Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Urteil vom 25.01.2000; Aktenzeichen 11 Ca 7875/99)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 25.01.2000 – 11 Ca 7875/99 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Nachdem das Urteil des Landesarbeitsgericht der Revision nicht unterliegt, wird von der Darstellung des Sachverhalts abgesehen (§ 543 Abs. 1 ZPO).

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 25.01.2000 ist statthaft, sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 64 Abs. 1 u. 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 518, 519 ZPO). Sie konnte aber keinen Erfolg haben.

Wie das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt hat, sind Ansprüche des Klägers auf Annahmeverzugslohn gemäß den §§ 611, 615, 293 ff. BGB für die Zeit vom 01.06.1997 bis 31.12.1999 nicht gegeben. Zwar besteht das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weiterhin, da die außerordentliche Kündigung der Beklagten und der Auflösungsantrag des Klägers keinen Erfolg hatten (11 Sa 7191/97 und 21 Sa 6/98). Annahmeverzug gemäß § 615 BGB kann aber nur eintreten, wenn der Arbeitnehmer gemäß den §§ 293 ff. BGB dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft in eigener Person zur rechten Zeit, am rechten Ort und in der rechten Weise anbietet. Nach § 297 BGB ist der Annahmeverzug des Arbeitgebers ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer nicht leistungswillig und leistungsfähig ist. Das Leistungsvermögen muss sich auf die geschuldete Arbeit beziehen. Wie die Parteien im Termin vom 21.10.1999 vor dem Arbeitsgericht übereinstimmend erklärt haben, ist der Kläger aus gesundheitlichen Gründen außer Stande, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung, die im Entgraten von Stahl bestanden hat, zu erbringen.

Wie schon das Arbeitsgericht festgestellt hat, hat sich die geschuldete Arbeitsleistung des Klägers nach 14-jähriger Tätigkeit auf das Entgraten von Stahl konkretisiert. Zwar ist der Kläger gemäß mündlichem Arbeitsvertrag zuerst als Betriebselektriker bei der Beklagten eingestellt worden, er hat dann aber seit 14 Jahren die andere Tätigkeit ausgeübt, die Stelle des Betriebselektrikers ist weggefallen. Auch unabhängig von der Erklärung der Parteien in der Verhandlung vom 21.10.1999 ergibt sich aus den vorgelegten ärztlichen Attesten des Dr. A. vom 26.05.1997, dem arbeitsmedizinischen Gutachten der Dr. R. vom 26.02.1999 und dem Zusatzgutachten des Dr. L. vom 27.04.1999, dass der Kläger diese Tätigkeit aus medizinischer Sicht nicht mehr ausüben kann. Somit konnte der Kläger seine Arbeitsleistung weder wörtlich mit Schreiben vom 22.05.1997 noch tatsächlich im Betrieb, wie am 09.10.1998 und am 13.10.1998 geschehen, der Beklagten in der Weise anbieten, dass diese in Annahmeverzug geraten ist.

Ist der Arbeitnehmer zu der geschuldeten Arbeitsleistung nicht mehr fähig, so ergibt sich das Problem, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, ihm eine andere, dem Arbeitnehmer mögliche Arbeit zuzuweisen. Im Kündigungsrecht besteht das Ultima-Ratio-Prinzip, d.h. der Arbeitgeber hat zunächst eine Änderungskündigung auszusprechen, soweit ein Bedarf im Betrieb besteht. Daraus ergibt sich aber auch, dass sich der Vertragsinhalt nicht automatisch ändert. Dies stünde mit der vertraglichen Gestaltungsfreiheit nicht im Einklang. Annahmeverzug scheidet bei Angebotsunfähigkeit daher aus, aber der Arbeitgeber kann sich schadensersatzpflichtig machen. Auch bei einem Schwerbehinderten ist ein Anspruch auf Vertragsänderung denkbar, jedenfalls besteht aber nicht ohne Weiteres ein Anspruch auf Lohnfortzahlung (s. dazu Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Rdnr. 16 ff. zu § 615 BGB).

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BAG vom 29.01.1997 NZA 1997, 709) ist ein Arbeitnehmer, der auf Dauer krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist, die geschuldete Arbeit auf seinem bisherigen Arbeitsplatz zu leisten, zur Vermeidung einer Kündigung auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen weiterzubeschäftigen, falls ein solch gleichwertiger oder jedenfalls zumutbarer Arbeitsplatz frei und der Arbeitnehmer für die dort zu leistende Arbeit geeignet ist. Ggf. hat der Arbeitgeber einen solchen Arbeitsplatz durch Ausübung seines Direktionsrecht freizumachen und sich auch um die evtl. erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zu bemühen. Zu einer weitergehenden Umorganisation oder zur Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens gem. § 99 Abs. 3 BetrVG ist der Arbeitgeber dagegen nicht verpflichtet. Dies bedeutet aber nicht, dass bei Verletzung der Fürsorgepflicht der Arbeitgeber automatisch in Annahmeverzug gerät, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung vor Änderung der Arbeitsbedingungen anbietet. So hat das BAG (BAG vom 10.07.1991 AP Nr. 1 zu § 14 SchwbG 1986) entschieden, dass dem Schwerbehinderten auch dann kein Lohnanspruch aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs (§ 615 BGB) zusteht, wenn der Arbeitgeber seine Verpflichtung, den Schwerbehinderten so zu fördern, dass er seine eingeschränkte Arbei...

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