Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung der Betriebsratswahl. Größe des gewählten Betriebsrats

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach § 19 Abs. 1 BetrVG kann eine Betriebsratswahl angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Geht der Wahlvorstand von einer zu großen Zahl zu wählender Betriebsratsmitglieder aus, so beruht das Wahlverfahren auf einem wesentlichen Mangel i.S.v. § 19 Abs. 1 BetrVG. Eine Korrektur scheidet aus und die Betriebsratswahl muss im Ganzen wiederholt werden

 

Normenkette

BetrVG §§ 9, 19

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 05.08.2010; Aktenzeichen 13 BV 6779/10)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 05. August 2010 – 13 BV 6779/10 – wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Betriebsratswahl vom 16. April 2010.

Der Beteiligte zu 2) ist der im Betrieb der Beteiligten zu 1) (im Folgenden: Arbeitgeberin) gebildete Betriebsrat.

Die Arbeitgeberin hatte in Spitzenzeiten ca. 50 Arbeitnehmer beschäftigt. Die Zahl der Beschäftigten reduzierte sich dann von 44 Arbeitnehmern (im Zeitraum von 1994 bis 1998) auf noch 33 Arbeitnehmer im Jahr 2000. Danach reduzierte sich die Beschäftigtenzahl im Zeitraum von 2001 bis 2007 auf 23 bis 25 Arbeitnehmer. Seit dem Jahr 2008 werden 20 Arbeitnehmer bei ihr beschäftigt, darunter die Ehefrau des Geschäftsführers. Seit November 2010 beschäftigt die Arbeitgeberin einschließlich der Ehefrau des Geschäftsführers noch 18 Arbeitnehmer.

Aufgrund der rückläufigen Mitarbeiterzahl versuchte die Arbeitgeberin im Zeitraum von 2007 bis 2009 das Grundstück ihres Betriebssitzes zu veräußern, um einen der veränderten Betriebsgröße angepassten, kleineren Firmensitz zu erwerben. Hintergrund war auch das planmäßige, altersbedingte Ausscheiden des zweiten Geschäftsführers der Arbeitgeberin im Jahr 2010. Der geplante Verkauf war im Jahr 2008 Thema einer Betriebsversammlung.

Im Vorfeld der hier streitigen Betriebsratswahl forderte der Wahlvorstand von der Arbeitgeberin eine Liste aller beschäftigten Mitarbeiter an, die ihm von der Arbeitgeberin übersandt wurde und die insgesamt 20 Arbeitnehmer einschließlich der Ehefrau des Geschäftsführers auflistete.

Mit Wahlausschreiben vom 10. März 2010 setzte der Wahlvorstand u. a. den Zeitpunkt der Wahl und die zu wählende Anzahl von Betriebsratsmitgliedern auf drei fest. Sowohl die Arbeitgeberin als auch der jetzige Verfahrensbevollmächtigte der Arbeitgeberin wiesen den Wahlvorstand darauf hin, dass angesichts der Beschäftigtenzahl keine drei Betriebsratsmitglieder, sondern lediglich ein Betriebsratsmitglied zu wählen sei. Am 16. April 2010 fand die Betriebsratswahl mit drei zu wählenden Betriebsratsmitgliedern statt. Die 18 abgegebenen Stimmen wurden am 16. April 2010 ausgezählt, das Wahlergebnis im Betrieb veröffentlicht und die Arbeitnehmer Sch., F. und M. als gewählt bekannt gegeben.

Mit ihrer am 29. April 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift hat die Arbeitgeberin die Feststellung der Unwirksamkeit der Betriebsratswahl vom 16. April 2010 begehrt. Sie hat gemeint, die Betriebsratswahl sei rechtswidrig, weil lediglich ein einköpfiger Betriebsrat habe gewählt werden dürfen. Sie beschäftige regelmäßig nicht mehr als 20 Arbeitnehmer. In der Wählerliste sei darüber hinaus auch Frau G. aufgeführt, die aber als Ehefrau des Geschäftsführers der Arbeitsgeberin analog § 5 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG nicht wahlberechtigt gewesen sein. Auszugehen sei daher von einer Beschäftigtenzahl von 19 Arbeitnehmern. Weitere Arbeitnehmer seien in ihrem Betrieb nicht beschäftigt.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Wahl des Betriebsrates der A. E. Malermeister GmbH vom 16. April 2010 für unwirksam zu erklären.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat vorgetragen, für die Ermittlung der Beschäftigtenzahl sei nicht auf die aktuelle Beschäftigtenzahl, sondern auf die in der Regel im Betrieb Beschäftigten abzustellen. Er habe bei der anzustellenden Prognose unter Berücksichtigung der Entwicklung in der Vergangenheit berechtigterweise davon ausgehen dürfen, dass die Beschäftigtenzahl nicht dauerhaft unter 21 absinken werde. In der Vergangenheit seien deutlich mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Deshalb sei immer ein drei- oder mehrköpfiger Betriebsrat gewählt worden. Das Absinken der Beschäftigtenzahl sei auf Auftragseinbrüche in Folge der Weltwirtschaftskrise zurückzuführen, die aber nun überwunden sei. Aufgrund der zu erwartenden Steigerung des Auftragsvolumens sei auch mit einer Steigerung der Beschäftigtenzahl zu rechnen gewesen. Darüber hinaus sei von einer erheblich höheren Beschäftigtenzahl als von der Arbeitgeberin angegeben auszugehen. Durch den Arbeitnehmer M. seien zwe...

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