1 Leitsatz

Ein unbedingt gestellter PKH-Antrag kann i. V. m. § 167 ZPO dazu führen, dass die Klagefrist gewahrt ist.

2 Normenkette

§ 45 Satz 1 WEG; § 167 ZPO

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K greift mehrere Beschlüsse vom 27.5. an und erhebt eine Beschlussersetzungsklage. K rügt u. a., dass bei der Beschlussfassung Nicht-Wohnungseigentümer anwesend waren. Die Anwesenheit könne man nicht beschließen. Die Klage geht am 27.6. beim AG ein. Am 29.6. fordert das AG die Gebühr im Allgemeinen an. Die Anforderung erreicht K's Rechtsanwalt am 4.7. Mit Schriftsatz vom 15.7., eingegangen am 19.7., beantragt K, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Das AG weist den PKH-Antrag zurück. Auf K's Beschwerde gibt das LG dem Antrag am 6.1. hingegen statt. Am 20.3. wird die Klage zugestellt. Das AG weist die Klage ab. K habe die Klagefrist verpasst.

4 Die Entscheidung

Dies sieht das LG anders! Es sei § 167 ZPO anzuwenden. Es sei maßgeblich darauf abzustellen, ob sich die Verzögerungen bei der Klagezustellung noch in einem zumutbaren Rahmen bewegt hätten. Auf einen Antrag auf Wiedereinsetzung komme es nicht an. Die auf Prozesskostenhilfe angewiesene Partei dürfe nicht schlechter gestellt sein als eine finanziell starke Partei, wenn sie die Klage mit den damit verbundenen Risiken unbedingt anhängig mache und dann – entweder gleichzeitig oder nach der Aufforderung zur Einzahlung des Kostenvorschusses – Prozesskostenhilfe beantrage und diese auch gewährt erhalte. Der von K gerügte Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit sei allerdings unerheblich. Die Anwesenheit der Nicht-Wohnungseigentümer habe sich nicht auf die gefassten Beschlüsse ausgewirkt. Außerdem hätten die Wohnungseigentümer die Anwesenheit erlaubt. Es bestehe eine Beschlusskompetenz, die Anwesenheit Dritter zu erlauben. Unter welchen Voraussetzungen ein solcher Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspreche, brauche nicht entschieden zu werden, da der Beschluss bestandskräftig geworden sei.

Hinweis

  1. Da die Klagefrist materiell-rechtlich verstanden wird, kann ein PKH-Gesuch diese nach bislang ganz h. M. nicht wahren (siehe nur Dötsch, NZM 2008, S. 309, 313; Roth in Bärmann, WEG, 14. Aufl., § 46 Rz. 79). Allerdings sind nach § 45 Satz 2 WEG unstreitig die §§ 233ff. ZPO anwendbar (Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 45 Rz. 25). Der Fall spielte sich im Übrigen noch zum alten WEG-Verfahrensrecht ab. Durch das WEMoG hat sich insoweit aber nichts geändert.
  2. Es ist streitig, ob die Wohnungseigentümer über die Anwesenheit Dritter beschließen können. Nach h. M. besteht eine Beschlusskompetenz (OLG Frankfurt a. M., Beschluss v. 17.1.2005, 20 W 30/04, OLGR Frankfurt 2005 S. 736; LG Düsseldorf, Urteil v. 16.3.2011, 25 S 56/10, ZMR 2011 S. 898). Wenn man dies so sieht (a. A. Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 23 Rz. 65), muss man erkennen, dass es ein Beschluss zur Geschäftsordnung ist (siehe nur LG München I, Urteil v. 29.1.2015, 36 S 2567/14 WEG, ZMR 2015 S. 490). Diesen konnte und musste K nicht anfechten. Dass LG hätte sich daher tragend und nicht nur nebenbei mit der Frage der Ordnungsmäßigkeit des Beschlusses befassen müssen. Ein Beschluss, der Nicht-Wohnungseigentümern – gemeint sind nicht Berater – die Teilnahme an der Versammlung erlaubt, ist in aller Regel nicht ordnungsmäßig. Gibt es keinen Anspruch auf Teilnahme eines Dritten, ist nicht erkennbar, dass das Interesse eines Einzelnen an einer Durchbrechung des Grundsatzes der Nichtöffentlichkeit das Interesse der anderen Wohnungseigentümer an Nichtöffentlichkeit überwiegen könnte. Dass es sich im Fall um Ehegatten handelte, die auch in den vergangenen Versammlungen anwesend waren, ist unerheblich.
  3. In der Sache hatte K im Übrigen gerügt, die Jahresabrechnung sei für ungültig zu erklären, weil er aufgrund der kurzfristigen Übersendung nicht hinreichend Zeit gehabt habe, sie zu prüfen. Das LG meint insoweit, es könne grundsätzlich erforderlich sein, den Wohnungseigentümern Unterlagen zu übersenden, wenn für die Beschlussfassung eine eingehende inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen Unterlagen von wesentlicher Bedeutung sei. Dies könne unter Umständen bei der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung und den Wirtschaftsplan geboten sein. Für die Übersendung sei jedoch nicht die Frist des § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG maßgeblich. Diese Ansicht ist mit Vorsicht zu genießen. Zu welchem Zeitpunkt eine Unterlage selbst oder der Vergleichsspiegel den Wohnungseigentümern zur Verfügung zu stellen ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Im Grundsatz ist die Frist des § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG maßgeblich. Denn die Ladungsfrist beschreibt den Zeitraum den der Gesetzgeber als notwendig erachtet, sich auf eine Versammlung vorzubereiten.

5 Entscheidung

LG Itzehoe, Urteil v. 7.8.2020, 11 S 43/17

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