelt werden und ein diesbezüglicher zukünftiger Streit vermieden wird. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts, die zum Abschluss eines Vergleichs führt, ist jedoch mit der Einigungsgebühr als solcher abgegolten. Für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts und die damit verbundene Gebührenerhöhung muss darüber hinaus festgestellt werden, dass die geregelten Gegenstände vor Abschluss des Vergleichs streitig oder ungewiss waren. Hierzu genügen weder die Vergleichsverhandlungen als solche noch Regelungen, durch die Leistungspflichten erstmals begründet oder beseitigt werden, die Rechtsverhältnisse lediglich klarstellen oder auf sonstige Weise ausschließlich einen künftigen Streit der Parteien vermeiden. Auch genügt es für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes nicht, dass eine der Parteien in den Vergleichsverhandlungen Forderungen aufstellt, um dann im Wege des Nachgebens einen Vergleich zu erreichen; für einen Vergleichsmehrwert muss vielmehr der potentiell...

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